Achtung – Nach-ver-bloggt!
Wie in diesem Beitrag berichtet, war an Tag 13 abends die Luft raus. Monika hatte ihre Beintasche mit allen Papieren, Ersatzschlüsseln und Geld verloren, so dass ich nach 420 Kilometern und jeder Menge Aufregung abends nicht mehr in der Lage war, die 3 Stunden konzentriert für das Bloggen aufzubringen.
Daher ist dieser Beitrag nun eine gute Woche alt – die Erinnerungen an ihn aber so frisch, als wäre er heute gewesen.
Viel Spaß beim Lesen!
Frühstück als Nahrungsaufnahme
Guten Morgen! Ich war zwar um 4 Uhr schon mal wach, aber jetzt hat mich doch tatsächlich einmal der Wecker geweckt. Das hat es im ganzen Urlaub noch nicht gegeben. Wir haben heute einiges an Kilometern vor und müssen mal gucken, ob wir nicht nach hinten raus Probleme mit der Zeit bekommen und wir dann doch abkürzen müssen. Aber jetzt gerade im Moment ist das Bett einfach sehr gemütlich, es fällt mir schwer aufzustehen! Irgendwann raffe ich mich dann doch auf, packe die Tasche und wir können noch den Sonnenaufgang aus dem Zimmer erleben.
Der Morgentau liegt auf dem Motorrädern und zeigt uns an, dass es Herbst wird! Wir gehen frühstücken, was wir hier aber eher als Nahrungsaufnahme als als Genuss bezeichnen würden. In einem 4-Sterne Hotel den Saft morgens aus Plastikbechern trinken zu müssen, erinneret mehr an eine Zahnarztuntersuchung! Fehlte nur noch das Spuckbecken.
Morgenstund hat Gold im Mund
Es ist kurz nach acht, als wir vom Hotelparkplatz rollen. Die ersten Kilometer auf der S17 sind unspektakulär. Auf dem Weg nach Isernia werfen wir noch einen Blick auf die berühmte Wallfahrtskirche Santuario dell’Addolorata di Castelpetroso, bevor wir uns dann in der Stadt selber durch den morgendlichen Berufsverkehr quälen. Aber schon wenige Kilometer verlassen wir die Hauptstraße und klettern über wunderschöne Kurven Richtung Ponte della Vandra, vorbei an Rionero, bevor wir kurz vor Castell di Sangro doch wieder auf die Bundesstraße abbiegen müssen.
Wir genießen das Fahren mit den fantastischen Ausblicken in die Täler, in denen noch die Wolken hängen und auf die fantastische Landschaft links und rechts von uns. Wir können uns nicht sattsehen!
Karten müssen eingeweicht werden
Wir verlassen Castel die Sangro Richtung Norden und es wird schlagartig bitterkalt! Nicht einmal mehr 13 Grad zeigt das Thermometer an! Ist das schattig hier! Eigentlich möcht ich Monika an einer Kreuzung etwas sagen, aber als ich in ihren Helm blicke, sehe ich nur ein Grinsen, das vom linken bis zum rechten Ohr geht. Ich glaube, sie ist gerade nicht aufnahmefähig!
Ein paar Kilometer später halte ich in Roccaraso auf der rechten Seite an und wir ziehen alle eine Schicht mehr an. Hier haben wir ja 20 Grad weniger als ein Albanien, das könnte Erfrierungen geben!
Meine Karte weigert sich, an der richtigen Stelle zu knicken und ich wende Gewalt an! Unbeabsichtigt liege ich dabei auf meinem Trinkrucksack und die einzige nicht wasserdichte Karte meiner Sammlung ist nun ein Feuchtbiotop. Wenn ihr mal versucht habt, eine durchweichte Karte wieder in den Tankrucksack zu schieben, könnt ihr euch meine Flüche in etwa vorstellen.
Ungeplante Planung
Aus Zeitgründen hatte ich morgens die Route weiter über die S17 geladen – dachte ich zumindest. Als ich hinter Roccaraso aber rechts abbiegen soll und in Rivisondoli gleich wieder links, dämmert es mir, dass Wunsch und Realität hier wohl auseinander gelaufen sind. Aber gut, dann soll es so sein! Immer am rio la Vera entlang fahren wir nun auf der östlichen Seite der Cresta di Pietramaggiore Richung Sulmona.
Am Fiume Aterno entlang
Hinter Sulmona klettern wir die Straße wieder hinab und fahren die wenigen Kilometer bis Pratola wieder auf der autobahnählichen Bundesstraße. Da ist schon der nächste Abzweig. Was auf der Karte wie ein Schleichweg scheint, scheinen aber mehr als nur ich zu kennen. Mit recht viel Verkehr vor uns geht es Richtung Raiano. Der Bau-LKW vor mir biegt aber recht bald brav ab und wir haben die Strecke am Fiume Aterno entlang für uns ganz alleine! Wir fahren eine Schlucht entlang, die den französischen Gorges würdig wäre. Es geht wieder durch kleine Ortschaften, die teilweise einspurig und mit Ampeln geregelt sind!
Kaffeepause nach dem Kurventanz
Ich vergesse vor lauter Glück das Fotografieren! In San Gregorio kurz vor L’Aquila ist es dann ein kleines Straßencafé, dass unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht! Es wird Zeit, Flüssigkeit zu tanken und die am Morgen getrunkene ebenso wieder loszuwerden. Meine inzwischen als Pappmache getrocknete Karte muss auch noch mal gewendet werden, bevor wir uns auf die noch vor uns liegenden Kilometer zu unserem heutigen Etappenziel machen.
Staunend am Gran Sasso
Nach unserem Kaffee verlassen wir die Hauptstraße so schnell, wie wir sie befahren haben. In Paganica tanken wir noch schnell die Motorräder voll. Wir haben zwar noch nicht so viele Kilometer auf der Uhr, aber in Italien weiß man ja nie, wann wieder eine Tankstelle kommt und ob sie dann über die Mittagszeit geöffnet hat! Mit vollen Tanks fühle ich mich dann doch wohler!
Wir klettern wieder in die Berge Richtung Assergi und wieder ist die Straße in einem fantastischen Zustand! Zum ersten Mal am heutigen Tag bremst uns für ein paar Kilometer ein echt langsamer LKW aus. Aber an der nächsten Baustellenampel können wir überholen und haben ab dann wieder freie Fahrt! In Assergi biegen wir nach links ab und fahren mit vor Staunen offenen Mündern Richtung Passo delle Capannelle. Wir sind im Appennin und die Landschaft ist so anders als noch eine Stunde zuvor. Über eine Kruppe kommt ein Longhorn Bulle auf uns zu und wacht über seine 20 hellgrauen Damen!
Fotostopp mit Schafsballett
Als wir einen kurzen Fotostopp machen, schauen wir eine Zeit einem Schäfer zu, der ziemlich unkoordiniert seine Schafe über die Wiese treibt. Erst treibt er ein einzelnes Tier zu allen anderen, dann scheucht er mit seinem Hund alle als Gruppe über die Wiese. Anschließend springt er in der Mitte in die Gruppe rein und teilt sie wieder, dann treibt dann alle als eine Gruppe wieder in die Gegenrichtung. Vielleicht üben sie aber auch fürs Ballett und haben in den nächsten Tagen eine Aufführung.
Am Lago di Campotosto entlang
Wieder sind es nur 4 Kilometer auf einer größeren Straße, bevor wir links zum Lago di Campotosto abbiegen! Geht es erst im Zickzack den Hügel hinauf, taucht auf einmal vor uns die Staumauer auf. Es ist schon ein komisches Gefühl zu wissen, dass genau dahinter gerade Unmengen an Wasser stehen.
Nächster Fotostopp ist an der Ponte delle Stecche. Sehr praktisch ist die geschlossene Fußgängerbrücke daneben. Ist eine Brücke kaputt, lässt man sie stehen und baut daneben einfach eine neue! Ob hier wohl in einigen Jahren viele Brücken nebeneinander stehen?
Die Gegend rund um den See ist einfach fantastisch. Öffentliche Grillplätze laden Camper und vermutlich auch Wochenendtouristen ein, hier ihre Zeit zu verbringen! Kann man hier auch baden? So einen richtigen Zugang zum See habe ich nicht entdeckt, aber wir waren auch immer ein paar Meter von der Uferlinie entfernt. Ein paar Motorradfahrer tauchen auf und verschwinden mit ihren Straßenmaschinen ebenso schnell wieder am Horizont. Die Straße ist hier zwar nicht wirklich schlecht, aber für die Straßenmaschinen – denke ich – wird es schon eine kleine Hoppelei!
Zeit für die Mittagspause
Wir umrunden den See fast vollständig, bevor wir uns auf den Weg nach Amatrice zurück ins Tal begeben. Versteckt hinter einem schmiedeeisernen Tor entdecken wir eine kleine Bar, wo wir im Schatten unter den Bäumen sitzend eine Kleinigkeit essen. Der Besitzer ist unglaublich nett, herzlich und selber Motorradfahrer. Wir sprechen ein wildes Gemisch aus Englisch und Italienisch und verstehen uns prächtig! Wir essen eine typisch ligurische Vorspeise und teilen uns danach eine klassische Pasta Genovese.
Auf Umwegen nach Norcia
Wir haben alles richtig gemacht, denn der Wirt fragt uns sogar noch, ob wir genug Benzin haben, da es in Amatrice keine Tankstelle mehr gibt. Haben wir ein Glück, dass wir vollgetankt haben!
Weiter geht die wilde Hatz durch das Kurvengeschlängel. In Fonte del Campo ist wegen einer Baustelle der Verkehr einspurig geregelt. Ich lache mich kaputt! Dieses wäre ein Albanien immer noch eine funktionstüchtige Bundesstraße ohne jedes Warnschild gewesen.
Wir biegen ab Richtung Norcia. Durch die ganzen Baustellenschilder und Umleitungsschilder und Schilder, für wen was wann verboten ist und zu welcher Uhrzeit die Straße gesperrt ist, entscheide ich mich gegen die eigentlich geplante kurvige Bergstraße, sondern bleibe auf der Hauptstraße Richtung Norcia. Ob diese Bauarbeiten auch noch mit den verheerenden Erdbeben zu tun haben oder ist die ganz normale Sanierung? Die Brücken werden anscheinend alle neu gebaut und sind teilweise einspurig. Die Tunnel dagegen scheinen schon vollständig renoviert zu sein. Gut beleuchtet können wir sie auf bestem Asphalt passieren.
Kaffeestopp in Sellano
Hinter Norcia geht es durch eine wunderschöne Schlucht am Fiume Corno entlang. Leider muss man hier den Italienern aber wieder sagen, dass Anschieben nicht hilft, damit es schneller geht! Hier ist auf 50 km/h beschränkt, ich fahre 70 km/h und sie drängeln trotzdem wie die Idioten! Da ist mir selbst das Fotografieren beim Fahren zu gefährlich, wer weiß auf was für die Ideen die kommen.
In Borgo Cerretoi biegen wir wieder ab und ich vergesse wegen der drängelnden Italiener und der Konzentration auf den richtigen Abzweig, dass wir hier schön einen Kaffee trinken wollte. Ist aber nicht schlimm, fahren wir halt weiter. In Sellano sehe ich auch noch drei oder vier Cafés auf dem Navi aufblitzen, bis dahin schaffen wir es ja wohl noch!
Was für ein hübsches Dörfchen Sellano doch ist. Aber leider, aber leider sind alle angezeigten Cafés entweder nicht mehr vorhanden oder geschlossen. Also sitzen wir wie bestellt und nicht abgeholt auf einer Mauer, quatschen ein bisschen und regen uns auf. Schauen wir mal, ob sich uns nicht noch später ein Café in den Weg wirft.
Schreck in der Abendstund
Wir verlassen Sellano und machen uns auf, die letzte Dreiviertelstunde zu unserem heutigen Etappenziel unter die Räder zu nehmen. Natürlich ist am Ortsende von Sellano tatsächlich ein kleines Café, dies lasse ich aber jetzt auf der rechten Seite links liegen. Die S319 ist in recht gutem Zustand und wir können es ordentlich laufen lassen. Kurz vor Foligno müssen wir dann noch mal kurz auf die autobahnähnliche S3 abbiegen. Das System soll einer verstehen! Man kann alle 500 Meter über kleine Brücken wenden und muss daher immer wieder zwischen einer Abfahrtsspur, einer Wendespur und der eigentlichen Fahrspur wechseln. Aber auch das bekommen wir hin und rollen um 17 Uhr auf den Parkplatz bei unserem Agritourismo Monte Cologna.
Beim Einchecken sollen wir unsere Papiere vorlegen und Monika fällt auf, dass ihre Beintasche mit allen Papieren weg ist. Mit Führerschein, Fahrzeugschein, Ausweis, Geld und Ersatzschlüssel! Vermutlich haben wir sie in Sellano auf der Mauer liegen gelassen! Guter Rat ist teuer. Es gibt nur eine Möglichkeit: zurückfahren und nachschauen!
Also hüpfen wir nach “nur” 360 Kilometern wieder auf die Motorräder und fahren in wilder Jagd die 40 Kilometer zurück nach Sellano. Aber dort ist auf dem verschlafenen Platz weit und breit keine Tasche zu sehen. Eine junge Italienerin hilft uns rührend, ruft noch Freunde aus dem Dorf an, aber die Tasche bleibt unauffindbar! Also muss Monika sofort ihre EC-Karte sperren und morgen den Verlust bei der Polizei melden!
Als wir wieder zurück nach Foligno fahren, steht die Sonne schon extrem tief. Eine Hand vor der Helm nützt auch jetzt nichts mehr, denn dann sieht man die Straße überhaupt nicht mehr. Also luge ich durch meine gespreizten Finger auf die Fahrbahn und bin froh, als wir um 19 Uhr nach nun insgesamt 420 Kilometern zum zweiten Mal auf den Hof rollen!
Die Besitzer sind zauberhaft und fragen aufgeregt, ob sich alles zum Guten gewendet hat. Wir dürfen die Motorräder mitten auf der Terrasse sicher abstellen und unser kleines Einzimmerappartement beziehen. Das bisschen Käse und etwas Brot, was sie uns bereitstellen wollen, entpuppt sich als großzügige Wurstplatte und mehreren Bruschetta in verschiedenen Ausführungen! Das bekommen wir im Leben nicht alles gegessen! Eine kleine Karaffe Rotwein später haben wir dann auch die Polizeistation für den nächsten Morgen schon im Internet ausfindig gemacht und so halbwegs den kommenden Tag geplant. Pläne sind halt da, um sie auch mal zu verwerfen!
Gute Nacht!
Anmerkungen des Tages:
Anmerkung 1:
Sträflich habe ich beim gestrigen Bericht das Wichtigste des Abends vergessen. Monika hat mir eine Rückenmassage verpasst und wenn wir nicht hätten essen gehen wollen, wäre ich einfach so auf dem Bett liegen geblieben.
Anmerkung 2:
Wusstet ihr eigentlich, dass halbfeuchte Karten nach dem Falten besser in Form bleiben, wenn man sich den Rest der Kaffeepause draufsetzt.
Anmerkung 3:
In den nicht beleuchteten Tunneln habe ich mir meine Sonnenbrille bis unter die Nase gezogen. Wisst ihr eigentlich, wie aufwendig es ist, die Nasenbügel wieder aus den Nasenlöchern herauszubekommen?!
Anmerkung 4:
In der Bar in Amatrice gab es graues Toilettenpapier! Habt ihr schon mal graues Toilettenpapier gesehen! Cool!
Anmerkung 5:
Heute waren zwei lustige Ortsnamen auf unserer Reise. Einmal konnte man rechts nach “Opi” abbiegen und auf meiner Karte tauchte der Ort “Bussi” auf.
Anmerkung 6:
Google sagt, dass das Longhorn Rind im Appenin ein ungarisches Steppenrind gewesen sein kann. Vom Aussehen würde es passen.
Anmerkung 7:
Spoilern gilt nicht. Selber lesen, was am nächsten Tag passiert ist.
Die Route:
Hach… Jetzt ist wirklich vorbei. Schade.
Es war wieder schön, mit euch zu reisen und die Welt kennen zu lernen! Danke dafür.
Hat Monika mittlerweile ihre Sachen wieder?
Liebe Grüße