Morgentrance
Wenn an einem Feiertag morgens um kurz nach 6 Uhr der Wecker klingelt, fragt man sich doch ob man das richtige Hobby hat?! Wie wäre es stattdessen mit extrem auf den Kamin starren, Murmeltiering oder stundenlang Couching?! Ich glaube für mein nächstes Leben ziehe ich das einmal in Betracht. 😉
Während die ersten WhatsApp-Nachrichten Temperaturen von 4 Grad voraussagen, schiebt sich langsam die orangene Sonnenscheibe über den Horizont. Ich drehe mich aber lieber im Bett noch einmal um. Aber als schon zehn Minuten später der Wecker wieder geht, weiß ich, jetzt musst du raus. Erst einmal Frühstück für mich und die Vierbeiner machen.
An Morgenden wie diesen begreife ich endlich eines der größten Rätsel der Menschheit – warum Socken mit rechts und links beschriftet worden sind. Dies hilft mir doch in meiner morgendlichen Trance enorm! 😉
Aber auch das Frühstück fällt kürzer aus als geplant. Statt meiner geliebten Nachrichten morgens habe ich die Wahl zwischen Pippi Langstrumpf und anderen Kindersendungen. Ich bleibe bei Pippi Langstrumpf und beende das Ganze früher als geplant.
Um 7:30 Uhr verlasse ich pünktlich die heimischen Hallen und die Garage, um die ersten Mitstreiter an einer Tankstelle einzusammeln. Immerhin haben wir schon 120 km Wegstrecke bis zum Treffpunkt anschließend. Wie gut, dass ich letztens meine Seidenhandschuhe wiedergefunden habe im Tankrucksack. Sie leisten mir auf der anschließenden Autobahnfahrt gute Dienste.
Fotosessions
Kurz nach der Auffahrt auf die A57 teste ich kurz die neue Fernbedienung meiner TomTom Bandit. Ein kurzer Blick auf das Display verrät mir, dass tatsächlich die ersten Fotos auf der Speicherkarte landen.
Eine Stunde später am ersten Treffpunkt im belgischen Eupen stellle ich schon mal fest, dass nach dem Anschalten einer Kamera auch zwingend wieder das Ausschalten folgen sollte, da man ansonsten knapp 400 Bilder von einer endlos langweiligen Autobahnetappe hat. 😉
Das Café füllt sich zunehmend mit immer mehr Motorradfahrern und so langsam wird klar, dass die Planung mit nur einem Tourguide etwas knapp bemessen war. Da ich die Route auch auf meinem TomTom habe, verpflichte ich Truder als Begleitung und setze mich bei der zweiten Gruppe an die Spitze.
Auf angenehm breiten Straßen gleiten wir auf der ersten größeren Tour des Jahres durch die belgischen Ardennen. Bewusst drossel ich das Tempo, da wir auch einen Mitfahrer mit neuem Motorrad und deren erster gemeinsamer Ausfahrt dabei haben.
Die Straßenverhältnisse sind typisch für die Ardennen. Mal glatt und schön, dann wieder unvermittelt eine Rüttelstrecke. Also immer schon locker in den Unterarmen! 🙂
Die Sonne kämpft sich fleißig durch die immere dünner werdende Wolkendecke, so dass wir außerhalb von waldigen Abschnitten schon die ersten wärmenden Sonnenstrahlen genießen können.
An einer Tankstelle überholen wir die erste Gruppe und so setze ich zuerst an einer großen Kreuzung den Blinker, um im gegenüberliegenden Café einen ersten Stop einzulegen. Kaum sind unsere Motoren verklungen, folgt Gruppe zwei unserer Idee und so können wir in großer gemeinsamer Runde die neue Langsamkeit genießen. Langsam werden die Bestellungen aufgenommen, langsam wird bedient und noch langsamer abgerechnet, so dass wir nach genau 578 Bildern der vor uns liegenden Kreuzung ( auf der erneut nicht ausgeschalteten Kamera) weiter Richtung La-Roche-en-Ardennes aufbrechen.
Mittagessen mit Hindernissen
Der ausgelasssen Tankstop wird umgehend von meiner Gruppe nachgeholt, ich dabei stoisch ignorierend, dass ich ja auch schon knapp 250 km auf dem Tacho habe. Dies fällt mir bei der Weiterfahrt umgehend auf. Ich verzichte angesichts der Gruppe hinter mir auf das Im-Erdboden-Versinken. Wäre ja auch blöd, wenn der Tourguide plötzlich unter sich selber verschwindet. 😉
Kurz vor der Mittagspause treffen wir auf die am Straßenrand stehende Gruppe von RedPunto. Ein Nagel hat sich in den Schlauchreifen des Tigerle gebohrt und hintert nun an der Weiterfahrt. Der französischen Sprachkenntnisse mächtig lassse ich mir erst von einer nette Dame den Weg zur nächsten Werkstatt für Reifen erklären, in der man mich wiederum in das ca. 10 km entfernte größere Örtchen schickt, da es dort eine Yamaha-Werkstatt mit Reifenservice gibt. Zurück bei der Gruppe erweist sich dies allerdings nicht als die sinnvolle Lösung, da schon 10 km zu weit mit dem luftleeren Schlauch sind.
Also wird das Tigerle geparkt und verkettet zurückgelassen, wären Olaf den unglücklichen Bernd auf dem Soziussitz Platz nehmen lässt. So erreichen wir dann gemeinsam nur 10 Minuten später den Marktplatz und damit auch die Pizzeria in La-Roche.
Traumhaftes Wetter lässt uns die Terrasse in Beschlag nehmen, kurz darauf kreist schon die erste Tube Sonnencreme. Die Wartezeit auf die Pizzen verkürzen wir mit Fotos aus allen möglichen Perspektiven und genießen die tolle Atmosphäre dort. Aus dem Augenwinkel erkennen wir eine Strassensperrung auf unsere Strecke, so dass wir auch direkt noch mal die Navis umprogrammieren.
Die nicht gefahrene Abkürzung
Gut gestärkt geht es am späten Mittag auf den Weg zurück Richtung Heimat – Endziel sollte die Bikerranch in Simmerath sein. Schommi auf der neuen BMW kämpft zuerst mit den immer schlechter werdenden Straßen und dann mit der Pizza, die meint sich wieder bemerkbar machen zu müssen. Sein Fast-Ausflug in die Botanik lässt uns noch mal eine längere Pause auf enem Parkplatz einlegen, bevor wir in neuer Reihenfolge weiter Richtung Deutschland fahren.
Ein spontan von mir eingebauter Schlenker lässt uns auf tollen kleinen Straßen noch mal Fahrt aufnehmen und mit Truder und mir gehen bei manchen Kurven doch die Pferde durch. 😉 Kurz hinter der deutschen Grenze bremse ich dann die Gruppe aus, da ich nun den vorher ausgelassenen Tankstop einsam nachholen muss. Die Gruppe nutzt die Pause zu Kartenstudium und Uhrzeit-Check, da sich die 17 Uhr bedrohlich näherten. Ich werde gefragt, ob es eine Abkürzung zur Biker-Ranch gibt. Sicher wird es die geben, aber die möchte ich nicht fahren. Das erste schöne Wetter des Jahres muss doch bis zur letzten Minute ausgekostet werden.
Es wird der Entschluß gefasst, auch die letzten Tourkilometer gemeinsam in Angriff zu nehmen und so rollen wir in voller Mannschaftsstärke um 18 Uhr auf den Parkplatz in Simmerath.
Nach einem wärmenden Kaffee zieht es dann aber alle Teilnehmer jeweils wieder in seine heimatliche Himmelsrichtung und wir versprechen uns, dass wir das ganz bald wiederholen müssen.
Anmerkungen:
Anmerkung 1:
Technik soll funktionieren und mich nicht irre machen. Das wusste die Technik aber anscheinend morgens nicht. Erst trennt sich die Fernbedienung der TomTom Bandit ständig vom Gerät, oder ich bin zu blöd, sie zu bedienen. Ich hoffe bei den beiden Varianten lieber auf das technische Problem. Dann wollten Truder und ich unsere Scala Rider koppeln. Truders Scala meldet Erfolg, meines mal lieber gar nichts. Dass Truder mich anfunken kann, ich ihn aber nicht, lässt diie Jungs darauf schließen, dass diese Funktion von einem Mann eingebaut wurde. Der Mann entscheidet, wann er sprechen möchte, nicht die Frau. Denn mein Scala verweigert beharrlich jegliche Reaktion auf mein Knöpfchen drücken. Wie PanTau klopfe ich auf meinen Helm, wenn er mich anfunken soll.
Versuch 234 ist aber erfolgreich und endlich kann ich Truder auch von meiner Seite aus anfunken. Ich bin happy – für einen nicht allzu langen Moment. Denn schon beim nächsten Stopp mittags beschließt das Scala wieder zu schweigen, diesmal allerdings auch bei Navi-Ansagen! Weder gutes Zureden noch das Studium der Kurzanleitung können die Stimme reanimieren, so dass ich die zweite Tageshälfte “auf Sicht” fahre.
Ich möchte doch nur, dass der ganze technische Kram funktionert. Mehr nicht! Ist das zuviel verlangt? Könnte das bitte mal jemand Cardo schreiben, da dies schon mein zweites Gerät mit dem Phänomen ist?
Anmerkung 2:
Wenn ich Tourguide bin, übernehme ich die Verantwortung für die Gruppe, ausnahmslos! Wenn beim letzten Tankstop einer mich entgeistert fragt, ob ich nicht auch todmüde sei und der andere sich nur noch auf sein Bett zu Hause freut, schrillen bei mir die Alarmglocken und ich fahre noch vorausschauender und vermeide jedes unnötige Experiment.
Wenn ich daher auf dem Weg zur Autobahn Richtung Heimat nicht einmal die im Schneckentempo fahrende ältere Dame überhole, hat das einen guten Grund. Denn ich muss den Platz nicht nur für mich, sondern auch für meine 3 Mitfahrer einrechnen. Wenn zwei davon müde sind, lohnen sich Experimente nicht.
Dies wird mir wenige 100 Meter vor der Autobahn eindrucksvoll bewiesen, als einer aus unserer Gruppe beschließt, erst die Gruppe und dann das Auto vor uns zu überholen. Nummer zwei zieht hinterher und ich bin froh, dass dann doch noch knapp 2 Meter Platz zwischen ihm und dem Gegenverkehr sind, als er das Auto vor uns ausbremsend wieder einschert.
Restlos bedient schaue ich den beiden hinterher, als sie die Autobahnauffahrt nehmend vergessen haben, dass wir mal als Gruppe unterwegs waren.
Der dritte im Bunde bleibt trotz knapp 100 PS die meiste Zeit auf der Autobahn dann in meiner Nähe, bevor er sich kurz vor dem Ziel wegen seines fast leeren Tanks dann doch auf und davon macht. Soll ich ihm verraten, dass Benzin pro Kilometer verbraucht wird und eher ruhiges Dahingleiten den Spritverbrauch und damit die Restreichweitre positiver beeinflusst als “Hahn aufdrehen”? Och nöö, wird er selber feststellen.
Anmerkung 3:
Es war ein toller Tag, aber die Regeln beim Gruppenfahren kläre ich beim nächsten Mal noch mal. Und auch das Thema Haftungsausschluss. Und auch, ob wir gemeinsam die Heimfahrt antreten oder nicht. Wobei ich das letzte irgendwie vorausgesetzt hatte…..
Sehr schöner Bericht! Angenehme (Selbst-)Ironie…
Herrlich geschrieben, manchmal ist es genau so!
Weiter so Julia!