Die Reise
Es geht los! Seit Wochen freue ich mich und jetzt sitze ich endlich im Auto nach Mecklenburg-Vorpommern. Das Kradblatt veranstaltete zusammen mit Endurofuntours Anfang Juli eine zweitägige Enduro Wanderung über Stock und Stein und Feld und Wiesen in Mecklenburg-Vorpommern. Und da ich mir und meiner Kondition nicht viel mehr zutraue, passt eine zweitägige Reise für mich als erster Versuch eines “Offroad-Erlebens” perfekt in meine Planung!
Was ziehe ich nur an?
Frauen wissen nie, was sie anziehen sollen. Dieses Vorurteil bestätige ich auch ich wieder einmal. Durch meine vorhergehenden Endurotrainings habe ich zwar eigentlich die gesamte Ausrüstung an Bord, aber es könnte ja regnen, kühler sein, besonders heiß werden oder alle anderen einfach was anderes mithaben.
Beim Blick auf den daraus resultierenden Klamottenhaufen stelle ich erstaunt fest, dass es doch viel platzsparender ist, die Motorradkleidung direkt anzuziehen, als sie auf Körbe und Taschen verteilt mitzuschleppen. Aber da muss ich jetzt durch!
Einzig beim Anblick meiner nigelnagelneuen Endurostiefel fällt mir wieder siedend heiß ein, dass ich ja im März neue gekauft hatte und die alten über eine der bekannten Plattformen einem neuen Eigentümer habe zukommen lassen. Wollte ich die neuen nicht mal auf kleineren Touren eintragen?!
MIST! Das gibt sicher Blasen!
Ankunft
Unser Basislager schlagen wir im Ferien- und Wellnesspark Texas in Kirch Jesar auf. Die Fahrt bis dorthin ist eigentlich ganz okay. Klar stehe ich im Stau, aber wer rechnet auch schon damit, an einem Freitagnachmittag spurlos an Hamburg vorbei zu kommen. Von daher kann ich mir nicht beschweren! Kaum angekommen, beziehe ich mein zweistöckiges Ferienappartement, welches nun für zwei Nächte meiner neue Heimat sein wird. Wirklich super großzügig, das passt perfekt!
Ich schmeiße mich schnell in die Badesachen und teste direkt einmal das Schwimmbad das Haus ist. Ist das erfrischend! Das habe ich jetzt nach über 6 Stunden Autofahrt gebraucht! Auf der Terasse vor meinem Appartment wärme ich mich im Sonnenschein und lasse ich vom Wind trocken pusten.
So langsam rollen auch die anderen Teilnehmer auf den Hof, zumindest die, die auch am Vorabend anreisen. Schnell kommen wir ins Gespräch, sitzen prompt bei einem ersten Bier gemütlich am Tisch und ratz fatz ist mit Abendessen und weitere Gesprächen auch schon fast Zubettgehzeit! Wo ist nur die Zeit geblieben!
Der recht stramme und kühle Wind lässt uns dann aber auch doch um 22 Uhr die Zelte auf der Hotelterrasse abbrechen und in unsere Kojen krabbeln.
Hosen voll
Es ist Samstag morgen, ein Blick auf die Uhr erzählt mir irgendetwas von 3:42 Uhr. Ich schiebe Panik! Da freut man sich seit Wochen auf diese Reise und kann nun mitten in der Nacht nicht mehr schlafen vor Aufregung, was einen erwartet und ob man das schafft! Vielleicht waren es die vielen Erzählung von den Erfahrungen, die alle anderen schon beim Enduro fahren haben. Vielleicht ist es Angst vor der eigenen Courage – ich weiß es nicht. Aber eins weiß ich – ausbremsen möchte ich keinen von ihnen!
Ist das eigentlich frauentypisch, statt zu schlafen sich lieber Sorgen zu machen, ob man das alles schafft? Ich habe keine Ahnung! Ich weiß nur, dass ich eigentlich dringend noch eine Mütze Schlaf bräuchte.
Direkt nach dem Frühstück lerne ich meine neue Freundin für die nächsten beiden Tage kennen. Ich habe nämlich nicht vor, mit meiner kleinen schwarzen DL 650 die zwei Tage im Gelände zu verbringen, daher habe ich dankend das Angebot von Jochen Ehlers – Chef von Endurofuntours – angenommen und nehme für die zwei Tage eine Leihmaschine in Anspruch. So strahlt mich also morgens also eine rote Beta Alp 4.0 aus ihrem Scheinwerfer an. Sagen wir mal so: Ich hoffe, wir werden Freundinnen.
Abfahrt
Nach ein paar Anweisungen unserer beiden Tourguides Rainer und Burkhardt geht es auch schon los. Ich habe mich noch nicht wirklich daran gewöhnt, in den Endurosachen wie ein Michelin-Männchen (oder sagt man dann “Michelin-Frauchen”) auszusehen. Aber ich sehe mich ja selber nicht!
Es ist auf den ersten Kilometern echt merkwürdig, wieder auf einer Enduromaschine zu sitzen. Irgendwie haben mich die über 40.000 km auf meiner V-Strom seit dem letzten Endurotraining doch sehr geprägt und zur Strassenfahrerin gemacht. Damit mir aber nicht langweilig wird und ich aufhöre, über sinnlose Dinge nachzudenken, biegen wir direkt mal von der Straße nach rechts auf einen sandigen Weg ab. Das beginnt ja prima! Verzweifelt kralle ich mich an die Lenkstange an dem Motorrad und höre auf zu atmen. Schlingern-paddelnd schaffen wir unsere erste Mini-Herausforderung und als der Sand etwas festgefahrener wird, schaltet sich mein Gehirn wieder dazu. Wie war das noch? Den Lenker immer locker in den Händen halten? Okay! In der Theorie habe ich das ja verstanden, aber wie verflucht noch mal soll ich jetzt meine Angst besiegen!
Erinnerungen an ein Endurotraining
Da ich aber in der etwas langsameren Gruppe unterwegs bin, bekomme ich auf den folgenden Kilometern dann doch die Gelegenheit, mich Stück für Stück wieder an das zu erinnern, was mir bei Stefans Endurotraining mal beigebracht worden ist. Wortfetzen wie “locker stehen”, “Schwerpunkt verlagern” und “enstpannt in den Rasten stehen” purzeln sinnlos durch mein Gehirn. Diese Erinnerungen reichen aber leider gerade mal bis zum ersten single track durch ein Stück Wald. An der ersten etwas kniffligen Passage (aus meiner Sicht knifflig) ergreift erst mich die Panik und anschließend ich schwungvoll die Vorderradbremse. Während ich nun also schlußfolgernd im weichen Waldboden liege und die Beta von oben betrachtet, tauchen weitere Bruchstücke aus meinem Endurotraining wieder auf. Ich glaube die Lektion “wie eine Irre in die Vorderradbremse langen” stand dabei nicht auf dem Programm.
Meine ritterlichen Mitfahrer richten erst mich und dann das Motorrad wieder auf. Staub abwischen, Krönchen richten, weiter geht’s! Mit “weiter” meine ich in diesem Fall eine sandige Linkskurve, in der ich die Beta zur Abwechslung mal auf die rechte Seite werfe. Ich bin bedient! Und ich glaube ebenfalls, dass dies auch auf die hinter mir fahrenden zutrifft, denn sie müssen immer absteigen und mir wieder aufs Moped helfen!
Entgegen weitläufiger Meinungen bin ich aber lernfähig, so dass ich den Rest des Waldes und der kommenden Passagen nun doch auf den beiden Rädern verbringen.
Pause
Wir haben uns eine Pause verdient und finden in Warlitz ein schattiges Plätzchen an der Kirche, um den ersten Schweiß trocken zu lassen. Asphalt unter den Füßen, das brauche ich jetzt auch.
Weiter geht es über Straßen, Wege und Sträßchen, die mich zufrieden grinsen lassen. Damit komme ich zurecht, das kann auch die V-Strom.
Bodenprobe
Meine Euphorie hält auch noch an, als wir wieder in den Sand abbiegen und ich mit etwas zu niedriger Geschwindigkeit fröhlich durch den Sand schlingere. Ich werde damit keinen künstlerischen Preis gewinnen, aber ich bleibe oben! Da sehe ich meine Jungs nach rechts abbiegen. Also werde ich langsamer. Das ist bei Sand übrigens eine ganz schlechte Idee, was mir schlagartig bewusst wird, als sich das Vorderrad querstellt und ich bäuchlings in den Sand und auf das Motorrad falle.
Hat ja gar nicht weh getan! Sand ist ja weich! Dass ich allerdings bei meinem Bauchplatscher mit dem rechten Bein an den heißen Krümmer gekommen bin, realisiere ich erst bei dem köstlichen Duft von gegrilltem Fleisch! Okay, ganz so schlimm war es dann nicht, aber eine ordentliche Brandblase am Oberschenkel habe ich mir dann doch zugezogen.
Unser tapferer Tourguide Rainer beschließt, dass ich Zeit benötige, die erneut genommenen Bodenproben zu analysieren und gönnt uns allen eine verdiente Pause.
Aber auch idyllisch…
So, der Vormittag ist noch nicht ganz vorbei und ich habe sowohl die Frauenquote wie auch die Sturzquote inne. Zumindest auf die zweitere hätte ich definitiv verzichten können.
Aber meine Mitfahrer hören nicht auf zu beteuern, dass ich das ganz toll mache und mich wirklich tapfer schlage! Ich versuche ihn zu glauben und mich nicht entmutigen zu lassen! Immerhin ist das letzte Endurotraining schon fast drei zwei Jahre her und so richtig in der Praxis mal einen ganzen Tag anwenden konnte ich es auch nicht.
Läuft bei mir
Auf dem Weg zur Mittagspause merke ich aber tatsächlich, wie ich mich zunehmend besser auf dem Motorrad fühle. Habe ich morgens noch steif und fest behauptet, dass “nur mit der Kupplung arbeiten” auf diesem Motorrad gar nicht funktioniert, so habe ich mich so langsam an die Beta gewöhnt und fange tatsächlich an, auch mal mit dem Schleifpunkt zu arbeiten.
Hey! Enduro fahren ist ja gar nicht so schlimm! 😉
Bei der Mittagspause bietet sich mir die Chance, der körperlichen Müdigkeit nachzugeben und mit Michael zurück ins Hotel zu fahren! Aber nix da! Jetzt fängt es gerade an, mir etwas leichter zu fallen!
Also klemme ich mich wieder in meine Gruppe und weiter geht es über geschotterte Straßen, Wald und Feldwege! Und siehe da, die Sache fängt an mir richtig Spaß zu machen! So langsam habe ich es wieder raus, wie man den Lenker entlastet und kann dieses auch minutenweise anwenden.
Womit wir alle kämpfen sind die Tonnen an Sand und Staub, die in der Luft liegen, wenn der Vordermann sie aufwirbelt! Es hat seit Wochen, wenn nicht sogar seit Monaten in dieser Gegend nicht geregnet. Dementsprechend halten wir teilweise riesige Abstände, um überhaupt etwas sehen zu können. Wir sehen aus wie die Schornsteinfeger, wenn wir die wohlverdienten Pause machen!
Spielplatz
Aus dem Augenwinkel erkenne ich, dass wir durch Zarrentin fahren! Sag mal, war ich da nicht noch vor 6 Wochen mit Monika unterwegs auf unserer Deutschlandreise?! Wie verändert Straßen und Landschaft aussehen, wenn man statt mit einer Straßenmaschine und Kilometervorgabe sich mit einer Enduro über kleinste Wege den Orten nähert.
So langsam werde ich müde. Daher passt es perfekt, dass wir wieder an einem der “Spielplätze” anhalten, wo sich meine Mitstreiter noch etwas austoben können und ich meine Kräfte auf das Fotografieren konzentriere.
Fazit Tag 1
Auf verschlungenen Pfaden nähern wir uns dem Hotel. So langsam neigt sich der erste Tag dem Ende zu. Zeit, ein erstes Fazit zu ziehen.
1) Geil!
2) Die Brandwunde tut weh!
3) Geil!
4) Meine Hände bekommen Schwielen!
5) Geil!
6) Ich bin müde, ich habe Hunger, ist es noch weit?
7) Geil!
Den Gang ins Schwimmbad habe ich mir mehr als verdient. Mein Körper dankt mir die Abkühlung und das Gefühl der Schwerelosigkeit. Ob es den anderen genau so geht?
Bei einem zünftigen Grillabend lassen wir den Tag Revue passieren, stärken uns und über die ein oder andere Hopfenkaltschale senkt sich die Nacht über Kirch Jesar.
Morgen geht’s weiter!
Anmerkung des Tages
Anmerkung 1:
Beim Bild von meinem Sturz im Sand frage ich mich, wo der aus meiner Erinnerung gefühlt 10 cm tiefe Sand geblieben ist. Der wurde doch im Foto weg retouchiert. So wenig Sand kann das gar nicht gewesen sein! 😉
Anmerkung 2:
In meinem Artikel wie real ist virtuell habe ich mir vorgenommen, viele virtuelle Bekanntschaften in echte Begegnung wandeln zu wollen. Daher freue ich mich riesig, hier in Kirch Jesar endlich Ernie Troelf vom Handwaschpaste-Blog kennengelernt zu haben!
Aber wir sahen alle so aus, hier ein Beweis:
Anmerkung 3:
Meine ritterlichen Begleiter haben es sich nicht nehmen lassen, mir zur Aufmunterung zu beweisen, dass der ein oder andere unfreiwillige Abstieg beim Endurofahren einfach dazu gehört. Hat mich das erste Geständnis eines Sturzes noch zu einer spontanen Umarmung hinreissen lassen, begreife ich mehr und mehr, dass man wirklich mal stürzen darf. Gut, wenn dabei nichts passiert!
Anmerkung 4:
Wer sich fragt, warum ich erst nach knapp zwei Wochen diesen Bericht schreibe?!
Eine Woche konnte ich mich nicht bewegen, eine Woche musste ich mich erholen! 😉
Anmerkung 5:
Teil 2 lässt hoffentlich nicht so lange auf sich warten! 😉
Update: Teil 2 ist fertig: Klick mich!
Dieses “Hose voll” ist kein reines Frauending, kann ich dir sagen. 😉
Moin moin….
Ja es war ein schönes Wochenende mit vielen netten Leuten. Für mich war es das erste Mal das ich so eine “Wandertour” mitgemacht habe , aber bestimmt nicht die letzte.
Wie komm ich denn mal an die Bilder der netten Ausfahrt ?
LG Jens (Der Kicker)
Das Michelin-Männchen hat den Namen “Bibentum”. Leute die in Latein aufgepasst haben können das bestimmt korrekt gendern.
Staubig, hitzig, heiss und fun.
Das kenn ich von Endurofuntours 😉
Ein herrlicher Bericht, Danke Dir!!!
Tapfer, tapfer, tapfer. Als sehr-selten-im-Dreck-Fahrer und lieber-auf-der-Straße-Fahrer fühle ich mit dir.
Waaaaa, ich hab schin drauf gewartet, als ich den Bericht vom Trölfchen gelesen habe danke für diesen wundervoll beschriebenen Bericht, ich bin voll und ganz bei Dir, mir wurd es dann wohl in ein zwei Jahren genauso gehen, ich möchte so ne Tour nämlich unbedingt auch mal machen. Freue mich auf deinen Tag 2
Schön geschrieben, als wär man dabei gewesen. Ich hab ja immer gedacht, der Sand hasst mich, aber er scheint generell alle Moppedfahrer zu hassen.
Hey Julia, sehr guter Bericht von dir. Trotzallem, DU hast dich tapfer durchgekämpft und in echt die Trainingsansätze sprichwörtlich „erfahren“. Es hat mir Freude gemacht, dich in meiner Gruppe zu haben. Dein Tourguide Rainer
Respekt!!! Fürs Durchhalten und schreiben, dass einem schon beim lesen ganz heisskalt wird.
1. geil, 2. ich lese morgen Teil 2, sonst isses so schnell rum, 3. geil!!!
sonnige Grüße
Suse
Sehr schöner Bericht!
Weckt Erinnerungen an meine ersten Versuche in MV das “im Sand fahren” zu erlernen.
Weckt ebenfalls Erinnerungen an die letzte Tour mit Rainer und EndurofunTours im vergangenen Mai, bei Staub und Heuschnupfen 🙂
Pass auf, der Sand lässt einen nicht mehr los…