Schlaftrunken oder seekrank?
Um Punkt 4 Uhr stelle ich mir den Wecker, damit ich den Sonnenaufgang im Hafen von Olbia sehen kann!
Glaubt ihr das ernsthaft? Im Leben nicht!
Bis 6 Uhr liegen wir in unserer Kabine und spüren den Seegang durch den immer noch starken Wind, der uns nun schon seit drei Tagen begleitet. Die Schiffscrew reißt uns aus unseren Träumen, indem sie die Einfahrt in den Hafen von Olbia ankündigen. Dass bis zum Ausschiffen jetzt noch fast anderthalb Stunden vergehen, sagen sie allerdings nicht! Leicht hektisch merken wir uns dies für die Rückfahrt!
Mit einem Tee in der Hand genießen wir dann aber tatsächlich die aufgehende Sonne bei der Einfahrt in den Hafen! Monika kämpft ein wenig mit den Rollbewegungen des Schiffs, ich scheine damit ganz gut klar zu kommen.
Ein italienischer Motorradfahrer organisiert gestenreich, dass wir Motorradfahrer vorab von unserem Platz weg fahren können. Immer an seinem Hinterreifen klebend schlängeln wir uns durch Wohnmobile und LKWs entgegen der Fahrtrichtung und drängen uns bei der Ausfahrt in wilden links-rechts-Manövern an allen vorbei. So sind wir aber wirklich schnell aus dem stickigen Frachtraum heraus und sortieren ein paar Kilometer weiter erst einmal die übervollen Tankrucksäcke wieder in unserer Gepäckrollen.
Sardiniens Norden
Die heutige Tour geht in Sardiniens Norden – wir beginnen direkt mit der Route Richtung Golfo Aranci. Wer hat eigentlich diese Route geplant – frühmorgens immer der Sonne entgegen? Dass wir überhaupt nichts sehen, macht uns gar nichts aus! Es wird schon scheppern, wenn ein Hindernis im Weg ist. 😉
Wir könnten alle 200 Meter anhalten, um wieder ein Foto zu machen! Ist ja kaum zum Aushalte, riesige Kaktusse säumen den Straßenrand!
Unser unser erstes Ziel ist erst einmal Golfo Aranci, wo wir mitten im Hafen einen perfekten Platz für ein typisch italienisches quietsche-süßes Frühstück finden! Ich finde, bei dem Ausblick sind 5,50 Euro pro Person ein echt faires Preis, da können sich die Gasthäuser an den Schweizer Pässen eine Scheibe von abschneiden. Da haben schon 2 Cappucchino 9 Euro gekostet!
Während das Croissant mit Zitronencreme-Füllung immer noch ein bisschen Pfötchen gibt, folgen wir weiter der Costa Smeralda Richtung Norden. Wenn das so weitergeht mit den Ausblicken kommen wir nie am Hotel an!
Beeindruckende Landschaft
Wir können sehen, wie die Gischt gegen die Felsen schlägt und uns ist noch nicht wirklich nach Bikini zumute! Waren es hier nicht vor ein paar Tagen noch zehn Grad mehr? Sind die einen Orte geprägt von sandsteinfarbenden Gebäuden, so liegt rechterhand ein Ort ganz in weiß getüncht und hebt sich wunderschön gegen das dunkle Blau des Meeres ab! Von wem wird eigentlich entschieden, welche Farbe ein Dorf haben soll?!
Wir rollen an zwei Fahrradfahrern vorbei. Sie sehen ähnlich bepackt aus wie ihr, haben aber irgendwie weniger PS unter der Haube! Ich bewundere sie sehr für ihr Durchhaltevermögen.
Auf der SP73 dann endlich die Chance, direkt bis ans Meer zu kommen. Das wird direkt für für ein bisschen Sonne tanken und Fotos schiessen genutzt!
Apropos tanken, in Palau ist es auch dann für unsere beiden Motorräder wieder soweit.
Ach ja, das Capo d’Orso haben wir quasi links liegen gelassen. Erst ein kostenpflichtiger Parkplatz und dann auch noch 15 Minuten Fußweg? Nun ja, ein Blick in den Reiseführer tut es auch und ein Foto machen wir einfach von unterwegs.
Blöd ist nur, wenn man abends feststellt, dass die Helmkamera lieber die Laterne im Vordergrund vor das Capo d’Orso gelegt hat. Nun gut, dann schauen wir uns halt auch das Foto im Reiseführer an.
Benvenuti am Capo Testa
In Palau gibt es noch mal Benzin für die Rösser, bevor wir das Capo Testa und damit auch schon den nördlichsten Punkt unserer Reise in Angriff nehmen.
Noch schnell einen kleinen Kaffee eingefüllt und weg gebracht – weiter geht’s.
Wild tanzen die Surfer auf unserer rechte Seite, während auf der linken Schwimmer in türkisblauem ruhigen Wasser ihre Bahnen ziehen.
Direkt vor dem Capo warten wir an einem ausparkenden Auto auf den freiwerdenden Parkplatz, als ein Italiener sich vor uns in die Lücke stellt und mir auf deutsch seinen Anspruch auf diesen Parkplatz erläutert. So was diskutiere ich doch nicht und stelle den Motor einfach aus. Herzlich heißt er uns mit einem “scheiß Deutsche” in Italien willkommen. Und ich dachte immer, das hieße “Benvenuti”! 😉
Sehr herzlich kommen wir allerdings mit einer Gruppe Motorradfahrern ins Gespräch – allesamt aus meiner heimatlichen Gegend. Die Welt ist klein!
Picknick in den Hügeln
In einem kleinen Supermercado kaufen wir für ein Picknick ein, bevor wir die Küstenstraße Richtung Binnenland verlassen. Auf den kleinen Straßen müssen wir höllisch auf kurvenschneidende Italiener in Ihren Fiat Punto aufpassen.
Ich habe Hunger und es findet sich einfach kein Picknickplatz. Da sehe ich ein Schild zu einer kleinen Kirche und folge diesem ein paar Kilometer bergauf. Den Abzweig zur Kirche verpasse ich, aber mit Blick auf das Meer sitzen wir hoch oben über den Hügeln und genießen sardische Kost.
Dass TomTom die letzten 2 Kilometer nicht einmal mehr eine Straße anzeigen konnte, hat mich davon abgehalten, einfach weiterzufahren. Da wir noch viel vorhaben, drehen wir also auf der engen Bergstraße, um wieder auf die ursprüngliche Route zu kommen.
Noch ein bisschen Küste
Nächstes Ziel ist die Isola Rossa. Wir nehmen uns aber nur kurz Zeit für einen Fotostopp, da wir direkt am Hafen unsicher sind, ob langes Parken geduldet wird. Also drehen wir um und fahren weiter Richtung Costa Paradiso.
Wie unterschiedlich dort die Felsformationen sind, wie anders das Wasser aussieht und wie abgeschottet Gäste in kleinen Buchten und Stränden am Meer liegen.
Wir werfen einen letzten Blick auf das Meer, bevor wir uns wieder dem Binnenland zuweisen.
Vorbei an Luogosanto schlagen wir noch ein paar Haken, bevor es dann endgültig Richtung Lago di Liscia – unserem heutigen Zielpunkt – geht. 20 Kilometer vor dem Ziel dann noch eine Überraschung. 2 km furchige Sandpiste liegen vor uns und sollen und auf kurzem Weg zum Ziel bringen. Nichts da! Wir sind ja nicht irre mit den bepackten Motorrädern. Also wenden wir in 158 Zügen (pro Motorrad – aber jede von uns alleine) und nehmen noch mal einen Umweg – einen asphaltierten Umweg – in Kauf.
Um 17:30 rollen wir dann endlich auf den Parkplatz unseres Hotels! Was sehen da unsere müden Augen? Die Gruppe Biker, die wir vormittags am Capo Testa getroffen haben, sind seit Samstag hier ebenfalls Gast. Mit großem Hallo werden wir begrüßt, bevor wir uns im hauseigenen Pool erfrischen.
Wir lassen ein letztes Mal den Blick über den Lago di Liscia schweifen, bevor uns das 4-gängige Abendessen schnell ins Bett befördert.
Ich erledige mit dem Blog von gestern und diesem noch meine “Hausaufgaben” und falle dann auch müde ins Bett!
Schlaft gut!
Anmerkung des Tages
Anmerkung 1:
Ich weiß natürlich, dass es nicht “Kaktusse”, sondern “Kakteen” heißt! Aber so kann ich überprüfen, ob meine Eltern auch den Beitrag lesen! Mit vielen Grüßen – und der sprachliche Fauxpas war extra für euch! 😉
Anmerkung 2:
Heute der Tag ist wirklich gemütlich. Wir rollen mehr, als dass wir fahren, was aber nach den 4 anstrengend Tagen der Anreise gar nicht so schlimm ist. Dennoch stören uns die zwei oder drei Wohnmobile, die uns ab und an ordentlich ausbremsen. Wie mag das nur in der Hochsaison hier sein!?
Anmerkung 3:
Während wir in der Heimat Oleander-Bäume vor dem ersten Frost sicher in Wintergärten oder Garagen schleppen müssen, im Frühjahr wieder in den Garten und inständig hoffen, dass sie ein wenig wachsen, säumen hier Oleander Büsche und Bäume in allen Größen und Farben unseren Weg!
Anmerkung 4:
So sehe ich aus, wenn Monikas Navi, mein Navi und meine Karte in Summe 4 verschiedene Varianten anzeigen. Ich habe ja fest beschlossen, öfter meinem Navi zu glauben – auch wenn ich gerade nicht danach aussehe.
Anmerkung 5:
Viel später am Tag fällt mir übrigens ein, dass “Parkplatz freihalten” eigentlich eine so typisch deutsche Eigenschaft ist, dass ich dem Italiener am Capo Testa vielleicht aus Solidarität doch den Parkplatz hätte überlassen sollen. So ein solidarischer Italiener.
Anmerkung 6:
Und so sieht Monika aus, wenn ihr TomTom mal wieder die Regie übernommen hat und sich weigert, Befehle von außen entgegen zu nehmen. Mühsam aufgesetztes Lächeln! 😉
Ihr seid zu beneiden. Verfolge Euren Blog und bin begeistert und amüsiert. Weiter so. Ich lechze schon nach dem nächsten Bericht. Nächstes Jahr hab ich dasselbe vor. SARDEGNA ICH KOMME BALD!!! 🙂 Euch noch eine tolle Reise und immer oben bleiben. 😉 DLzG
Hallo Markus! Ganz lieben Dank und vielleicht kann ich am Ende unsere Route auch ein paar Tipps geben! Liebe Grüße, Julia
Ab jetzt betreibt ihr Vorerkundung für mich. Wenn alles klappt, bin ich in drei Wochen dort – nicht mit dem Motorrad, aber ich notiere mir trotzdem schon eifrig Wegpunkte 😀
Nicht mit dem Motorrad? Wie denn dann?
Ich bin kein Wandervogel, stelle mir die Insel aber auch als absolutes Wanderparadies vor.
Wie immer, schön geschrieben! Erinnert mich an meine Sardinientour vor 7 Jahren. Ich wünsche euch weiterhin tolle Erlebnisse, gutes Wetter und natürlich un(m)fallfreies Fahren.
Hallo, viel Spass euch noch. Bin seit Samstag wieder zurück von Sardinien. Hatten leider nur im Norden gutes Wetter. Aber die Woche vorher auf Korsika war es dafür klasse.
DLzG von Arnulf
Wieder mal tolle Bilder und Mega-Berichte. Freue mich schon auf die nächsten Teile und bin gespannt, was Ihr auf der wunderschönen Insel noch so alles erleben werdet. Ich bewundere es übrigens zutiefst, wie Ihr es schafft, tagsüber zu touren und abends noch Lust und Zeit zum Bloggen zu finden! *gaaanz-großes-Lob*
Sucht Ihr “ganz nebenbei” auch noch die Unterkünfte oder habt Ihr jene vorgebucht?
Wünsche Euch noch eine extrem schöne Zeit auf Sardinien!
PS Wieder mal festgestellt: Die Welt ist ein Dorf! Die Gruppe, die Ihr am Hotel getroffen habt, saß im selben Flieger wie unsereiner und unsere Moppeds haben sich die Lagerhallengarage in Olbia geteilt… 😉
Das ist ja wirklich witzig! Die Welt scheint wirklich klein zu sein!
Die Unterkünfte haben wir vorgebucht! Das passt mehr zu uns. So wissen wir, was uns erwartet und können die Tagestouren vorab auch so planen. Denn Bloggen, Hotel buchen, Route für den Folgetage planen etc würde selbst für mich an einem Abend zu viel! 😉
Zumindest deinem Vater sind die Kaktusse aufgefallen, du Kaktussi.
Weiterhin viel Spaß und eine gute Reise.
🙂 müsste es dann nicht korrekt “kack-tussi” heißen…
Kack-Tussi wäre eine Beleidigung. Eine Kaktussi ist in der sardischen Sprache eine junge Frau, die sich intensiv um Pflege und Erhaltung der Kaktusse kümmert.
Ich war dieses Jahr das erste Mal auf Sardinien und hatte den gleichen Effekt wie ihr. Hinter jeder Kurve lauerte ein tolles Fotomotiv, welches noch schnell auf die Speicherkarte gebrannt werden musste. Man kam kaum vorwärts. Ab dem zweiten Tag egalisiert sich das ein wenig und man wird süchtig nach den Kurven und dem griffigen Asphalt. Irgendwann zählt dann nur noch Kurvensurven und die Natur rauscht an einem vorbei. Gut, wenn man ein paar Sightseeingstopps geplant hat… 😉