Gemäßigtes Mittelmeer
Der Abend gestern ist unspektakulär verlaufen. Wir haben in einer gemütlichen Ecke auf dem Schiff unser kleines Abendpicknick zu uns genommen und haben uns unterhalten. Ja, da ich bereits gebloggt hatte, mussten wir uns wirklich unterhalten, also so richtig miteinander sprechen! Das kommt nicht so oft vor! 😉
Wir sind dann auch schon recht früh in unseren Betten verschwunden. Als das Schiff abgelegt hat, hatte ich das Gefühl, wir schlafen auf der Ankerkette! Minutenlang schepperten Kettenglieder über anderes Metall, aber irgendwann war dann Ruhe und friedlich schaukelnd sind wir Richtung Mittelmeer gefahren. Nachts muss es ein Gewitter gegeben haben – glaube ich zumindest. Der Wellengang war eine zeitlang merkbar stärker und ich meine, auch Regen gehört zu haben. Aber im Vergleich zu unserer England-Überfahrt letztes Jahr war das heute Nacht ja alles Ponyhof! Monika ist nicht mal schlecht geworden.
Ankunft in Bari
Mit ungefähr einer Stunde Verspätung legen wir im Hafen von Bari an uns können kurz danach mit den Motorrädern von der Fähre fahren. Warum alle Autofahrer lange vor dem Losfahren schon die Motoren laufen lassen müssen, wird sich mir in diesem Leben nicht mehr erschließen. Die Abfertigung geht erstaunlich unkompliziert. Nachdem wir uns erst ein paar Minuten in der Schlange anstellen mussten, wurden wir dann von einem freundlichen Hafenmitarbeiter bis ganz vor die Zollkontrolle gewunken. Obwohl wir aus einem Nicht-EU-Staat einreisen wollten, reichte schon das Winken mit dem Pass eines EU-Staates, der Grenzbeamte hat nicht mal mehr einen Blick reingeworfen.
Jetzt erst mal raus aus der Stadt
Vom Hafengelände runter und Richtung Norden aus Bari raus geht es ganz unkompliziert ohne stressigem Berufsverkehr. Erst ein paar Meter machen auf der autobahnähnlichen SS16, dann runter auf die alte Straße 16 an der Adria entlang. Die Route ist eher gemütlich durch die Orte und auch die vielen Geschwindigkeitsbeschränkungen lassen uns die ersten Kilometer etwas bummeln.
Erster Kaffeestopp am Meer
Ein paar Kilometer weiter in Molfetta finde ich ein kleines Straßencafé. Wir sind schon 25 Kilometer gefahren – Zeit für eine Pause. 😉
Wir machen unsere obligatorischen Fotos und sitzen dann wirklich nett im Café und möchten eine Kleinigkeit frühstücken. Willkommen in Italien! Ich habe schon lange nicht mehr so unfreundliche Kellnerinnen erlebt, die sich weigern, auch nur ein Wort Englisch zu verstehen. An der Stelle muss ich wirklich sagen, dass jeder Albaner sich herzlicher bemüht hat, mit uns in Kontakt zu treten. Nachdem man sich dazu herabgelassen hat uns zu bedienen, können wir dann doch einen leckeren Latte Macchiato und Croissants essen. Mehr hält uns hier aber auch nicht und wir machen uns weiter an der Küstenstraße entlang.
Doch wieder auf die SS16
In der Ortsmitte von Molfetta ist eine große Baustelle und der Verkehr wird wechselseitig dran vorbeigeführt. Dies kostet uns die erste Viertelstunde. In Bisceglie geht es dann ähnlich zäh voran, so dass wir uns überlegen, noch vor Trani wieder auf die hässliche SS16 abzubiegen. Erst hatte ich überlegt, tatsächlich bis Foggia auf der SS16 zu bleiben. Aber wieder einmal “Willkommen in Italien”! Die Autofahrer sind aggressiv und drängeln, was das Zeug hält! Das macht auch nicht wirklich Spaß und daher biege ich dann doch bei Casa Simeone wieder auf kleinere Straßen ab.
Auf der folgenden Landstraße gilt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h. Ich fahre schon 70 km/h und sehe von hinten einen großen LKW sich schnell nähern! Als Monika und ich dann so knapp 90 km/h fahren, kommt er zumindest nicht mehr näher! Wir wären aber auch mit Abstand die einzigen, die sich hier auch nur annähernd an die Beschränkung halten würden.
Trinitapoli – immer geradeaus
In Trinitapoli halte ich kurz am Straßenrand und möchte die Straßenkarte drehen. Da reißt doch tatsächlich das Kartenfach meines SW Motech-Tankrucksacks. Nach nur 130.000 km in 10 Jahren und unendlicher UV-Bestrahlung gibt das Plastik schon nach. Es wird auch nichts mehr in Qualität produziert! 😉
Als wir wieder losfahren, lässt uns ein wirklich sehr netter Italiener die Vorfahrt. Dies ist eine erwähnenswerte Ausnahme. Es ist Punkt 12 und die Kirchenglocke im Ort bimmelt um ihr Leben, was sich aber eher wie Feueralarm anhört! Oder wie Blechkochtöpfe!
Wir fahren auf einer laut Karte kleinen gelben Straße, die schnurgerade in die Landschaft gemalt wurde. Auch hier wäre eigentlich 50 km/h, aber dazu muss ich wohl nichts mehr sagen. Wir fahren durch Weinstöcke und Olivenhaine, durch Olivenhaine und Weinstöcke! Kilometer um Kilometer geht es immer geradeaus im stetig auffrischenden Wind.
Vom Winde verweht
So langsam hat der Wind eine Stärke wie der beste Nordseesturm erreicht. In Schräglage liegend fahren Monika und ich allerdings gerade aus und kämpfen uns hinter jedem Haus wieder in die richtige Position, um dem Wind etwas entgegensetzen zu können. So langsam wird er lästig und es wird wirklich anstrengend!
Nach ungefähr 50 km in dieser endlosen Eintönigkeit fahren wir wieder auf die SS16, um im großen Bogen Foggia zu umrunden! Eine riesige Rauchwolke steht am Horizont. Brennt es dort oder ist das ein gezieltes Brandroden, das bei dem Starkwind außer Kontrolle geraten ist? Wenn man sich die per Feuer freigebrannten Straßenränder anguckt, kann man sich teilweise erklären, wo die vielen Waldbrände herkommen!
Wir folgen nun der SS17 und kämpfen rund um Lucera verzweifelt gegen den Wind an. Ich spreche Schimpfwörter in meinen Helm, die ich jetzt hier nicht wiederholen möchte. Irgendwelche Schilder weisen auf ein LKW-Verbot auf der SS17 wegen Bauarbeiten an einer Galerie hin. Mehr verstehe ich von dem italienischen Aufsatz in schwarzen Buchstaben auf orangefarbenem Hintergrund aber nicht. Kurz vor Volturino verstehe ich das Schild dann plötzlich. Wegen Bauarbeiten ist die direkte Strecke gesperrt und wir müssen sie über eine kleine kurvige Straße via Motta Montecorvino großräumig umfahren. Wenn dieser Wind nicht wäre, könnte ich mich vielleicht daran erinnern, wie man Kurven fahren würde. So aber werden die Kehren im ersten Moment eher zum Kampf.
Picknick in stürmischen Zeiten
Wir sind fast 130 Kilometer seit dem letzten Stopp gefahren und als auf der linken Seite kurz vor Motta ein kleines Monument auftaucht, setze ich auch den Blinker nach links! Ich muss runter von dem Bock, ich brauche etwas zu trinken, ich brauche etwas zu essen!
Auch Monika ist total platt und ebenso froh, dass ich mich hier für eine Pause entschieden habe! Wir essen unser letztes albanisches Brot mit Salami und stärken uns mit Traubenzucker und Keksen. Wenn wir nicht dicht zusammengerückt unser gesamtes Essen festgehalten hätten, wäre die Salami jetzt schon wieder auf dem Weg nach Bari!
Wunderschönes Apulien
Wir fahren die wenigen Meter durch Motta hindurch und fahren auf der anderen Seite durch eine vollkommen andere Landschaft. Die Gegend rund um den Monte della daunia ist wunderschön waldig, grün, hügelig und auf jeder einzelnen Erhebung kauert in gelb-orange eine Ortschaft. Die Straße ist in einem fantastischen Zustand und wir haben so langsam das Gefühl, wieder Motorradfahren zu können.
Rennstrecke SS17
Wir kommen von der Umleitung wieder zurück auf auf die SS17, die zur S645 wird und der wir nun Richtung Campobasso folgen! Was ist das für eine gut präparierte Rennstrecke mit wenig Verkehr!? Ich erwähne natürlich nicht exra, dass sich hier mal wieder niemand an die Geschwindigkeitsbegrenzung hält. Wenn uns jemand erwischen sollte, wären unsere Motorräder garantiert auf der Stelle eingezogen! Wir müssen nicht immer mehr die Kreditkarte rausholen.
Wenn wir nicht auf die Straße schauen, genießen wir die Ausblicke links und rechts in die Hügel Apuliens. Auch auf meiner Straßenkarte sehe ich in alle Richtungen wunderschöne kleine Straßen. Wenn ich ein Italien-Fan wäre, wäre dies – glaube ich – das Ziel für meinen nächsten Motorradurlaub!
Endspurt
Wir kommen zügig voran, aber die Strecke ist ab Compobasso auch wirklich nicht mehr sehr spannend! Wir halten uns auf der Bundesstraße und gehen kurz vor Parduli noch mal unsere treuen Rösser volltanken! In Castellpedroso biegen wir dann ein letztes Mal ab und beziehen im Hotel Fonte del’Astore unser heutiges Nachtlager!
Unser erstes Zimmer ist ein großes Zimmer mit Doppelbett, aber mit nur einer Bettdecke. Ja, wir mögen uns immer noch sehr! Dennoch beschließen wir nach einem Zimmer mit zwei Betten oder zumindest zwei Bettdecken zu fragen! Das andere ist uns dann doch zu nah. Nachdem der Umzug erledigt ist, setzen wir uns mit Latte Macchiato und Wasser in den hoteleigenen Garten und genießen den Schatten und die Ruhe!
Wir essen im Hotel noch zu Abend, dies ist aber keinen eigenen Absatz im Blog wert. Wir sind froh, irgendwann in den Betten zu liegen. Morgen wollen wir früh starten.
Gute Nacht allerseits!
Anmerkungen des Tages:
Anmerkung 1:
Monika ist während der Fährüberfahrt nicht einmal schlecht geworden. Entweder hat sie es gut vertragen oder es lag an der wilden Mischung aus Zintona-Ingwertabletten, echten Reisetabletten und Reisekaugummis. Egal – Hauptsache, es hat geholfen.
Anmerkung 2:
Heute haben wir recht wenig Handybilder gemacht, dafür aber 1373 Fahrbilder. Leider hat sich meine Kamera kurz nach der Ausfahrt aus Bari nicht mehr ausgestellt und alle 5 Sekunden brav fotografiert. Wer also 321 Bilder der Terrasse des Cafés in Molfetta möchte oder 72 Bilder meiner Sitzbank, der möge sich bitte melden. Aber immerhin ist so dieser Mann aufs Bild gekommen, der uns in fließendem Deutsch nach unserere Reise befragt hat.
Anmerkung 3:
Nördlich von Foggia steht dieses Ufo auf Stelzen, oder ein Wasserturm, oder ein Kunstwerk. Weiß einer von euch, was das ist?
Die Route:
Hut ab Mädels..
Hatte dieses Jahr auch die Möglichkeit mit meiner Frau runter in die Peloponnes über Land zu fahren, sind jedoch über Kalabrien wieder nach Hause.
Eine schöne Strecke.
Viel Spaß euch beiden noch.
Laut Rezensionen von Google Maps ist das ein piezometrischen Turm der für den Druckausgleich in der Wasserleitung zuständig ist: https://maps.app.goo.gl/G56nzz5G22NDtKgL7
Danke für das nachschauen….