Keine Berge mehr
Über Nacht haben sie die Berge geklaut hier in der Umgebung! Tief hängende Wolken sollen den Diebstahl vor uns verbergen! Aber wir sind trotzdem dahinter gekommen! Da kennen wir nichts, da sind wir wie Detektive!
Wir springen aus unseren Betten, machen uns fertig und wühlen in unserer Tasche nach warmen Klamotten! Es sieht echt kalt aus! Danach beginnt der morgendliche Wettbewerb, wer zuerst die Luft mit einem lauten “pfffffft” seiner Ortlieb Tasche entlässt.
Heute morgen gewinne ich! 🙂
Vor dem Frühstück beladen wir noch eben die Motorräder und machen ein paar Abschiedsfotos! Wir schwören, hier war gestern noch Umgebung!
Wir zahlen noch eben das Abendessen vom Vortag und machen uns warm eingemummelt auf in den neuen Tag. Auf den ersten anderthalb Kilometern über zwei Kreuzungen muss Monika mir von hinten immer Anweisungen zu brüllen! Mein Navi scheint nur mit zwei Satelliten Kontakt zu haben und vermutet mich irgendwo tief im Flussbett!
Hoffentlich wird das bald besser!
Aber als wir erst einmal die Hauptstraße Richtung Frumosu eingeschlagen haben, scheinen auch die anderen Satelliten durch die dicke Wolkendecke zu senden und TomTom weiß wieder, wo wir sind.
Die ersten Kilometer
Es sind neun Grad und wir sind definitiv richtig angezogen! Aber schon jetzt blinzelt immer öfter die Sonne als heller milchiger Fleck durch die tief hängenden Wolken und wir hoffen auf Wetterbesserung!
In Vama biegen wir zuerst auf eine der großen Europa-Straßen ab, aber nach wenigen hundert Meter auch schon wieder links in eine Nebenstraße. Das Eiermuseum ist unser Ziel!
Leider sind wir aber zu früh dran und eine halbe Stunde Wartezeit für bemalte Eier strapaziert uns Kulturbanausen dann doch zu sehr!
Weiter geht es! Wir fahren Richtung Campung Moldovenesc, der Verkehr auf der E58 stört mich gar nicht mehr! Die Temperaturen sind toll und die rumänische Fahrweise echt entspannend! Ich habe heute schon keine Ahnung mehr, was mich am ersten Tag so gestreßt hat. Vermutlich habe ich mit deutschem Wahnsinn gerechnet und darauf keine Lust gehabt!
Transraraul
Am Abzweig zum Pass Transraraul bin ich zuerst unsicher, ob ich richtig bin. Zu unscheinbar scheint der Weg zwischen den Häusern zu unserem Ziel! Schlagartig verändert sich das Ortsbild! Statt Geschäften und Hochhäusern wird es hier schon fast dörflich mit einzelnen Pensionen und kleinen Häusern! Ein kleiner Bach lädt zu einem Fotostopp ein!
Aber schnell starten wir wieder die Motoren, denn die Wolken verziehen sich weiter und wir können schon ahnen, was uns auf dem Pass erwartet! Aber so genial haben wir uns ihn nicht vorgestellt. Aufwärts ist die Straße in perfektem Zustand und gerade die Rechtskurven sind ausreichend breit, so dass hier sogar LKWs oder Wohnmobile problemlos ausholen könnten. Aber wir sind fast alleine, da können wir es so richtig schön laufen lassen!
Hinter einer weiteren Kurve setze ich plötzlich den Blinker rechts.
Der von mir ausgesucht Parkplatz ist schräg, abschüssig und aus Schotter. Wir müssen ein bisschen zirkeln, bis beide Maschinen sicher stehen! Aber der Ausblick oberhalb der Wolken ist so genial, da muss noch ein Foto her!
Der kurze Stop hat sich definitiv gelohnt. Weiter geht es zur Passhöhe, von dort aus hat man einen tollen Blick in die vollständig bewaldeten Berge Stanisoarei.
Abwärts zur Bistrita
Den Abzweig zur Cabana (und damit zu einem Kaffee) lassen wir links liegen und machen uns auf den Weg bergab. Was für ein Unterschied! Ist die Straße bergauf für LKW und Wohnmobile bestens ausgebaut, geht sie ab hier nur noch anderthalbspurig ins Tal. Größtenteils in sehr gutem Zustand muss man aber dennoch auf die wenigen Abrisskanten achten, denn zum Tal hin ist die einzige Sicherung der weiße Markierungsstreifen.
Man muss es einfach etwas langsamer angehen lassen und immer mit Gegenverkehr rechnen, dann kann man aber die Strecke so richtig genießen. Einzig mein Sonnenvisier muss Höchstarbeit leisten:
Rein in den Wald: Hoch mit dem Sonnenschutz.
Raus aus dem Wald: Runter mit dem Sonnenschutz!
So geht es im Minuten Takt.
In Chiril treffen wir auf die Straße 17b Richtung Poiana. Immer entlang der Bistrita schlängelt sich die Straße links und rechts des Flusses entlang. Traumhaft, und so anders als zuvor der enge kurvige Pass.
An einer der vielen Hängebrücken machen wir einen Fotostopp! Ich freu mich total, wo ich doch so höhensicher bin! 😉
Erst in Brosteni finden wir ein tolles Lokal, in dem wir angesichts der Uhrzeit Kaffee und Mittagspause einfach mal spontan zusammenlegen!
Impressionen einer Motorradtour
Man merkt, dass in Rumänien noch Schulferien sind. Kinder und Jugendliche jeden Alters hängen zusammen auf den Brücken ab und ihre Angeln ins Wasser. Was fängt man in der Bistrita? Forelle?
In Poiana beschließen wir spontan, noch eine größere Schleife durch den Neamt Naturpark zu drehen und auf dem Rückweg den eigentlich für morgen geplanten Lacul Izvoru an seinen Ufern entlang zu fahren!
Auf der Straße nach Targu-Neamt herrscht etwas mehr Verkehr, als wir es in den vergangenen Stunden gewohnt waren. Da wir schon schön gekurvt sind, lassen wir es entspannt angehen und reihen uns in den Verkehr ein.
So hat man auch mal Zeit, in die Gärten hinter den vielen Zäunen zu schauen und zu sehen, wie sich Zucchini-Pflanzen Ihren Raum erobern und die hohen Heuhaufen hinauf ranken!
Obwohl wir gemütlich unterwegs sind, scheut erstmalig ein Pferd, als es mein Motorrad hört! Sofort hat der Besitzer es wieder im Griff, aber Monika rollt vorsichtshalber mit gezogener Kupplung leise daran vorbei.
Oder es war gar nicht mein Auspuff Schuld, denn eigentlich gehen die Tiere hier unvorstellbar gelassen mit dem gesamten Verkehr um.
Klimawandel
Kaum verlassen wir die Wälder, wird es schlagartig wieder 10 Grad wärmer! Super, Softshelljacke und Halstuch schützen mich wärmend vor der gleißenden Sonne! Aber irgendwie bin ich wieder mal zu faul, mich aus den Klamotten zu schälen! Selbst Schuld!
Ein verhasster Geruch steigt mir in die Nase – Straßenfarbe! Schon in Deutschland kann ich diesen Geruch überhaupt nicht ertragen (wohingegen Benzin ganz toll riecht), da ändert auch rumänische Farbzusammensetzung überhaupt nichts dran. Aufgrund der vor uns weilenden Wanderbaustelle kommen wir auch nur langsam voran, so dass Luftanhalten leider im Koma enden würde! Also durch den Mund atmen! Bäh!
Ach ja: Zebrastreifen sind heilig in Rumänien! Hier sind sich die Fußgänger noch sicherer als in Deutschland, dass sie vom fließenden Verkehr frühzeitig gesehen werden und dementsprechend angehalten wird! Mutig, aber das finde ich in Deutschland auch schon!
Kurz vor Dobreni umfahren wir die Hauptstraße auf einer kleinen Abkürzung. Der Abwasserkanal auf der rechten Seite der Straße ist ca 50 cm tief, betoniert und V-förmig. Wenn man dort mit dem Motorrad rein gerät, fällt man garantiert nicht um, steht absolut sicher, aber kommt auch nie wieder heraus. Wir haben es mal einfach nicht ausprobiert! 😉
Auf zum Lacul Izvorul
Unser nächstes Ziel ist der große Stausee zwischen Bicaz und Ceahlau. Wir durchqueren Piatra-Neamt und steuern auf Bicaz zu.
Ein kleiner See linker Hand lädt mit Begrüßungsschildern zum Verweilen und Erholen ein, am gegenüberliegenden Seeufer pustet aber irgendeine Fabrik weniger einladend dicke Wolken in die Luft, die neblig über dem Tal liegen. Nein danke, da warten wir mit dem Kaffee doch noch ein paar Minuten.
An der Staumauer des Sees machen wir den nächsten Halt! Hier müssen doch noch ein paar Fotos gemacht werden.
Wir rätseln ein wenig über die vielen Schilder, die uns seit einigen Kilometern auf eine Straßensperrung der Straße Nr. 15 am See entlang aufmerksam machen. Irgendwer darf durchfahren, andere nicht, aber es ist jede Menge Verkehr! Wir beschließen, dass dort sicherlich auf rumänisch steht, dass bei allen Verboten dieser Welt auf keinen Fall Monika und ich mit unseren beiden Motorrädern gemeint sind und wir daher weiter fahren dürfen!
Straße Nr .15
Die nun folgenden Kilometer entlag des Sees gestalten sich deutlich länger, als wir dies noch an der Staumauer vermuteten. Alleine die Tatsache, dass diese Straße ein eigenes Kapitel bekommt, zeigt die große Bedeutung! 😉
Wir starten wenige Meter hinter der Staumauer mit einer roten Ampel – einspurig geht es an einem Bagger vorbei! Und dafür das ganze Aufsehen?
Die Ampel wird grün und wir rumpeln über gut festgefahrenen Schotter an dem orangenen Ungetüm vorbei! Danach ist die Straße wieder asphaltiert, um plötzlich und hinter einer Kurve wieder zu Schotter zu werden! Geübt wechseln wir vom Sitzen zum Stehen und meistern auch diese Passage! So wie auch die nächsten ca. 20 Schotterstücke, die jedesmal relativ unverhofft auftauchen!
Rechts taucht eine Terasse am Straßenrand auf – dies ist unsere!
Baustellen-Krampf
Wir müssen weiter, es sind nur noch 60 Kilometer und wir wähnen uns in quasi einer guten Stunde am Ziel. Aber jetzt beginnt der Spaß erst so richtig. Bei der nächsten Baustellenampel warten wir brav, bis es grün wird. Die zwei Autos vor uns fahren auf der einzig freien (rechten Spur) in die Baustelle. Wir ein Stück hinterher! Da stellt sich vorne ein LKW quer und lässt sich in Seelenruhe beladen. Ich muss nicht erklären, dass die Ampel hinter uns längst wieder rot ist und die Vermutung nahe liegt, dass der Gegenverkehr ähnlich weit in die Baustelle eingefahren ist.
Es kommt, was kommen musste! Nach 10 Minuten ist der LKW endlich beladen, kommt aber nicht mehr weg, weil links und rechts von ihm die Autos die Baustellen-Fahrspur dicht gemacht haben. Also rangiert man ein wenig hin und her, macht die zweite Spur ein wenig frei und schon nach nur weiteren 10 Minuten dürfen dann auch wir wieder weiter fahren.
Genau 2 Baustellen weit!
Dann steht ein Betonmischer quer in der Baustelle – weitere 15 Minuten Verzögerung!
Und so hoppeln wir von Baustelle zu Baustelle, von Ampel zu Ampel und atmen dabei ca. 1 Tonne Sand und Staub ein! Wir sehen aus wie nach einer Wüstendurchquerung!
Aber irgendwann haben wir es tatsächlich geschafft und sind auch geschafft! Aber ein paar Kilometer sind es noch bis Durau!
Die Kombination aus tiefstehender Sonne und den nun gnadenlos von innen und außen verstaubten Visieren macht es uns auf der restlichen Strecke des heutigen Tages nicht gerade leicht! Wir beißen die ebenfalls sandigen Zähne zusammen und klettern mit unseren zwei Rössern hinauf ins kühle Durau.
Abendessen
Wir parken schnell am Hotel ein und bringen unser Gepäck aufs Zimmer!
Hunger! Durst!
Auf der Terrasse lassen wir uns ein kühles rumänisches Bier schmecken und wir kommen auch endlich und erstmalig in den Genuss von Mici – den rumänischen Cevapcici!
Die Rumänen unter euch werden den Faux-Pas sofort bemerken! Nur Touristen bestellen statt des traditionellen Brots noch Pommes dazu! Geschafft haben wir weder die 4 Mici, noch alle Pommes! Aber man sagt ja: “Reisen bildet!” 😉
Aber lecker war es trotzdem und der Kellner hat sich ein Loch in den Bauch gefreut, da wir die ersten Touristen waren, die nach Mici gefragt haben! Das wiederum kann ich nicht verstehen!
Eigentlich sollte der Tag morgen noch mal mit der Straße am See entlang starten. Das schenken wir uns definitiv! Heute geht es erst mal ins Bett, aber beim Frühstück müssen wir neu überlegen, wo es lang geht, denn die Bicaz-Klamm wollen wir uns auf keinen Fall entgehen lassen!
Gute Nacht!
Anmerkungen des Tages
Anmerkung 1:
Es ist wirklich schade, wenn meine Ironie in den Beiträgen nicht rüber kommt! Nein, ich habe bisher nur super Erfahrungen mit Menschen und dem Land gemacht! Wirklich!
Und wenn jemand meint, wir würden Lärm und Abgase nach Rumänien bringen: Sorry, die größten Luftverpester hier haben alle rumänische Kennzeichen!
Anmerkung 2:
Wirklich international ist, wenn Dich der Fahrer eines rumänischen Fahrzeugs auf deutsch anspricht und erklärt, er sei Luxemburger! 😉
Anmerkung 3:
Ich verstehe ja, wenn man neue Fenster einbaut. Aber müssten die nicht wenigstens die passende Größe haben?
Anmerkung 4:
Wir sind heute zum ersten Mal so richtig bedrängt worden. Erst hat der Audi versucht, Monika den Berg hochzuschieben und bevor ich überhaupt reagieren konnte, war er an einer unübersichtlichen Stelle mit 90 km/h neben mir. War ich überrascht, dass der Audi ein deutsches Kennzeichen hatte? Nicht wirklich!
Anmerkung 5:
Noch immer beeindrucken Holztore (oder moderne Formen solcher Tore) vor den Häusern. Je größer, desto mehr Reichtum hat der Besitzer.
Während wir in Deutschland sagen: “Mein Haus, mein Pferd, mein Boot.”
heißt es hier eher: “Meine Säulen, mein Tor, mein Giebel”
Anmerkung 6:
Ich habe heute kein einziges Bild von einer Kirche gepostet! Wirklich nicht! Ja, könnt ihr gerne noch mal hochscrollen!
Anmerkung 7:
Die V-Strom ist heute auf Bildern zu kurz gekommen! Daher hier ein Foto nur für sie!
Anmerkung 8:
Kann mir jemand erklären, warum mitten im Nichts vier Personen am Straßenrand stehen, Tüten in der Hand, Sonnenblumenkerne knabbern und scheinbar auf etwas warten?! Aber auf was? Eine Bushaltestelle ist weit und breit nicht zu sehen! Oder wir funktioniert das Bus-System in Rumänien?
Die Route
Durau große Runde:
Audi, Fenster und keine Kirche?
Für den Beitrag hast du den Pulitzer Preis verdient….
Die warten auf eine Mitfahrgelegenheit. Vor 24 Hahren standen die Menschen vor Bukarest an der Autobahn und wollten zur Arbeit mitgenommen werden.
Aber am Arsch der Welt, auf einer größtenteils gesperrten Straße? Puha deren Optimimus möchte ich haben!
…geniale Streckenführung… den Baustellengau mal ausgenommen
Arrrh, diese Art von Baustellenunfug kenne ich auch. Und vor allen diese Art von Baustelle. Da ist man doch froh, eine V-Strom unterm Hintern zu haben, die das Gehoppel auch mit macht.
Keine Kirche, dafür endlich einmal ein Betonmischer. Super!
Und viel tolle Landschaft. Auch super!
Wie ist denn in Rumänien die Infrastruktur für Wohnmobile? Wir lassen uns dann auch gerne von Motorrädern überholen.
Einen lieben Gruß sendet W.S. aus L.
Oh, das kann ich gerade gar nicht beantworten! Gerne stelle ich nach Rückkehr mal Kontakt zu jemandem her, der da große Erfahrung hat!
Hört sich abenteuerlich an! Verwundern tut es mich nach erst zwei Rumänien Aufenthalten allerdings schon nicht mehr
Zu den „Wartenden im Nichts“: ich kenne es aus anderen Dörfern in Rumänien, dass man sich an einem Punkt trifft, um dort einfach zu verweilen und sich zu unterhalten. Viele warten aber auch auf Mitfahrgelegenheiten!
Schöne Reise noch!
Hallo Mädels.. ich wünsche Euch weiterhin einen schönen Aufenthalt in Rumänien… bin gespannt auf Eure nächste Route …hoffe ihr fahrt auch nach Siebenbürgen (Hermannstadt etc)… Ich folge Euch täglich… Liebe Grüsse
Hallo Adelheid,
morgen wollen wir eine Rundtour durch Siebenbürgen machen.
Freut mich, wenn du virtuell mit uns fährst!
Viele Grüße,
julia
Tolle Rundfahrt mit unberührte und atemberaubende Landschaften. Schöne Fotos, ein Erlebnis.
N Knaller!
Genau wgen Ausblicken wie am “Ausblick vom Transraraul-Foto” fahr ich Mopete.
Vor allem der Weg dahin, mit all seinen Eindrücken, egal obs nu Geräusche oder Gerüche, Wärme oder Kälte etc. sind…. Darum ist Reisen auf zwei Reifen erst richtig schön!
Das alles kriegt man ja inne Dose garnicht richtig mit….
Wirklich ne tolle Gegend, und Freundlichkeit allerorten…da muss ich wohl doch mal hin.
Hab ich aber “damals” aber in der Tschechischen Republik genau so empfunden. Da waren nur die Straßenverhältnisse zwischendurch ne Katastrophe -.- Küchenschubladengroße, knapp zehn Zentimeter tiefe Löcher waren das Highlight O.o