Tag 2 – Auf nach Schottland

Was für eine Nacht

Haben sie uns schon beim Verzurren der Motorräder gesagt, dass wir dies ordentlich machen sollen, da “stormy weather” erwartet würde, können wir dies nach der Nacht bestätigen! Wir hatten einen stets wechselnden Anpressdruck auf unsere Matratzen, was vielleicht auch an der exponierten Lage unserer Kabine am Bug des Schiffes lag!

Wir haben beide aber dennoch eigentlich ganz gut geschlafen für die Wetterverhältnisse oder zumindest ausreichend geruht. Aber mit dem “wach werden” wird auch Monikas Magen wach und beschwert sich über den Wellengang! Kurz gesagt, ich sitze allein beim Frühstück! 😉

Auch die beiden Schaufensterpuppen scheinen seekrank zu sein

 

Etwas später genießen wir dann aber noch die frische Seeluft an Deck und auch Monika traut sich im Anschluss an eine Scheibe Brot und etwas Obst. Während wir auf die Ankunft in Newcastle warten, blicken wir immer noch erstaunt auf die uns bis dahin vollkommen unbekannte britische Insel.

 

Die erste Vermummte an der Reeling

 

 

Die zweite Vermummte kann noch strahlen

 

Ist das wirklich schon England?

 

Haben die wirklich Linksverkehr?

Von der Ankunft in Newcastle bis zum Verlassen des Hafens vergeht fast eine Stunde! Wie gut, dass wir den Brexit haben und eine ausführliche Zoll -und Passkontrolle uns aufhält! Die nehmen es wirklich sehr genau und betreten auch noch jedes Wohnmobil einzeln und jeder Motorradfahrer muss seinen Helm abziehen.

 

Da kann auch Monika wieder lachen!

 

Blick zurück auf “unser” Schiff

 

Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr, wir müssen auf die englischen Straßen, wir müssen in den Linksverkehr! Fühlen sich die ersten drei Kreisverkehre noch total fremd an und ich weiß überhaupt gar nicht, in welche Richtung ich gucken muss oder von wo möglicherweise ein Auto erscheinen könnte, fühlt es sich von Kreisverkehr zu Kreisverkehr immer souveräner an!

 

Es ist kein Gerücht, die fahren hier wirklich alle links!

 

Auf der Bundesstraße weist ein Schild auf die geltenden “50” hin, aber alle fahren hier stur weiter mit “80”. Ich begreife irgendwann, dass man hier ja “miles per hour” und nicht “Kilometer pro Stunde” hat. Ich stelle auch mein Navi auf die mir fremde Einheit um und habe schon das nächste Problem. Unser Ziel ist 135 Meilen entfernt und ich soll in 300 Yard links abbiegen. Verdammt noch mal, wie viel sind 300 Yard? 😉

 

Aber immerhin wird mit deutlichen Worten gewarnt, langsam zu fahren. Machen wir auch!

 

Neue Herausforderungen lassen nicht lange auf sich warten

Bis Ellington frage ich mich, was am Norden England so schön sein soll. Aber dort stehen die ersten Häuser, so wie ich mir England vorstelle!

 

Die ersten englischen Häuschen

 

Nach 20 Kilometern steht am Straßenrand ein Schild, dass die Fahrbahnmarkierung fehlt. Noch nie hat mich dieses Schild so in Panik versetzt, wie auf meinen ersten Kilometern Linksverkehr! Wie soll man sich ohne Markierung denn zurecht finden, wo sind “Frauenlinks” und “das andere Links”?

 

Die ersten Eindrücke der rauhen Landschaft

 

Wir fahren die Coastal Road stur nach Norden und können hin und wieder noch einen Blick auf die Nordsee werfen. Plötzlich sagt mein Navi, ich soll am Ende der Straße rechts abbiegen. Wie rechts abbiegen? Ich kann Kreisverkehr, aber noch nicht abbiegen! Aber auch das meistern wir fehlerfrei und am Workworth Castle halten wir für den ersten Photostop.

 

Selfie vor Workworth Castle

 

und beim Weiterfahren noch mal von der Seite

 

Harry Potter lässt grüßen

Es geht nur ein paar Kilometer weiter nach Alnwick, wo wir versuchen einen Blick auf das Alnwick Castle zu bekommen, welches man aus Harry Potter Filmen kennt. Es ist aber gar nicht so einfach, ohne einen kompletten Besuch hier ein halbwegs schönes Foto zu bekommen.

Alnwick Castle aus der Ferne

 

Dafür mussten die beiden ganz schön lange alleine bleiben

 

Wir ziehen unseren ersten Pfunde an einem Geldautomaten und stellen fest, dass morgen, am Montag, den 19. September wohl in ganz England wegen der Beerdigung von der Queen Feiertag sein wird. Das gilt es ein wenig zu beachten bei unserer Routenplanung und Tankerei.

 

Britische Pfund aus dem modernen Spielautomaten

 

Nur einer von hunderten gleichlautenden Hinweisen

 

Wir nutzen die Pause direkt aus, um ein Sandwich zu essen und müssen im strömenden Regen zurück zu unseren Motorrädern gehen. Falls es jemand wissen möchte, nein wir haben die Regenhaube vorher nicht über den Tankrucksack getan. 😉

Bei der Mittagspause sind Monika und ich uns einig, dass es für uns beide noch unglaublich anstrengend ist, auf den Verkehr zu achten, woher die Leute kommen und in welche Richtung man beim Abbiegen fahren muss. Gefühlt kommen die von überall und immer aus der Richtung, aus der man sie am wenigsten erwartet hat. Wir hoffen, dass sich dies in den nächsten Tagen noch bessert, sonst werden es kurze Etappen für uns.

 

Northumberland National Park

Wir verlassen Alnwick, in dessen Schloss übrigens der Duke of Northumberland seinen Sitz hat und welches damit eines der größten bewohnten Schlösser Englands ist. Wir fahren Richtung Südwesten, mitten in den gleichnamigen Nationalpark hinein und sehen Landschaft, einen großen Haufen Landschaft! War die bisherige Route geprägt von Bundesstraßen und eher langweiligen Bebauungen, so können wir uns jetzt an der Landschaft und den abertausenden Schafen, die weiße Flecken in die kargen Hügel zaubern, nicht sattsehen.

 

Irgendwo vor Edlingham

 

Irgendwo hinter Edlingham

 

In Otterburn haben wir das erste Mal das Gefühl, dass hier auch Menschen leben. In den Vorgärten sind kleine Eiscafés, Geschäfte reihen sich in pittoresken englischen Häusern. Wir wollen aber noch ein Stück weiter und durchqueren über Wark weiter das Northumberland.

 

Es gibt sie hier doch, die Zivilisation 😉

 

So viel traumhafte wilde Landschaft

 

Einsame Straßen quer durch die Hügel wechseln sich mit baumgesäumten Passagen ab

 

Wark Forest

In Humshaugh biegen wir nach Westen ab und folgen nun der Landstraße immer entlang dem Hadrianswall.

Für alle, die geschichtlich so bewandert sind wie ich: Der Hadrianswall war mit 117 km ein römisches Grenzbefestigungssystem des britannischen Limes und wurde 122-128 n.Ch gebaut. Es muss wirklich etwas Besonderes sein, weil uns hier Scharen von Wanderern auf der gesamten Strecke begegnen.

 

Kirche am Wegesrand

 

Am Hadrianswall viel Landschaft

 

Ich werde mutig und traue mich nach drei Stunden das erste Mal zu überholen! So langsam groove ich mich mit dem Linksverkehr ein und fahre nicht mehr mit dem Kopf, sondern wieder mit dem Instinkt Motorrad! Es fängt an Spaß zu machen und auch der Zauber dieser Gegend hat mich gepackt! Es ist wieder alles so anders als auf irgendeiner unserer bisherigen Touren!

Unendlich schnurgerade Straßen schlängeln sich bergauf und bergab durch die Landschaft und wechseln sich urplötzlich mit mal knapp zweispurigen engen kurvigen Passagen ab.

 

Immer noch am Hadrianswall – es ist soooo schön

 

Mal wieder ein lange gerade Strecke

 

From England to Scotland

So langsam bereue ich es, nicht in Otterburn an einem der Cafés angehalten zu haben. Wenn man etwas sucht, findet man es nämlich garantiert nicht! Da wir aber nur noch gut 40 Meilen bis zum Hotel haben, lassen wir es einfach laufen. Wir scheinen sehr staubig geworden zu sein auf der Strecke, denn der Wettergott beschließt, uns noch einmal in einem kräftigen Schauer sauber zu waschen! Wir geben zu, das hätten wir nicht gebraucht!

 

Wir können uns nicht sattsehen!

 

Drohende Wolken über Longtown

 

Wir überqueren die Grenze zu Schottland und lassen es auf der Bundesstraße A75 zügig Richtung Dumfries laufen.

Unmittelbar vor Dumfries tanken wir unsere Motorräder noch einmal voll, da wir unsicher sind, wie morgen zum Beerdigung der Queen die Versorgungslage in Großbritannien sein wird!

Wir checken in unserem B&B in Dumfries ein und stoßen das erste Mal auf allen unseren Touren mit einem heißen Tee an! Zum Einen passt es zum Wetter, zum Anderen gehört Tee zu England!

 

Prost! Cheers!

 

Total gemütliches Zimmer

Wir lassen uns noch einen Tipp fürs Abendessen geben und lassen den Abend gemütlich ausklingen. Morgen geht es früh wieder los – morgen müssen wir zur Fähre nach Irland.

 

Gute Nacht Dumfries

Anmerkungen des Tages:

Anmerkung 1:

Monika fragt mich morgens auf der Fähre, wo ist bitte Sanni und Claudi? Ich frage mich, wen sie auf der Fähre kennengelernt hat und woher sie so schnell die Namen kennt. Dann begreife ich, dass sie die Wettervorhersage von gestern meint und weit und breit kein “sunny” und “cloudy” zu sehen ist, sondern nur Regen.

Anmerkung 2:

Warum haben die Engländer eigentlich noch eigene Einheiten? Ich meine, wenn sie doch ab jetzt schon Queen Prinz Charles haben, warum nicht dann auch Kilometer-per-Stunden-Meilen und Meter-Yards?

Anmerkung 3:

Hier fahren sogar die Fahrradfahrer auf der falschen Spur.

Anmerkung 4:

Inzwischen habe ich auch verstanden, dass die ganzen englischen Motorradfahrer kein Parkinson-Syndrom haben, sondern sich mit diesem seltsamen seitlichen Kopfnicken grüßen! Das versuche ich ab sofort auch, auch wenn es bei mir wie ein Krampfanfall aussieht.

Anmerkung 5:

Ich habe aufgrund der Konzentration mit dem Linksverkehr nicht so viel Speicherplatz im Kopf frei, um mir wie sonst gewohnt so viele Dinge des Tages zu merken! Ich hoffe, das wird bis Irland noch besser.

Anmerkung 6:

Sanni und Claudi sind doch noch aufgetaucht.

Sanni und Claudi – äh – sunny and cloudy

Anmerkung 7:

Die Straßen sind schnurgerade und so hügelig, dass Schilder mit “hidden dip” auf nicht einsehbare Senken aufmerksam machen und Schilder mit “blind summit” auf unübersichtliche Hügel. Beide Schilder haben echt ihre Berechtigung!

Anmerkung 8:

Ihr müsst bei den Fahrbildern den ein oder anderen Schatten entschuldigen. Das Panzerglas der Kameraabdeckung ist gerissen und ich bin noch unschlüssig, mit dem Schatten zu leben, oder das Panzerglas zu entfernen.

Anmerkung 9:

Dem geneigten Leser fällt auf, dass hier etwas mit den Tagen nicht zusammenpasst. Ja, es stimmt. Die Anreise habe ich einen Tag zu spät online gestellt, da auf dem Schiff kein Internet ist. 😉

 

Die Route:

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6 comments on “Tag 2 – Auf nach Schottland

  1. Hi Maedels, hab den Blog durch Zufall in FB gesehen und als ich gesehen habe dass ihr genau wie ich diesen Sommer die Faehre nach Newcastle nehmen werdet, war es mir nicht moeglich nicht weiter zu lesen. Ich habe im Sommer an einer Schottland Rundreise teilgenommen und der sehr schoen geschriebene Text hat mich doch direkt zu dieser Reise zurueckgefuehrt. Habt ganz viel Spaß, passt auf, die Straßen haben manchmal ein paar bloede Loechet. Ireland reizt mich auch, bin daher gespannt auf eure Erzählungen. Ihr findet mich und Bilder von Schottland auf FB.
    Gute Fahrt weiterhin
    Liebe Gruesse
    Thomas Fuchs
    P. S. In England braucht ihr kein Cash, selbt am Strassen imbiss werden credit cards bevozugt.

  2. Hallo,

    ihr zieht ja weiter nach Irland, insofern ist mein Hinweis nicht so wichtig. Aber für England/Schottland müsst Ihr mit dem Tanken aufpassen. Wir sind mit dem Ableben der Queen von unserer Schottlandreise zurück. Das Land hat mit dem Brexit personalmangel, denen fehlen LKW Fahrer die den Sprit zu den Tankstellen bringen. Das hat uns 5 mal erwischt in 2 Wochen. Auch Restaurant, Hotel/B&B ist schwierig. Einige haben nicht überlebt, der rest kämpft mit halbbelegung weil Ihnen Personal für Vollbelegung fehlt.

    Das sollte euch in Irland nicht treffen denke ich. Bzgl. Cash , haben wir tatsächlich einmal gebraucht auf Isle of Mull aber ansonsten hat Thomas recht Credit Card und gut ist.

    Gruß Mario und Anja

  3. Nur eine Stunde warten, um von der Fähre runterzukommen, das geht ja. Als wir 2016 aus Schottland zurückkamen (Newcastle – IJmuiden), ging die Luke vom Schiff nicht auf. Das dauerte ein paar Stunden und es gab immerhin kostenlose Getränke für die Wartenden auf dem Fahrzeugdeck.

    Die Hinweise bezüglich Bargeld unterschreibe ich. Hab zwar immer eine kleine Reserve geholt, wenn ich irgendwo in anderen Ländern war, aber dann auch immer Probleme gehabt, es loszuwerden, weil die doch überall Karte wollen. Und an den Tankstellen sind es ja auch fast immer Automaten.

  4. Als wir 2019 das letzte Mal auf der Insel waren, da habe ich fast immer mit meiner normalen EC Karte gezahlt. Kreditkarte hatte ich gar keine dabei…

  5. Hallo, Schloss Alnwick wäre einen Besuch wert gewesen, vielleicht rückwärts…
    Otterburn, Dumfries…genau unsere Strecke in 2016.
    Für das “richtige” Links hilft ein Aufkleber auf der Scheibe oder ein Pfeil, in die richtige Richtung 😉 im Tankrucksack.
    Eine gute Reise noch!
    Falk

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