Montag – Kanarienvögel 

Guten Morgen aus Kaunas!

Wir haben unsere erste Krise. Während ich auf die Wetter-App starre und steif und fest behaupte, dass es heute schön wird, bleibt und sein wird, guckt Monika einfach aus dem Fenster, und murmelt nur “hmm”, “hmm” und “hmm”.

Das klingt inhaltlich so wie “ja, ja..”! 😉

Bei unseren beiden ausgeräumten Packtaschen und den beiden ausgeräumten Tankrucksäcke kapitulieren wir heute morgen. Wenn wir könnten, würden wir das Zimmer dunkel lassen! Sonst ist die ganze Katastrophe in vollem Ausmaß zu sehen.

Die Überreste eines gepflegten Hotelzimmers 😉

 

Nachdem unsere beiden treuen Gefährten noch frischen Sprit bekommen haben, rollen wir relativ pünktlich aus Kaunas heraus. Der Anfang ist wie erwartet relativ städtisch geprägt, der Berufsverkehr macht es nicht viel besser.

Sonnenschein verabschiedet uns in Kaunas

 

Aber alle sind sehr höflich, lassen uns einscheren, so dass es eigentlich keinen Grund für Stress gibt. Hinter Vilkija schrauben wir uns endlich an die Memel herunter. Was für ein Ausblick, was für ein Wetter, was für ein unglaubliches Glück!

 

Fähre über die Memel! Nehmen wir nicht, knipsen wir nur.

 

Der Vormittag gestaltet sich als kleine Kulturreise. Immerhin liegen oberhalb der Memel einige Schlösser, die so günstig an unserer Strecke liegen, dass wir nicht daran vorbei fahren können. Während das erste noch etwas mächtiger mit seinem roten Backstein wirkt, ist das zweite Schloss fast farbenfroh!

Schloß bei Raudones

 

Panemune Castle

 

Eigentlich, ganz eigentlich wäre jetzt schon Zeit für eine erste Pause, um auch dringende Bedürfnisse zu erledigen. Das wirklich noch ganz echte Plumpsklo auf dem Schloßparkplatz mit seiner ca. 20 cm tiefen Erdkuhle lässt allerdings jeden Gedanken an irgendeine Form der Erleichterung im Keim ersticken, so dass wir ab jetzt vermutlich noch Stunden weiterfahren können.

Also fahren wir an der Memel immer weiter mit Blick auf die Grenze zu unserer Linken.

 

Suzuki-Werbefoto

 

Wie gut, dass der Wind wechselhaft aus beiden Richtungen weht, denn so haben wir die Chance, auch die Flanken unserer Reifen etwas abzunutzen. Ansonsten geht es nämlich nur geradeaus, geradeaus und geradeaus. Wir fühlen an unseren Reifen und sind entgeistert, dass wir uns tatsächlich eine eckige Kante in den Reifen gefahren haben. Natürlich haben wir es vorher geahnt, aber wenn es dann in Realität eintritt, ist es trotzdem frustrierend.

Es kommt, wie es kommen musste – kein Café weit und breit. Aber in den letzten Tagen haben wir uns an genau diesen Gedanken schon sehr gewöhnt. Also sind wir vorbereitet, auf einem im Wald gelegenen Rastplatz uns mit Müsliriegeln und unserem Wasser zu vergnügen. Bin ich sonst auf Motorradreisen kaffeesüchtig, habe ich mir das mittlerweile hier komplett abgewöhnt. Auch die Toiletten an dieser Stelle waren gut gelüftet und der Ausblick durchaus reizvoll. Gut, abschließbar waren sie nicht und im Regen wären sie auch ungeeignet. Aber so waren wir doch sehr erleichtert, im wahrsten Sinne des Wortes.

 

Die Toilettenanlage: Männlein links, Damen rechts

 

 

Mein Seitenständer bekommt bei dieser Pause etwas WD40, damit es bei ihm wieder genauso flutscht wie auch bei uns. Er hatte nach den Regentagen wohl etwas Sand im Getriebe. Apropos Getriebe: Wir sind so cruisend unterwegs, dass es uns nicht nur einmal passiert, dass wir im 5. Gang versuchen, durch die Ortschaften zu tuckern. Auch Anfahren im 3. Gang klappt zunehmend. 😉 Mein Gott, sind wir entspannt!

Bei der Mittagspause in Silute sind wir wie so oft auf unserer Reise fasziniert, wie günstig Mittagessen sein kann.  6 € für zwei Hauptspeisen und zwei Getränke, das halten wir immer noch für einen Rechenfehler!

Hinter Silute biegen wir ab, um uns die äußerste Landspitze auf litauischem Boden anzusehen. Ein unglaublich scharfer Wind bläst uns abwechselnd von links und rechts fast vom Motorrad. Wer heute unsere Kurvenradien beobachtet hätte, würde uns den Führerschein entziehen.

 

Selfie bei Windstärke 9

 

Links und rechts der Memel liegt das Örtchen Minija. Laut Reiseführern ist es fast ein must-see, so dass wir uns trotz der im Reiseführer beschriebenen Sand- und Schotterpiste auf den Weg dorthin machen wollen. Es klingt wie ein absolutes Highlight! Eigentlich ist diese Schotterpiste keine große Herausforderung. Sie hat so gut wie keine Kurven und liegt mit 5 km Wegstrecke auch durchaus im machbaren Bereich.

 

ga-ga-ga-nnn- z-z-z-z sch-sch-ch-ö-ö-ö-n-n-n r-r-r-ü-t-t-t-t-t-e-l-l-i-g-g-g-g-

 

Wir fragen uns aber, was dort für ein Untergrund drunter liegt, denn es fühlt sich an, als wären tagelang größere Panzer über diese Strecke gefahren, die alle 10 cm tiefe Querrillen in den Boden gezogen haben. Ich bewundere den Hersteller meines Navi-Halters, denn wenn ich Navihalter wäre, hätte ich schon längst aufgegeben.

Als wir in Minija ankommen,  sind wir doch ein bisschen enttäuscht.  Laut Reiseführer haben wir eine Mischung aus Mini-Las Vegas und Mini-Venedig erwartet. Wir würden aber sagen, diese vier bunten Häuser hätte man auch neben einer asphaltierten Straße in ein Freilichtmuseum stellen können. Wer dort also einmal hin möchte, kann uns gerne fragen.  Wir haben alles Sehenswerte bereits fotografiert.

 

Bißchen Minija

 

Leicht aufgegeben hat allerdings mein Knie. Denn mit Hin- und Rückweg knapp 10 km stehend fahren, ist ihm dann doch nicht bekommen. Ich bin ein Idiot!

Die Fähre auf die Kurische Nehrung in Klaipeda haben wir dann auch irgendwann gefunden und mussten so schnell bezahlen, dass wir nicht einmal sicher waren, nicht doch versehentlich bis Kiel ein Ticket gelöst zu haben.

Aber kaum auf der Fähre, ging es auch schon los!

 

Trocken ist der lackierte Boden kein Problem

Auf der Fähre bekamen wir noch den Tip, zu einer kleinen Kormoran-Insel zu gehen. Wir bedanken uns höflich, entscheiden uns aber mit einem Blick auf die Uhr dagegen.

Einen letzten Kaffee gönnen wir uns kurz vor Nida, bevor es dann bis zum Hotel weitergeht. Was für ein Ausblick! Dafür hat sich der weite Weg gelohnt.

 

Juodkrante (ein Ort – kein Schreibfehler!)

Bei bestem Wetter lassen wir das Hotel erst einmal links liegen, um uns auf die Suche nach der berühmten Düne zu machen. Und siehe da – keine Lüge – es gibt sie wirklich.

 

 

Düne aus der Ferne

 

Wir geben uns damit aber nicht zufrieden und suchen weiter, bis wir einen Weg bis direkt auf die Düne gefunden haben.

 

Ferne von der Düne aus

 

Anschließend müssen wir dann doch mal im Hotel einchecken. Heute haben wir sogar ein Hotel mit Blick aufs Meer. Okay, wenn man das Fenster ganz weit aufmacht, sich ganz weit nach rechts lehnt und die Kamera deutlich über sich hält. Aber immerhin Blick aufs Meer.

 

Fensterblick

Nicht, aber auch gar nichts hält uns im Zimmer und wir laufen sofort Richtung Meer und Wasser.

 

ohne Worte

 

Mit direktem Blick auf das Meer gönnen wir uns ein erstes Feierabendbier.

 

 

Leider ruft die Speisekarte keine Begeisterungsstürme hervor, zumindest nicht bei mir. Also laufen wir ein Stückchen weiter, und finden ein wirklich tolles Lokal mit einem unglaublich zuvorkommend Kellner. Aber auch davor haben wir schon erste nette Männerbekanntschaften gemacht. Der Herr konnte auch einfach nicht weglaufen, das haben wir schamlos ausgenutzt.

 

 

Für heute ist einfach nur Feierabend – toller Feierabend!

 

Sonnenuntergang

 

Anmerkungen des Tages:

Anmerkung 1:

Habe ich euch schon von den Störchen hier in der Gegend erzählt? Okay, habe ich euch schon öfter als 10 Mal von den Störchen in dieser Gegend erzählt? Nein? Okay, dann jetzt mal los. Hier kreisen Störche über den feuchten Wiesen, wie in den spanischen Bergen die Geier über kargen Böden. Und kreisen sie nicht, so kann man sie in großen Gruppen beobachten, wie sie auf frisch gemähten Wiesen in den Auen mit ihren langen roten Schnäbeln elegant nach Nahrung stochern.

Anmerkung 2:

Hatten wir heute morgen unsere erste Krise, kann man heute abend sagen, wir hatten beide recht. Eigentlich war der Tag wunderschön und im Prinzip auch trocken. Ein paar dunkle Wolken meinten, uns etwas von ihrem Nieselregen abgeben zu müssen. Aber wirklich nur minutenweise. Aber die Temperaturen, die könnten noch mal um 5 bis 10 Grad zulegen.

Anmerkung 3:

Die Polen waren ausnahmslos alle sehr nett! Die Litauer eigentlich auch, aber halt nur eigentlich. Irgendwie wirkt alles etwas muffiger. Wir können es schlecht beschreiben, aber wenn wir in Polen jemanden haben überholen lassen, haben sie sich immer freundlich bedankt. Hier in Litauen haben wir uns heute fast erschrocken, als der erste Fahrer seit mehr als einem Tag sich tatsächlich mal bedankt hat.

Anmerkung 4:

Auf der Rüttelstrecke nach Minija habe ich Monika hin und wieder gefragt, ob wir weiterfahren sollen. Ihre Antwort war immer die gleiche: “Kanarienvögel, Kanarienvögel”. Wenn das so weitergeht, meldet sie sich mit der CBF zum Endurotraining an.

Print Friendly, PDF & Email

14 comments on “Montag – Kanarienvögel 

  1. Ich hab noch *nie* Grüße nach Litauen verschickt 8-o …

    🙂 … viele Grüße nach Litauen und schöne Erlebnisse und Abenteuer weiterhin

    LG Mic

  2. Tolle Bilder, toller Bericht! Zwei Fragen: Was fahrt ihr denn für Reifen? Und: Wie läuft denn die Verständigung in Polen und Litauen ab? Wird flächendeckend englisch gesprochen?

    1. Wir fahren Straßenbereifung…. Ich mtn, Monika dunlop roadsmart 3, also nix echtes für weg von der Straße… 😉
      In Polen Deutsch (gizycko) und Englisch, ob Litauen und Lettland bisher überall super auf Englisch! Top…

  3. Ah, Danke! Ich fragte nach den Reifen nicht wegen Geländeausfahrten, sondern wegen der Kantenbildung. habe auch MTN drauf und kenne die noch nicht.

    Äh, nochwas: Wieso war die Antwort “Kanarienvögel”? Wegen “Bloss nicht von der Stange fallen?” 🙂

    1. Hast du dir etwa keine Zeit genommen, auch die Anmerkungen zum vorherigen Beitrag durchzulesen 😀
      “Bei Sicherheitstrainings wird gerne die lockere Haltung des Lenkers geübt. Die Trainer sagen dann, man solle sich vorstellen, Kanarienvögel vorsichtig in den Händen zu halten. Als wir gestern aus unserer Offroad Einlage wieder auf der Straße ankamen, meinte Monika ganz trocken: „Meine Kanarienvögel hatten keine Überlebenschance!“”

  4. Ich verfolge das hier auch mit großem Interesse.
    Polen kenne ich ja schon Stückweise und fand es natürlich vor allem auch an der Ostsee sehr schön.
    Aber Baltikum steht auch auf der Liste und merke, dass das auch sehr toll und spannend sein wird.

  5. Jule, warum schwirren in meinem Kopf eigentlich seit dem ersten (Hotelzimmer-) Foto Bilder rum? 😉 Ich sach nur Bremen…
    Ansonsten, nach wie vor toll!

  6. Ja,mir ging es in diesem Jahr ebenso.Die Fähre in Klaipeda auf die Nehrung zu finden,ist nicht ganz einfach.Was sagt Ihr denn so zu den Zimmerpreisen auf der Nehrung? Unter 100 Euro war da nix zu machen.Gefällt mir sehr gut,hier mitzulesen.Dankeschön.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert