Pyrenäen – Tag 1 – Einschwingen Richtung Süden

Ausgeschlafen

Guten Morgen aus Auggen! Die Nacht war besser als gedacht, auch wenn die Bettdecken für zwei vom Motorradfahren durchgefrorene Frauen etwas zu dünn waren. Da es erst um 8 Uhr Frühstück gibt, starten wir gemütlich in den Tag. Beim Blick aus dem Bett in das Zimmer fragen wir uns, wer dieses Chaos wieder beseitigen soll. Auch die Kleidungsfrage muss innerhalb der nächsten Stunde geklärt werden, vermutlich macht alleine temperaturtechnisch die Regenkombi Sinn. Wenn das Anziehen der Kombi nur nicht immer so mühsam ist.

 

Unter Wolldecken liegend betrachten wir das Chaos

 

Kurz vor 8 Uhr trocknen wir im Innenhof die Motorräder ab und beladen unsere zwei Hübschen schon einmal für die Weiterreise! Was die beiden sich wohl heute Nacht erzählt haben? Als wir den gedeckten Frühstückstisch sehen, befürchten wir, dass wir uns an das Buffet gesetzt haben! Wie sollen zwei Personen das alles essen? Aber es gibt Butterbrotbeutel, so dass wir uns sogar etwas für die Reise mitnehmen dürfen.

 

Was für ein Frühstück!

 

Da warten die beiden schon auf uns

 

Wir quatschen und könnten vermutlich ewig noch hier sitzen, aber ein paar Kilometer sind es ja noch bis zu unserem heutigen Ziel in Lons-le-Saunier. Wie durchqueren wieder die Schweiz, müssen also gleich daran denken, die mobilen Daten wieder auszuschalten.

 

Kultur und Chaos

Es ist kurz nach 9 Uhr, als wir in Auggen vom Parkplatz des Hotels rollen! Wir haben uns für halbe-halbe entschieden: die Regenhose wird eingepackt, die Regenjacke haben wir der Temperaturen wegen noch an. Irgendwie müssen die Wegpunkte im Navi komisch gesetzt worden sein, denn wir fahren in einem großen Bogen erst einmal vier Kilometer auf der Autobahn, um uns dann parallel zum Rhein über Homburg bis nach Kembs zu bewegen. Hier gibt es eine Burg! Hurra, das Thema “Kultur” ist für heute auch schon erledigt! Wir fahren durch jedes – wirklich jedes kleine Kaff, das auf dieser Strecke liegt! Aber ist nicht genau dieses mit ganz eigenem Charme behaftete Frankreich nicht schön!

 

Zum Start noch etwas trübes Wetter

 

Die Burg bei Hombourg

 

Blick auf den Rhein bei Niffer

 

Es geht unter Bahngleisen hindurch, und in den anschließenden Ortschaften kann man sich schon alleine bei der Straßenführung im Zentrum schwindelig fahren. Zu allem Überfluss malen fleißige Franzosen an einem Samstag die Drempel und Zebrastreifen neu – wieder ein paar Schlenker mehr nach links und rechts.

 

Bahnunterführung in Sierentz – mit Ampelsteuerung

 

Straßenmalerei

 

Zwangspause im Nieselregen

Vor Berentzwiller überquert in aller Seelenruhe ein Reh die Fahrbahn. Kommen da noch mehr? Angestrengt starre ich in den hohen Mais links und rechts der Straße. Aber dieses Reh hat wohl keine Freunde, alles bleibt ruhig! Irgendwo im Nirgendwo in einem kleinen Dorf findet TomTom wieder einmal eine hervorragende kürzere Strecke als auf der Hauptstraße entlang. Wir stoppen kurz vor dem schotterigen Feldweg, beschließen aber, das Risiko einzugehen. Tatsächlich – nach 150 m biegen wir schone wieder auf die Hauptstraße ab. Weiter geht es kreuz und quer durch das Elsass. Ich fahre mit etwas angezogener Handbremse, denn die Straßen sind feucht und der Herbst kommt! Das erste Laub rieselt auf die Straße vor uns und die entgegenkommenden Autos wirbeln die bunten Haufen wieder auf.

 

Der hohe Mais steht kurz vor der Ernte

 

Achtung – nasse Fahrbahn

 

Wir durchqueren das Örtchen Ferette mit seinem Schloss, welches 1105 das erste Mal namentlich erwähnt wurde. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass wir selbstverständlich keinen kulturellen Stopp eingelegt haben. Die wärmende Sonne lässt die Wälder links und rechts der Straße dampfen. Spontan halte ich an einem Parkplatz links der Straße an. Dies hat zwei Gründe: Zum einen haben ich vergessen, die mobilen Daten auszuschalten und wir sind wenige Kilometer vor der Schweizer Grenze und zum anderen habe ich schlichtweg den Abzweig kurz zuvor verpasst und wir müssen eh wenden.

 

Zwangspause am Picknickplatz – ich nutze die Zeit “mal eben”

 

Der direkte Weg nach Develier

Die kurze Pause hat uns ordentlich ausgekühlt und so rollen wir etwas steif vom Parkplatz. Wenige Kilometer später überqueren wir auf einer kleinen Nebenstraße die Grenze zur Schweiz! Egal, wie oft ich durch die fast blinden Scheiben des Zollhauses starre, da sitzt kein Zöllner. Also bleiben wir auch nicht stehen und schalten wieder einen Gang höher. Fantastischer Asphalt auf neuen Strassen wechselt sich mit bitumenflecken übersähten holprigen Abschnitten ab. So bleiben wir wenigstens wach.

 

Wir sind in der Schweiz!

 

Auf dem Weg nach Develier wird es noch einmal abenteuerlich! Wir hoppeln auf einem einspurigen Weg, dessen spärliche Ausweichmöglichkeiten mit Schotter ausgelegt sind. Aber viel schlimmer sind alle 300 m die sehr unangenehmen Stolperschwellen, die vermutlich zur Geschwindigkeitsreduktion gebaut worden sind. Warum sperrt man die Straße dann nicht einfach komplett für den Durchgangsverkehr?

 

Dies ist eine Durchgangsstraße!

 

War der Gorges schon immer da?

Wir fahren durch den wunderschönen Gorges du Pichoux, den ich gar nicht so wirklich auf dem Schirm hatte. War der immer schon da? Eine grün überwucherte Brücke leuchtet rechts in einem vereinzelten Sonnenstrahl. Magisch!  Mir ist nicht wirklich kalt, aber ich möchte bei dauerhaft unter 10 Grad die Regenjacke auch nicht missen! Da überrascht mich eine Rechtskurve! War die schon immer da?

 

Rechts in der Ferne die grün überwuchterte Brücke

 

Tolle Impressionen im Gorges du Pichoux

 

Die Abtei von Belleley auf der linken Seite überrascht mich auch und ist riesig! Ich schaffe es fast nicht, schnell genug die Kamera zu zücken. Wir fahren über den ersten Col des Tages, den Col du Mont Crosin. Zum Eingewöhnen ist er mit seinen 1227 Metern fast niedlich! Fast hätten wir die Passhöhe nicht gesehen! Ich überhole ein Auto und muss dabei an meine virtuelle Bekanntschaft Silencer denken. Er hat einmal über seine Barocca (baugleiche V-Strom 650 wie meine) geschrieben, dass diese beim Überholen und dem Zug am Gas erst einmal schnell sehr viel lauter wird und sich dann langsam bereit erklärt, auch schneller zu werden. Ja! Dies beschreibt das Gefühl perfekt!

 

Abtei von Belleley

 

Der Chasseral – kalt, windig, beeindruckend

Weiter geht es bis nach Tramelan, wo TomTom die vermutlich schönste Abkürzung Richtung Neuchatel findet. Ich traue mich fast nicht, in die gepflaster Straße links abzubiegen. Erinnerungen an eine fast-Sackgasse auf Sardinien kommen wieder hoch! Ein Wegweiser beweist aber, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Weiter geht es auf den Col de Chasseral und dann weiter auf den eigentlichen Berg – den Chasseral. Was für ein Unterschied in der Landschaft! Wir schrauben uns Kurve um Kurve erst durch den Wald und dann nach dem Abzweig über Almweiden immer weiter in die Höhe! Auf dem Parkplatz auf 1500 Metern Höhe wehen uns bei 5 Grad stramme Böen um die Ohren, so dass wir den Helm nicht einmal für ein Foto abziehen möchten. Hinter der Glasscheibe des Restaurants schmeckt der Kaffee in der Sonne gleich dreimal so gut!

 

Über Weidegitter rauf zum Chasseral

 

Schmale Sträßchen dort oben

 

Bilderbuchpanorama – vor allen Dingen im Vordergrund

 

Selfie im kalten Wind

 

Ausblick auf den Neuenburger See

 

Die Sonne tut gut

 

Mittagessen und Absinth

Wir haben Hunger, und bevor es weitergeht, genießen wir beim traumhaften Blick auf den Neuburger See unser mitgebrachtes Picknick. Kalt ist es, aber trocken!

 

Picknick in der Sonne

 

Ein letzter Blick auf den Chasseral und die Sendeanlage auf dem Berg

 

Nach ein paar Kilometer wird vor “Cavaliers” gewarnt, aber wer hat schon etwas gegen Kavaliere? Mit einem tollen Blick auf den Neuenburger See fahren wir immer weiter ins Tal und immer weiter in die Wärme. Leider müssen wir uns jetzt ein Stück durch die Stadt quälen. Wir fahren in einem kleinen Vorort durch eine 30er Zone und mein Navi behauptet kilometerlang, ich dürfte hier 100 km/h fahren! Ich würde abheben auf den tempoeinschränkenden Betondrempeln. Aber das schönste an Neuenburg sind die Temperaturen. Uns wird bei fast 19 Grad richtig warm unter der Regenjacke. Ausziehen? Nein, das ist uns noch zu riskant, immerhin klettern wir noch ein paar Meter die Berge rauf und wieder runter. Wir biegen ab ins Val de Travers, einem Teil der “Route de l’Absinth”.

 

Im Val de Travers

 

In Motiers biege ich kurz auf eine Nebenstraße ab. Wird hier eine neue Straße mitten in die Landschaft gebaut? Nein, hier werden die Schienen komplett erneuert und fehlen auf etlichen Kilometern. Wir bummeln hinter dem Schienenersatzverkehr und schwenken hinter Fleurier Richtung Vallon de Noirveaux.

 

Rechts sieht man den Schotter ohne Schienen, vorne den Bus

 

Wir können auch Fotostopp

In wilder Hatz geht es Richtung französischer Grenze, für mich eine der schönsten Strecken des heutigen Tages. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, denn schon kurz danach hoppeln wir von TomTom dirigiert wieder über eine Flickenstraße – in Feldwegbreite! Wie gut, dass man uns noch mal darauf hinweist, dass man hier nur 50 km/h fahren darf. Wir schaffen ja nicht mal die!

 

Felsentunnel auf dem Weg zur Grenze

 

Wieder eine unbewachte Grenze

 

Wir sind gut in der Zeit und gönnen uns auf französischer Seite noch einen Fotostopp an einer blauen Quelle “Source bleue” und ihrem Wasserfall “Cascade”. Jetzt haben wir heute nicht nur Kultur, sondern auch Natur und Sport. Wir sind die besten.

 

Auf dem Weg zur Source bleue

 

Die Quelle ist ja wirklich blau – und klein

 

Kleiner Wasserfall an der Quelle

 

Großer Wasserfall auf der anderen Straßenseiite

 

Wir versuchen auch noch zu verstehen, was wir sehen

 

Die beiden scheinen sich lieber einfach nur zu sonnen.

 

Am Strand des Lac du St. Point finden wir anschließend auch noch ein tolles Plätzchen für ein letztes Getränk des Tages – schön hier.

 

Pause am See

 

Sogar mit Enten

 

Hinter Malbuisson machen wir nach wenigen Kilometern schon den ersten Stopp. Die beiden Motorräder brauchen dringend Sprit und wir nutzen die weit und breit einzige Tankstelle. Über die wunderschöne D9 geht es anschließend nach Bonnevaux, bevor wir auf die D47 abbiegen. Ich möchte mich im Ort kurz orientieren und schaue auf die Karte. Ich bin zu schnell. Die verkehrskontrollierende Ampel springt auf rot. Ich schaue aber auf die Karte und ignoriere gekonnt das Stopplicht. Kann jedem passieren, nur meistens dem Dümmsten zuerst.

 

Kirche von Malbuisson

 

Stärkung für die beiden Damen

 

 

Endspurt nach Lons-le-Saunier

Wir haben endlich Sonne, aber ein strammer Wind weht kontinuierlich von der Seite! Wir umfahren auf kleinen Straßen Champagnole. Eigentlich wollte ich noch am Cirque de baumes rechts abbiegen und die Aussichtspunkte erkunden, aber der Ruf des Hotels ist doch stärker. Es ist also noch deutlich vor 18 Uhr, als wir auf den gesicherten Hotelparkplatz rollen und die beiden Damen in der Garage abstellen dürfen. Wir werden unter einem französischen Wortschwall begraben, aber der Sinn erschließt sich mir meistens noch! Ich glaube also, dass wir um 19 Uhr Pizza bekommen und morgen ein Frühstück bestellt haben. Wir werden sehen.

 

Auf der D107 in der schon recht tief stehenden Sonne

 

Schnurgerade Straßen mitten im Jura

 

Juhuu, wir haben wie typisch für Frankreich mal wieder ein Bett mit nur einer Matratze und einer Bettdecke! So sehr wir uns auch beim Motorradfahren verstehen, eine gemeinsame Bettdecke geht mal gar nicht! Aber genau aus dem Grund schleppen wir ja seit Rumänien unsere Hüttenschlafsäcke vorsichtshalber immer mit. Jetzt kommen sie wenigstens auch zum Einsatz!

 

Schönes Zimmer, wenn noch ein zweites Bett drin stünde

 

Pizza mit Aussicht auf den Bahnhof von Lons-le-Saunier

 

Wir lassen den Abend dann bei der bestellten Pizza ausklingen und gammeln dann noch ein wenig im Zimmer. Wir sagen den Bettwanzen gute Nacht und machen das Licht aus! Gute Nacht!

 

Anmerkungen des Tages:

Anmerkung 1:

Die Welt ist klein! Auf unserer ersten Etappe am Vormittag fahren wir an einem kleinen Café vorbei, in dem Monika vor zwei Jahren auf einer eigenen Tour schon einmal Pause gemacht hat. Es gibt ja nicht so viele Cafes in Frankreich.

Anmerkung 2:

Ich möchte im Vorbeifahren ein Haus fotografieren. Dabei muss ich die Kamera immer etwas mitziehen! Das geht als Michelin-Mädchen leider überhaupt gar nicht. Somit gibt es nur ein halbes Haus mit blauen Fensterläden.

 

Halbes Haus mangels Beweglichkeit

 

Anmerkung 3:

Beim Diktieren steht im Text immer anschließend “Bonn wo”. Dies muss ich alles händisch in Bonnevaux abändern.

 

Anmerkung 4:

Es hat lange gedauert, bis ich das Motiv entschlüsseln konnte. Es war ein Kameratext am Chasseral bei herunterhängendem Helm. Ich kann Kunst!

 

Der künstlerische Blickwinkel ist beachtenswert

 

Anmerkung 5:

“Cavaliers” kann “Kavaliere” bedeuten, in dem oben genannten Zusammenhang waren aber Reiter gemeint. Wir waren in der Nähe eines Reiterhofs.

 

Anmerkung 6:

Ich habe gestern vergessen, zwei Screenshots zu posten. Es war die richtige Entscheidung, schon einen Tag vorher über den Arlbergpass zu fahren.

 

Morgens hätte ich Winterausrüstung am Arlberg gebraucht.

 

Da waren die Straßen schon wieder geräumt

 

Die Route:

1_SA_Auggen_Lons_317  GPX

50 100 150 200 5 10 15 Entfernung (km) (m)
Keine Höhendaten
Name: Keine Daten
Entfernung: Keine Daten
Minimalhöhe: Keine Daten
Maximalhöhe: Keine Daten
Höhengewinn: Keine Daten
Höhenverlust: Keine Daten
Dauer: Keine Daten
 

Print Friendly, PDF & Email

6 comments on “Pyrenäen – Tag 1 – Einschwingen Richtung Süden

  1. Hi Julia, so ca. Mitte September kommt die Marquage (Fahrbahnmarkuerung) in Frankreich meist aus dem Urlaub zurück, sprich wird neu gemalt. Im Sommer finden sich an den Straßen vielfach Hinweise, dass die Marquage “absent” sei. Ich lach mich jedes mal kaputt bei den Schildern und Wünsche der Markierung einen schönen Urlaub.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert