Freitag – Schwimmkurs

Heute haben wir nur gut 300 und ein paar Kilometer vor uns. Grund genug, es uns beim Frühstück richtig gut gehen zu lassen! Obstsalat, Waffeln, Croissant und noch viele andere kleine Schweinereien finden den Weg auf unsere Teller.

Aber auch das schönste Frühstück ist irgendwann zu Ende, so dass wir erst die Taschen und dann in leichtem Nieselregen die Motorräder packen. Vor uns hält der mittlerweile zehnte Reisebus, da vor unserem Hotel wohl ein idealer Ausgangspunkt für Stadtführungen ist. Um 9:30 Uhr rollen wir aber dann endlichaus Danzig heraus.

Wer nachts mitten in der Stadt schläft, muss morgens erst einmal aus der Stadt wieder heraus. aber dies ist kein Problem. Sehr entspannt rollen wir wenige Kilometer später auf kleineren Straßen Richtung Malbork. Der Nieselregen hat fast aufgehört und wir sind optimistisch, dass uns das Glück der letzten Tage weiterhin treu ist.

Wenige Kilometer später hüllen wir dann aber doch vorsichtshalber unsere Tankrucksäcke in wasserdichte Kleidung. Wer weiß, wofür das noch gut sein wird. Auf meine Frage, ob auch Regenklamotten angesagt sind, antwortet Monika: “Nix da! Da vorne wird es doch schon wieder heller.”

 

Irgendwo ist es ein bißchen heller

Wenn Polen eines besitzt, dann unvorstellbar viel Landschaft! Jede Menge davon liegt links und rechts der kleinen Straßen, auf denen wir uns zu Beginn bewegen.

10:15: Ich bekomme einen Schreikrampf!

Endlich wieder 40 km/h

Ein paar kräftigere Schauer stören nur kurz unseren Ausblick, bevor sich wie aus dem Nichts die Festung Malbork vor uns aufbaut. Für einen unvorstellbaren Kurs von etwas über 1 € für die beiden Motorräder können wir diese sicher auf einem Parkplatz stehen lassen und zumindest einen kurzen Blick auf die Festung werfen.

mit Mensch
und ohne Mensch

 

Nach den obligatorischen Fotos wollen wir unsere Kulturreise fortsetzen und als nächstes die Altstadt von Elblag ansehen. In unsere eigentliche Fahrtrichtung staut es sich so dermaßen, dass wir noch in einer Stunde hier stehen würden. Ein kurzer Blick auf die Karte, schnell gewendet und schon setzen wir die Reise in die Gegenrichtung fort, um uns dann wieder rechts in die Büsche zu schlagen. Eine fantastische Entscheidung, denn auf menschenleeren Straßen kommen wir zügig voran.

Mohn – bei Sonne sicher beeindruckender

 

Niemand auf der Strasse

 

Elblag ist leider die nächste Enttäuschung auf unserer Reise. Nachdem wir zwei mal brav den Schildern Richtung Zentrum gefolgt sind, wirft sich uns eine Baustelle mit Vollsperrung in den Weg. Wir sind aber absolut nicht gewillt, noch einmal einen größeren Umweg in Kauf zu nehmen und beschließen, diese Stadt heute abend mit dem Finger im Reiseführer zu besuchen.

Nächster Programmpunkt heute ist der oberländische Kanal. An insgesamt fünf Stellen werden hier Schiffe über Land in das nächste, etwas höher gelegene Teilstück des Kanals gezogen.

Erläuterungen auch auf deutsch

Führen uns die ersten Kilometer noch über traumhafte Straßen und namenlose Kanäle, wird es wenige Kilometer vor unserem Zwischenziel abenteuerlich. Unsere geliebten Kopfsteinpflasterstraße bedeckt mit Gras dürfen wir nun endlich auch einmal im strömenden Regen befahren. “Nur nicht anhalten”, lautet unsere Devise und ich hoffe, dass wir an unserem Aussichtspunkt sicher parken können.

 

 

Kaum verstummen unsere Motoren, ertönt das laute Geräusch des Wasserkraftwerks. Wie auf Kommando wird ausgerechnet bei unserer Ankunft das Kraftwerk in Bewegung gesetzt und beeindruckende drei Schlauchboote bewältigen trockenen Fußes die Höhenunterschied. Wir sind zwar eindeutig der Meinung, dass die Polen für uns Touristen auch hätten ein größeres Schiff auf- und abfahren lassen können, aber geben uns für heute auch mit Schlauchbooten zufrieden.

Tropfnass schwingen wir uns wieder auf die Maschinen und freuen uns auf die nächsten Kilometer nasser Kopfsteinpflasterstraße. Was haben wir doch für ein tolles Hobby!

Wie auch schon in den letzten Tagen ist abseits der Hauptstraßen weit und breit weder Kaffee noch Restaurant zu finden. Da das Wetter mittlerweile von Nieselregen über kräftige Schauer in strömenden Dauerregen gewechselt hat, haben auch wir von unserer Anmut eingebüßt. Von oben bis zur Mitte nass, von der Mitte bis unten dreckig, sind wir vielleicht auch nicht mehr für jedes Lokal die Lieblingsgäste! Eine Tankstelle wirbt mit Cafe und Bistro, so dass wir uns Wasserpfützen produzierend dort zur Rast niederlassen.

Kaffeetrinkend bewundern wir die waagerechten Wasserfontänen, die unseren Blick von links nach rechts kreuzen. Welch einladendes Wetter!

Leider gibt das Bild die Wassermassen nicht wirklich her

 

Regenradar zur Mittagszeit

Wir haben zwar ein kleines Motivationsloch, aber sind immer noch gut drauf! Also werfen wir uns in unsere sexy Regenkombi, löschen die eigentlich geplanten weiteren Sehenswürdigkeiten und lassen uns auf direktem Wege kurvenreich von TomTom Richtung Masuren lotsen!

Während wir Kilometer um Kilometer unter die nassen Reifen nehmen, wird uns so langsam bewusst, dass wir verdammtes Glück gehabt haben! Nur einen Tag vor uns müssen hier unglaubliche Unwetter hereingebrochen sein, denn frisch gefällte Bäume, auf den Straßen liegende Äste und überflutete Wassergräben sind noch deutliche Zeugen!

Links und rechts auf der Strasse läuft das Wasser in breiten Rinnsalen Richtung Tal

 

Das war links mal ein Baum

So langsam wird uns kalt und wir hoffen, dass wir bald im Hotel eintrudeln! Endlich wird unser Zielort zum ersten Mal auf einem Schild angezeigt, das hebt die Stimmung wieder! Noch ein paar Wasserpfützen links, ein paar Äste rechts und schon werden wir am Hotel von einem sehr netten Parkplatzwächter in die Garage gelotst. Oder das, was sich hier Garage nennt. Es ist ein vergitterter Verschlag unterhalb der Terrasse, aber wir sind trotzdem mehr als zufrieden!

Wir bringen nur eben unsere Sachen aufs Zimmer und gehen runter ins Restaurant, um uns an einem Tee aufzuwärmen! Zwei große Bier pro Nase später und aus Vernunftgründen auch einem kleinen Abendessen torkeln wir zurück in unser Zimmer, verbrühen uns bei der dringend benötigten heißen Dusche und fallen rechtschaffen müde ins Bett!

Wie gut, dass wir zwei Nächte in diesem Hotel bleiben. Denn so haben unsere Klamotten eine Chance zu trocknen und auch für das kleine Pöttchen Buntes ist genügend Zeit!

Anmerkung des Tages:

Anmerkung 1:

Regenhaube über den Tankrucksack ziehen ist etwas für Feiglinge und diejenigen, die nicht aus Straßenkarten-Pappmache lustige Figuren basteln möchten. Ich bin gerne ein Feigling!

Anmerkung 2:

Ich hatte gestern ein ständiges Drücken im Rücken. Kaum packe ich meine harten Schuhe nicht mehr mittig in die Rolle, sind auch die Rückenschmerzen wie verflogen. Ich sollte Arzt werden!

 

Anmerkung 3:

Ich bin eine erfahrene Motorradfahrerin. Daher habe ich mir wenige Stunden vor der Abreise noch neue Handschuhe gekauft. Die müssen ja nur andere eintragen, ich natürlich nicht! 😉

Nach zwei Tagen mit Blasen und Druckstellen an verschiedenen Fingern haben sie aber heute im Dauerregen ihre ganze Stärke ausspielen können. Das leichte Mesh-Gewebe dieser Sommerhandschuhe lässt das eindringende Wasser sofort wieder heraus laufen! Was für ein Gewinn gegenüber vollgesogenen Gore-Tex Handschuh!

Alles schrumpelig. Monikas Handschuhe färben auch noch ab.

 

Anmerkung 4:

Kennt ihr Theorie und Praxis? In der Theorie wissen wir, wo wir sind und wohin wir wollen. Wenn es aber plötzlich nur noch gut 70 Kilometer bis nach Kaliningrad sind, begreift man das auch in der Praxis.

Anmerkung 5:

Was sind die Polen freundlich! Jeder, überall. In Hotels, bei Pausen, überhaupt! Wir sind begeistert!

Anmerkung 6:

“Heute kann es stümen, regnen oder schnei’n” gröle ich ab nachmittag in meinen Helm. Dabei ist es gar nicht so schlimm. Schnee haben wir beiden noch keinen gesehen.

Anmerkung 7:

Gesehen hat uns hoffentlich auch niemand, als wir den Prospekt für Bootsfahrten auf den Masurischen Seen an der Rezeption eingesteckt haben. Natürlich nur zur Information…. Aber vielleicht….. morgen…. falls wir nur eine kurze Runde fahren….

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9 comments on “Freitag – Schwimmkurs

  1. Ich hoffe, ihr seid noch lange unterwegs. Es macht viel Spaß, eure Reisegeschichte zu lesen. Ich drücke euch die Daumen für trockenes Wetter.

  2. Ach ja, meine neuen Mesh-Sommerhandschuhe habe ich letztens auch ausprobiert und schon beim Abwischen des nächtlichen Wassers von der Sitzbank gemerkt, dass das ein Fehler war.

  3. Wie immer, Julia: Extrem lesenswert geschrieben, und Deine Formulierungen halten das Schmunzeln bis weit nach dem Lesen auf dem Gesicht! Ich liebe es, wenn Du, am besten wie auch jetzt, in Begleitung auf Motorrad Reise bist!

  4. Liebe Jule,
    wie immer habe ich mit viel Vergnügen deinen Bericht gelesen. Ohne den Regen hättest du doch nichts zu schreiben gehabt.
    Ich wünsche euch Beiden besseres oder sogar gutes Wetter und viel Spaß.

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