Pyrenäen – Tag 0 – Eine eiskalte Anreise

Es ist alles anders

Ich leide seit einem knappen Jahr grundsätzlich an Schlaflosigkeit. Es wundert also nicht, dass die erste Nacht der Reise in einem fremden Bett auch entsprechend unruhig war. Ich fühle mich aber trotzdem gut und genieße die Zeit unter der warmen Bettdecke. Ich muss lachen, als ich mein schlafunterstützendes Lavendelsäckchen wieder in die geruchsdichte Hülle packe. Ich möchte zwar auch nicht, dass die gesamte Wäsche nach Lavendel riecht, aber so schlimm wie die Beschriftung es vermuten lässt, ist es dann auch nicht.

 

Die geruchsdichte Hülle ist ein Überrest einer Packung Covid-19-Tests

 

War gestern schon die Anreise komisch, da ich meine erste Reisenacht nicht mit Monika im Zimmer verbringe, so ist auch heute morgen alles anders! Ich habe ja gestern schon ein Drittel meiner eigentlich geplanten ersten Etappe hinter mich gebracht und muss heute nur noch gemütliche 250 km durch den Regen rollen! Also gehe ich in Zivilkleidung in aller Ruhe zum Frühstück und werde die Tasche erst danach packen! Wann hat es das eigentlich das letzte Mal gegeben?

 

Späte Abfahrt

Geht es sonst immer darum, ab wann man frühstücken kann, frage ich mich heute, bis wann es wohl geht. Ich lasse mir Zeit und es ist weit nach 9 Uhr, als ich in Rankweil wieder von Parkplatz rolle. Das Regenradar hatte recht und ich kann noch trocken die kleine Schwarze beladen, bevor es dann bei einsetzendem Regen erst einmal wieder ein paar Kilometer Richtung Süden geht.

 

Ausblick in den schönen – aber nassen Garten

 

Irgendwie ist heute morgen alles recht wackelig und mein treues Ross folgt jeder Kante in der Straße wie auf Schienen. Am der nächsten Tankstelle wird also erst mal Luft geprüft – und dann nachgefüllt. Die fast 1000 Höhenmeter Unterschied zu daheim machen sich doch beim Reifendruck so bemerkbar.

Weiter geht es bis nach Schaanwald und kurz danach biege ich auch schon rechts Richtung Wildhaus in der Schweiz ab. Meine mobilen Daten am Handy habe ich vorsorglich schon ausgeschaltet, sonst ist die Urlaubskasse schon am ersten Tag leer.

Hoppla! Erst jetzt bemerke ich, dass sich da klammheimlich für ein paar Kilometer noch Liechtenstein in meinen Weg geworfen hat. Aber bis ich das bemerkt habe, bin ich vor Haag auch schon wieder rausgefahren.

 

Ich überquere den Rhein

 

Die Baustellenampeln haben immer nur wenige Sekunden aufgehalten – sehr gut!

Warum eigentlich ein weiterer Pass?

Warm eingemummelt schraube ich mich in gemütlichem Tempo den Berg hinauf. Bei 1,5 Grad und Schneetreiben schicke ich am Ortseingang von Wildhaus in Gedanken einen Gruß in Richtung meiner Eltern. Immerhin haben wir hier mal einen erinnerungswürdigen Urlaub mit einer französischen Austauschschülerin verbracht. Ich frage mich zwar, warum ich unbedingt noch den Wildhauspass mit seinen knapp 1100 Metern unter die Räder nehmen musste, aber immerhin liegt die Schneefallgrenze noch ein Stückchen höher als ich es bin.

 

Man sieht die Schneefallgrenze in Wildhaus

 

Ich bin trotz des Wetters und der Temperaturen echt gut gelaunt, nur mein Pinlock-Visier ist mehrfach kurz davor, an irgendeinem Mülleimer auf Schweizer Staatsgrund zu bleiben. Habe ich es bei fünf Helmen und vermutlich fast 200.000 km immer geschafft, ein Pinlock dicht zu bekommen, streite ich mich bei diesem Schuberth C3 pro-Helm ab der ersten Minute und ab dem ersten Visier mit dem Mist herum. Es ist unten einfach immer undicht und so zieht mein Atem visierbeschlagend so langsam von unten nach oben in mein Sichtfeld. Da sich der sichteintrübende Film ja jetzt zwischen den beiden Scheiben (also dem Visier und dem dahinter reingeklemmten Pinlock) befindet, ist er auch hartnäckig weder wegzuwischen, noch trocknet er in irgendeiner Weise schnell wieder ab. Ich überlege noch ein wenig weiter, aber vielleicht reise ich ab morgen ohne Pinlock weiter. Nerviger Scheiß…..

 

Kaffeepause

Ich sehe Licht am Ende des Tunnels bzw am Himmel. Die dunklen Wolken lichten sich und auch der Regen wird weniger und wärmer. In Wattwil finde ich irgendwie bei trockener Straße eine Zeit-Raum-Schleuse und mache innerhalb von 2 Kilometer fast 40 Minuten auf die geschätzte Ankunftszeit im Hotel gut. Diese Abkürzung muss ich mir merken.

 

Der Himmel wird heller

 

In Lütisburg finde ich einen kleinen Supermarkt mit angeschlossener Konditiorei. Hunger habe ich keinen, aber der Vanilleplunder zwinkert mir so nett zu, den muss ich einfach nehmen. Hauptsache Kartenzahlung geht, da ich natürlich nicht einen einzigen Franken bar dabei habe. Kurz zeigt sich sogar die Sonne und motiviert mich, gleich weiter Richtung Norden und unserem heutigen Treffpunkt zu fahren.

 

Kaffeepause in Lütisburg

TomTom kurvenreich

Weiter geht es auf der B16 Richtung Wil. Ein Hinweisschild besagt, dass diese Straße ab hier ohne Vignette zu befahren ist. Hätte ich vorher etwa eine gebraucht? Das tut mir leid. Die Sonne kommt raus und mir wird es auf der Bundesstraße zu langweilig. Schnell schmeiße ich die geplante Schlechtwetterroute aus dem Navi raus und lasse TomTom kurvenreich das heutige Tagesziel berechnen! So gefällt mir das! Direkt an der nächsten Kreuzung geht es rechts, und auf kleinsten Sträßchen schlängele ich mich zwischen Winterthur und Frauenfeld Richtung deutsche Grenze.

 

Auf der langweiligen B16 vor Wil

 

Es ist herrlich zu fahren, auch wenn ich bei den Temperaturen keine Schicht weniger anhaben möchte. Zwei Graureiher befreien die Wiese rechts von mir von allerlei Kleingetier und ich bin wieder einmal begeistert, wie einfach und wunderschön es doch manchmal mit dem Navi sein kann!

 

Die Sonne scheint und ich muss weiter Richtung blauer Himmel

 

Li-Land

Auf den letzten Metern in der Schweiz genieße ich noch einmal die verniedlichenden Bezeichnungen in der Schweiz. Dort gibt es ein Kipfeli, rechts sieht man ein Hügeli und auch sonst versucht der Schweizer die Endsilbe “-li” an jedes nur erdenkliche Wort anzuhängen. Hoppala… Während ich meinen Gedanken nachhänge, bin ich irgendwo bei Hohentengen über einen winzigen Grenzübergang ohne Beamte hinüber nach Deutschland gerollt. Immer parallel zur Grenze geht es auf kleinen Straßen Richtung Schwarzwald.

 

Wieder geht es über den Rhein

 

Da hinten am Horizont, da ist die Grenze

 

Baustelle

Endlich! Da ist sie! Die lang ersehnte Baustelle mit Umleitung! Ich darf mich aber wirklich nicht beschweren, bis hierhin lief es fantastisch. Da ist trocken ist, steige ich kurz vom Motorrad und vertrete mir die Beine. Mit einer netten Dame vom Straßenbauamt komme ich gleich ins Gespräch, breche dieses aber bei einem einsetzenden Schauer dann doch recht schnell wieder ab. Nicht schon wieder nass werden! Mir ist nach Kaffee! Ob es wohl in Görwihl einen gibt?

 

Baustelle und kein Weiterkommen vor Rotzingen

 

TomTom beschließt aber quasi ohne mein Wissen vorher Richtung Todtmoos abzubiegen. Na gut, dann halt dorthin. Dort wird es mit Sicherheit ein geöffnetes Café geben!

 

Immer mal wieder drohen Regenwolken

 

Kaffee und ein DAM

Am Ortseingang von Todtmoos strahlt mich auf der rechten Seite die Konditorei Bockstaller an, also setze ich schnell den Blinker! Ein Getränk und ein Basler Käseküchlein später erweist sich dieser idyllische Platz als ein Volltreffer! Eigentlich müsste man sich nun noch mal quer durch die Tortentheke futtern. Ewig mag ich dennoch nicht verweilen und starte nach einem netten Gespräch auf dem Parkplatz zum Endspurt nach Auggen.

 

Konditorei Bockstaller in Todtmoos

 

Zauberhaftes Häuschen neben der Konditorei

 

Starten? Starten? Nichts, aber auch gar nichts tut sich bei der kleinen Schwarzen, tot ist das gesamte Cockpit! Da sehe ich den Fehler! Hier war ein DAM am Werk, ein dümmster anzunehmender Motorradfahrer. Wer die Zündung nicht ausschaltet und seine Halogenscheinwerfer eingeschaltet lässt, der könnte mit einer Stoppuhr genau sagen, wie lange die Batterie hält. Ich kann euch nun verlässlich sagen, sie hält kürzer als ein Kaffeestop. Ich scheine mich allerdings schon etwas länger zu kennen, denn vor der Abfahrt habe ich mein Starthilfe-Akkupack noch mal aufgeladen. Unter den interessierten Blicken der Kaffeebesucher lade ich die Gepäckrolle vom Motorrad, nehme die Sitzbank ab und mit ein paar gezielten Handgriffen startet die V-Strom nach nur wenigen Minuten! Das wird mir hoffentlich eine Lehre gewesen sein!

 

Das Motorrad eines sich selbst Starthilfe gebenden DAM

 

Kurvenreicher Endspurt

Über Mombach und Zell im Wiesental geht es gefühlt auf kürzester Strecke weiter nach Westen! Wenn TomTom so weitermacht, falle ich von oben durchs Gartentor in mein heutiges Quartier! Aber nur ein paar Straßenschäden später und mit einem wundervollen Blick über das Markgräflerland rolle ich gegen 16 Uhr am Hotel vorbei. Aber das Vorbeirollen ist Absicht, denn nach 390 km braucht auch die V-Strom neue Energie und nach einem kurzen Stopp an der Tankstelle kann ich dann auch schon in unserem riesigen Doppelzimmer einchecken.

 

Weiter Blick über den Schwarzwald

 

Die ersten Weinreben im Markgräfler Land

 

Geschwister Eisenarsch vereint

Monika hatte 200 Kilometer mehr als ich auf dem Programm und rollt gegen 17:30 Uhr auch auf den Hotelparkplatz. Endlich – JETZT fühlt es sich so an wie immer. Die Geschwister Eisenarsch sind wieder vereint. Gemeinsam verwüsten wir mit einem Haufen Regenkleidung und Motorradkombis das Zimmer, futtern uns bei ehrlich zu großen Portionen kugelrund und quatschen, quatschen und quatschen.. Schöööööööööönnnnnn!

 

Anmerkungen des Tages:

Anmerkung 1:

Ich habe auf meinem Bett im Hotelzimmer gestern Abend noch ein Mini Bounty gefunden. Ihr findet doch auch eine 10-Punkte Bewertung des Hotels jetzt vollkommen angemessen oder?!

Anmerkung 2:

Schreibe ich jetzt wirklich jedes Mal, wenn ich in der Nacht nicht gut geschlafen habe? Dann kann ich ja gleich den ersten Abschnitt von heute schon mal überall rein kopieren.

Anmerkung 3:

Gestern hat Mick kommentiert, dass es doch gar nicht Michelin-Männchen heißt, sondern bei mir doch Michelin-Mädchen heißen müsste. Darüber habe ich den ganzen Tag noch schmunzelnd im Helm nachgedacht.

Anmerkung 4:

Stefan Schranz hat gestern so schön kommentiert, dass der Regen auch etwas Wundervolles sein kann. Hier seine Gedanken dazu.

https://www.schranz.tirol/regenimage

Anmerkung 5:

Mir fällt auf, dass ich allen erzählt habe, dass ich mich mit Monika oberhalb des Bodensees treffe. Ganz grob gesprochen stimmt das ja auch für Auggen am Rhein. Also im Verhältnis zu unserer Strecke bis nach Spanien liegt das fast unmittelbar am Bodensee – finde ich…

Anmerkung 6:

Kleine WordPress Krise am Abend hält den Blutdruck aufrecht. Nach dem Abendessen hat WordPress am Laptop nicht mehr funktioniert, am Handy schon. Nachdem sich Monika mein Fluchen und Zetern tapfer angehört hat, kam der Tipp, es doch mal statt übers WLAN lieber über den Handy-Hotspot und LTE zu versuchen. Diese Technik-Queen – sie hat damit euren Bericht gerettet.

Die Route:

Heute gibt es keine Route wegen Spontanität!

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7 comments on “Pyrenäen – Tag 0 – Eine eiskalte Anreise

  1. Hach, das ist schön, wieder von euch zu lesen… Allzeit gute Fahrt! Da bei uns gerade endlich Ruhe einkehrt, kann ich es mit Genuß verfolgen. Viel Spaß!

  2. Moin,
    bevor du dein Pinlock wegwirfst, versuch es mal mit Tesafilm. Den gibts auch in einer breiten Version. Ist eine prima 1. Hilfe für unterwegs.
    Klebst ihn über die undichten Stellen des Pinlock am Visier fest.
    Aber vielleicht war es das ja, mit dem Regen
    Ansonsten danke, fürs mitnehmen und weiter eine gute Fahrt!
    Freue mich schon auf die nächste Episode.
    VG Falk

  3. Wirklich schön dass ihr wieder unterwegs seid und eure Erlebnisse mit uns teilt. Wie Gabriele wünsche ich euch dass es sich der Frühwinter noch mal anders überlegt und sich zurück zieht.

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