Frühaufsteher
Guten Morgen Foligno! Die Nacht auf der Fähre war gut. Ach nein, wir waren ja gar nicht auf einer Fähre, wir hatten nur eine gemeinsame Matratze mit extrem weicher Federung. Hat sich eine von uns beiden bewegt, hat es die andere fast aus dem Bett geschaukelt und umgekehrt! Wir sind müde, aufgeregt und mal gespannt, wie eine Verlustmeldung bei einer italienischen Polizei funktionieren wird. Jetzt wischen wir uns erstmal den Schlaf aus den übermüdeten Augen, packen zusammen und sehen dann weiter.
Das Frühstück ist wirklich lecker, fällt für uns aber recht kurz aus, da wir noch zur Polizei in Foligno möchten. Wir packen also unsere Motorräder und rollen um 8:15 Uhr vom Hof. Der Morgendunst hat sich verzogen und wir genießen die Ausblicke auf unserem Weg bergab in die Stadt.
Die Polizei in Foligno
Kurz vor der von uns herausgesuchten Adresse der “policia” ist leider die Straße gesperrt. Da läuft uns ein netter Polizist über den Weg, den wir erst mal nach der besten Umfahrung fragen. Zack – schon wieder etwas gelernt! “Policia” ist nur die lokale Polizei, wir müssen zu einem “Commissariato P.S.”, bekommen aber auch gleich die Adresse mitgeteilt. Über das Navi ist die Suche und das Finden ja heute keine Zauberei mehr, aber den Verkehr in Foligno hatten wir uns wirklich schlimmer vorgestellt. Schnell stehen wir in der Nähe des Kommissariats, müssen aber nun bis 9 Uhr warten, bis Monika die Verlustmeldung aufgeben kann.
Die Italiener haben es nicht so eilig wie wir und um 10 Uhr sitze ich immer noch auf der Treppe irgendwo in Foligno und warte auf Monika!
Es ist 10:30 Uhr, als Monika die Polizeistation wieder verlassen kann. Der Beamte konnte kein Wort Englisch und hat nach jedem Wort, das er getippt hat, einen Schluck Tee getrunken. Aber die Meldung ist aufgenommen und sie hat alle wichtigen Papiere für Deutschland. Im Nachhinein ist es also eher erstaunlich, dass sie dann doch so schnell fertig war. 😉
Fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn
Da es schon so spät ist und wir heute ordentlich Kilometer machen müssen, setzen wir uns direkt auf die Autobahn und fahren erst einmal an Perugia vorbei, lassen Citta di Castello rechts liegen, ignorieren Sansepolcro und fahren nach 90 Kilometern in Bangno di Romagna erst wieder ab. Es gibt unterwegs einige Baustellen auf dieser Strecke, an denen eigentlich eine 40 km/h Beschränkung gilt. Da aber selbst die Fahrschule mit ungefähr 80 km/h durch diese Baustelle brettert, fahren wohl alle genauso, wie sie es gelernt haben.
Dringender Stopp – gute Nachrichten
Wir müssen unvorstellbar dringend den Tee wegbringen, den wir heute morgen um 7:30 Uhr zu uns genommen haben. Das war vor 4 Stunden! Eine kleine Bar am Straßenrand ist da zwar nicht der romantischste, aber der erleichterndste Ort für einen Pausenstopp. Wir bestellen unsere Getränke, bringen die schon getrunkenen wieder weg und ich streite mich mit meinem Navi. Es macht Zicken und hat scheinbar keinen GPS Empfang mehr. Dafür gibt es eine sehr gute Nachricht! Bei der Polizei in Sellano wurde Monikas Tasche abgegeben und wir müssen jetzt nur noch schauen, wie wir diese nach Deutschland bekommen. Aber sie ist da, alles andere wird sich regeln.
Auf in die Berge
Die Pause hat uns allen gut getan. Monika und mir zum Entspannen und Ausruhen, meinem Navi, um wieder GPS-Empfang zu haben! In wenigen Kehren klettern wir oberhalb von San Piero in Bagno auf den Colle del Cornaio. Endlich wieder kleine Straßen, enge Kurven, an die wir uns aber nach 100 Kilometern auf der Autobahn auch erst einmal wieder gewöhnen müssen. Links, rechts, rechts, links, weiter Kurven, enge Kehren – so schlängelt sich die Straße bis Santa Sofia.
Gedanken nach Santa Sofia
In Santa Sofia scheint der Nabel der Welt zu sein! Hier ist die Straße im Verhältnis zu vorher echt breit und unglaublich viel Verkehr fährt hier durch die Gegend. Was machen die Leute alle hier? Es ist witzig, hier irgendwo im Nirgendwo ein Schild Richtung “FIRENZE” also nach Florenz zu sehen. Ich wäre schon froh, wenn ich das nächste Dorf finden würde.
Im Vergleich zu den letzten Tagen sind heute viele Insekten in der Luft. Mücken schlagen in den Helm ein und ich mache mal lieber mein Visier zu. Da fällt mir ein, was ich in der Pause machen wollte: Visier putzen! Genau dort, wo ich durchgucken möchte, hat sich vorhin irgendein Fügeltier verteilt, großflächig! Als wir auf Rocca San Cascanio zu rollen, ist endlich mal die befestigte Straße wieder zu Ende! Aber schon ärgere ich mich wieder: Der Kies ist schön festgefahren, es ist auf einer Geraden und die Stelle ist tatsächlich nur 20 Meter lang! Das soll eine Herausforderung sein?! Können die das nicht wenigstens in einer Kehre machen oder ohne Ankündigung! 😉
Erzwungene Mittagspause
Aber damit uns nicht zu langweilig wird, ist auf der anderen Straßenseite von Rocca San Casciano die Straße über den Monte Pratello nach Modigliana gesperrt – und zwar so richtig, für alle und überhaupt und generell. Da es kurz vor 14 Uhr ist und wir jetzt eh neue Pläne machen müssen, nutzen wir auf der Bank vor einer kleinen Kirche die Zeit für eine Pause.
Forli, Faenza, Imola
Wir haben umgeplant. Unser nächstes Ziel ist jetzt Forli, welches wir über die S67 ansteuern! Die Straße ist schon wieder deutlich größer als die zuletzt gefahrene, aber was haben wir für eine Wahl! Wir umfahren Forli auf einer recht neuen Umgebungsstraße.
Jetzt wird es dann eher langweilig. Parallel zur Autobahn fahren wir durch Faneza und Imola, wo sich der Verkehr am schlimmsten staut. Autos, Kreisverkehre, Ampeln oder Baustellen bremsen uns dann doch sehr aus! In Poggio überqueren wir die Autobahn und sind wieder erst einmal auf kleinsten Landstraßen unterwegs, bevor wir uns bei Villa fontana wieder auf die eigentliche Umfahrung von Bologna begeben.
Kaffeestopp am Lost Place
Es herrscht viel Verkehr auf der Umfahrung von Bologna, aber wir kommen trotzdem ganz gut voran. Wir brauchen aber dringend eine Pause, immerhin sitzen wir seit über 3 Stunden ununterbrochen auf dem Motorrad. Ich halte an der vermutlich trostlosesten Tankstelle dieser Gegend. Das Tankstellencafé hat immer nur bis 13:30 Uhr geöffnet, sämtlicher Sprit ist ausverkauft und ein seltsam anmutendes Werbearrangement wartet auf nicht mehr kommende Gäste.
Uns ist gerade alles egal. Wir sitzen im Schatten, es läuft von irgendwoher Musik und seltsame Lkw-Fahrer bevölkern den Parkplatz und wundern sich wie wir über die Öffnungszeiten. Okay, hier werden wir nicht alt.
Italienische Fahrweise
Wir machen uns auf die letzten Kilometer Richtung Ostiglia, unserem heutigen Etappenziel! In großen Bogen umrunden wir San Giovanni in Persiceto. “IN 300 METERN” brüllt es in mein Ohr! Wo die letzten zwei Stunden Stille war, muss mitten in einer Unterführung nun mit 90 Dezibel mir mein SENA-Lautsprecher eine unvollständige Richtungsanweisung geben. Was genau passiert in 300 Metern? Landet dort ein Ufo? Zerstört sich mein Motorrad? Wir bleiben bei unserer italienischen Fahrweise, orientieren uns dabei aber komplett an dem uns umgebenden Verkehr. Lassen Sie es laufen, tun wir es auch. Fahren sie urplötzlich alle vorschriftsmäßig, halten wir das auch für eine gute Idee!
Ewige Weite, verfallene Häuser
Was wird hier in dieser Gegend eigentlich angebaut? Die Felder sind alle schon abgeerntet und es sieht derzeit nicht aus, als wäre schon etwas Neues gepflanzt. Unendlich viele verlassene Häuser stehen links und rechts der Straße! Es wirkt fast trostlos in der sinkenden Herbstsonne.
Es geht zwar immer geradeaus und ist nicht besonders spannend, aber nicht halb so anstrengend wie an Dienstag, als wir von Bari aus uns durch den stürmischen Wind gekämpft haben. In den Orten müssen wir allerdings höllisch aufpassen, da wir im Berufsverkehr unterwegs sind und die Leute von den Einkaufszentren rechts und links der Straße wild abbiegen oder sich zurück in den Verkehr drängeln! Wir durchfahren eine nicht zu zählende Anzahl an Kreisverkehren, die einen zwar auf der einen Seite irgendwann nerven, auf der anderen Seite für mich aber immer noch die beste Lösung für fließenden Verkehr sind!
Endspurt
Obwohl wir auf der S12 – einer Bundesstraße- sind, wird die Straße irgendwann immer schlechter und kleiner, schlängelt sich aber tapfer weiter nordwärts. So langsam reicht es mit dem Fahren und mit dem Sitzen! Ich jubel innerlich, als die Restkilometeranzeige nur noch einstellig ist. Wir haben immerhin schon fast 360 km unterm Hintern und das, wo wir heute erst um 10:30 Uhr in Foligno starten konnten. Wir überqueren den Po und haben nun noch wenige Meter bis zu unserem Hotel.
In Ostiglia biegen wir dankbar auf den Hotelparkplatz vom Hotel Doria ab, wo wir unsere Motorräder sicher im Hinterhof abstellen können. Es gibt einen Pool, den wir uns normalerweise nicht entgehen lassen. Aber heute möchten wir nur noch die Füße hochlegen.
Hatten wir heute morgen noch große Sorgen, ob wir die Etappe heute gut schaffen können, liegen wir zwar müde, aber zufrieden in unseren Betten. Morgen ist der letzte gemeinsame Reisetag. Wehmütig sagen wir uns Gute Nacht!
Anmerkungen des Tages:
Anmerkung 1:
Es ist in dem ganzen Streß total untergegangen. Das Agrotourismo Monte Cologna ist wunderschön gelegen, hat zauberhafte 4 Zimmer bzw. 1-Zimmer-Appartements incl. Frühstück und betreibt am Wochenende auch ein Restaurant. Gerne bieten Sie aber auch eine Essensplatte aufs Zimmer an, wenn das Restaurant geschlossen hat. Für uns ein traumhafter Ort, den man noch einmal besuchen muss.
Anmerkung 2:
Die Bank vor der Kirchen in Rocca San Cascadia stand nicht immer schon vollständig im Schatten. Seit heute schon!
Anmerkung 3:
Die italienischen Autofahrer in den Abruzzen, Apulien und hier sind viel entspannter, als in der Gegend direkt hinter Bari. Vielleicht ist das Temperament einfach weniger hitzig! Aber an der Stelle vermisse ich wirklich die anarchischen, aber absolut tiefen entspannten Albaner!
Anmerkung 4:
Was ich dagegen überhaupt nicht vermisse, sind die albanischen Autos! Es gibt in Albanien quasi kein Auto oder Bus, der sich nicht furchtbar stinkend und rußend durch die Gegend quält. Ich habe, glaube ich, noch nie so viel Dreck eingeatmet. Dagegen sind es hier in Italien vereinzelte Fahrzeuge, die so vor sich hin stinken.
Anmerkung 5:
In der vorherigen Anmerkung stimmt etwas nicht. Ich habe neben unvorstellbar vielen alten und stinkenden Autos auch selten so viele SUVs und Neuwagen deutscher Fabrikate gesehen wie in Albanien.
Anmerkung 6:
Ich habe eine unglaublich schlechte Haut bekommen während dieser Reise. Jetzt dämmert es mir! Ich habe jeden Tag versucht, den Ruß und den Dreck, der aus den Autos kommt, mit mehreren Schichten Sonnencreme zu konservieren! Ich glaube, das hat funktioniert.
Anmerkung 7:
Ich muss mir Videos drehen auf unseren Reisen. Wie Monika heute abend mit dem Käse ihrer Pizza kämpft, wäre definitiv ein kurzes Video wert. So kann ich davon nur schreiben. Morgen erkläre ich euch, wie sie wieder aus dem Käse befreit hat.
Anmerkung 8:
Das Bier wirkt! Ich glaube, das ist heute das schönste Gefühl des Tages.
Die Route:
Vielleicht habe ich die Info ja irgendwo übersehen: hat sich nur die Tasche wieder eingefunden oder auch der Inhalt?
Hallo Julia,
wie vor kurzem schon an anderer Stelle geschrieben – schön, wieder was von Dir resp. Euch zu lesen.
Ich war letztes Jahr als auch heuer mit dem Motorrad in Umbrien, meine Weg dahin führte mich durch die Gegend, die auch Ihr auf der Rückfahrt passiert habt (Forli, Rocca San Casciano, Galeata, Santa Sofia, …).
Ich habe die Sperrungen an einigen Stellen ignoriert, weil ich bewusst bis zur Sperrstelle vordringen wollte, ehe ich mich nach einer Alternative umsehen müsste; etliche dieser Einschränkungen bezogen sich ohnehin nur auf Fahrzeuge > 3,5 t.
Einige Sperrungen waren jedoch durchaus auch komplett (wie auf Deinem Bild oben; von denen habe ich nur eine ignoriert, konnte dort aber durchfahren…).
Der Hintergrund m.E.: Im Frühjahr hatte die Region mit erheblichen Niederschlägen zu kämpfen, sodass einige Straßen unter- oder ganz weggespült wurden. Das war zumindest mein Fazit nach Passage der “gesperrten” Strecken, weil dort links und rechts der Straße etliche Erdmassen lagen…
Ansonsten – vielen Dank für Deinen Reisebericht, hat großen Spaß gemacht, Euch zu folgen…
DLzG, ciao, R.
Danke dir