Alles ein letztes Mal
Guten Morgen Ostiglia! Ein letzter gemeinsamer Morgen, ein letzter Morgen in einem Hotel, ein letztes Mal alles zusammenpacken, ein letztes Mal im Bad umeinander herumtanzen! Wie immer sind wir natürlich früh wach und können auf das Weckerklingen warten! Wir sind – glaube ich – etwas müde nach 15 Tagen, das Licht ist zu hell, das Wasser zu nass und die Luft zu warm! Wir packen mühsam unsere sieben Sachen zusammen, beladen wie immer die Motorräder noch vor dem Frühstück und gehen dann in Ruhe frühstücken.
Es ist ruhig und gemütlich im Frühstücksraum und wir genießen die paar Minuten, die wir noch haben! Um 8:15 Uhr rollen wir aber dann doch vom Hof und steuern die direkt neben dem Hotel liegende Tankstelle an. Unsere beiden Damen sind durstig.
Durch die Lombardei
Um 8:30 Uhr schaffen wir es dann endgültig von der Tankstelle auf die Straße und dann auch aus Ostiglia hinauszurollen. Wir starten unsere letzte gemeinsame Etappe. Fahren wir zunächst noch auf der S12, verlassen wir diese schon nach wenigen Kilometern noch vor Nogara. Über kleine Landstraßen schlängeln wir uns richtig Richtung Bovolone. Rostende Autos und verlassene Anhänger liegen verschlafen in den taufeuchten Wiesen.
In Bovolone bremst uns ein Bahnübergang aus, wo wir minutenlang warten, ohne dass ein Zug kommt. Was dann nach gefühlten zehn Minuten Wartenzeit an uns vorbei fährt, ist nicht der erwartete Güterzug mit 46 Waggons, sondern eine kleine Regionalbahn, die eher ein Schienenfahrzeug als ein Zug ist. Mir stinkt es! Ich glaube, wir fahren durch einen Schweinezuchtbetrieb nach dem anderen! Nun ja, wenn wir nicht an Rollrasenfarmen vorbei fahren.
Willkommen Venetien
Wir haben inzwischen die Lombardei verlassen und haben Venetien betreten. Vor Oppeano überqueren wir die viel befahrene Autobahn nach Verona. Wir sind immer noch recht einsam auf unseren kleinen Straßen unterwegs. Hinter Zevio ist es dann vorbei mit der Romantik! Es hilft nichts, wir müssen Verona umrunden. Wir schlagen uns mutig auf die östliche Tangente und überqueren die gefühlt 18 Fahrspuren der Schnellstraßen und der Autobahn! Was für ein Gewusel und was für ein Verkehr.
Parco Regionale della Lessina
Auf der Tangente geht es besser und entspannter, als ich dies gedacht habe. Wir erreichen ohne Probleme die Straße nach Grezzana, wobei diese Straße viel größer ist, als ich sie auf meiner Karte vermutet habe. In Stallavena verlassen wir die Straße und orientieren uns Richtung Lugo und Erbezzo. Es wird kalt! Keine 14 Grad wehen um unsere müden Nasen! Kehre um Kehre klettern wir die Straße nach Erbezzo hoch und wenn wir denken, höher geht es nicht mehr, kommen wieder ein paar Kehren. Wir sind erstaunt, wie viele Gemeinden und Örtchen sich auf dieser Hochebene befinden.
Ich halte kurz am Straßenrand. Mein Handy hat geklingelt. Es gibt gute Nachrichten aus Island. Dort ist im Moment meine Nichte in Urlaub, die fließend italienisch spricht und mit dem Polizisten in Sellano den Versand von Monikas Beintasche nach Deutschland organisiert hat! Ich glaube, über mehr Kilometer und Länder ist selten eine Nachsendung organisiert worden.
Passo Fittanze
Der Passo Fittanze mit seinen 1399 Metern Höhe ist unser nächster Stopp. Es fühlt sich an, als wären wir viel, viel höher! In der Ferne sehen wir im trüben Licht die schneebedeckten Berge, essen ein paar Kekse, bevor wir uns auf das wilde Geschlängel runter nach Sdruzzulina. Auf meiner Straßenkarte steht ein bedrohliches Gefälle von 22 %, was mich irgendwie mit meinen Erfahrungen aus Albanien schon wieder unsicher macht.
Man kann es sich kaum vorstellen, wie steil man sich wirklich am Berg wieder ins Tal zur Etsch schlängelt, aber die Straße ist einfach und fantastisch zu fahren, dagegen ist das Stilfser Joch eine echte Herausforderung. Umsonst Sorgen gemacht!
Kaffepause im Tal
In Ala haben wir schon über 110 Kilometer hinter uns und wir haben uns eine kleine Pause verdient. Eine nette Bar auf der linken Seite ruft geradezu nach uns und wir lassen uns bei Cappuccino und Wasser für ein paar Minuten nieder. Haben wir gestern und heute kaum Motorradfahrer gesehen, so fahren jetzt wieder Horden von ihnen an der schattigen Terrasse vorbei. Ach ja, es ist ja langes Wochenende in Deutschland!
Immer an der Etsch entlang
Wir müssen einmal im Tal an der Etsch entlang bis hinter Trient. Wir versuchen es erst mal auf der Landstraße, sonst geht es ein paar Kilometer dann doch auf die Brennerautobahn – Maut hin oder her.
Es läuft gut, als wir Ala verlassen! In Rovereto staut es sich zwar ein bisschen an einer Baustelle, aber ansonsten kommen wir wirklich hervorragend durch. Ich verwerfe meinen Plan von der Brennerautobahn und bleibe auf der Bundesstraße bis Trient. Was für ein Glück! Als wir parallel zur Autobahn fahren, sehen wir ein riesiges Warnschild vor 6 km Stau! Na, da hätten wir uns für die Mautgebühr aber mal schön angestellt! So müssen wir immer nur schauen, dass wir dicht beieinander bleiben und haben Trient schneller hinter uns gelassen, als wir gedacht haben!
Durch den Berg zur Mittagspause
Wir halten uns Richtung Mezzolombardo und machen erst einmal das, was Monika so gerne macht: Durch einen langen, langen Tunnel fahren! 😉 Mitten durch den Berg und dann noch in Kurven! Sie mag das Gefühl, wenn über ihr abermillionen Tonnen von Steinen ruhen. TomTom lotst mich von der Hauptstraße herunter und ich nutze einen kleinen Parkplatz, um die Karte zu drehen. Hier schon so kleine Straßen? Es war mal wieder ein TomTom-Scherz, denn kurz danach lotst mich mein Navi wieder auf die große S43 Richtung Coredo. Dort geht es dann aber für uns wirklich von der Hauptstraße ab und wir folgen der kleineren 43d Richtung Fondo. Schade, ein etwas langsamer Transporter bremst uns dann doch für längere Zeit ein wenig aus. So verrückt wie der Bad Tölzer Motorradfahrer wollen wir dann aber auch nicht überholen, blind in Linkskurven rein und Harakiri zwischen dicht hintereinanderfahrene Autos quetschen!
Wir sind mitten in den Apfelplantagen von Südtirol und jetzt dämmert es mir langsam. Auf der Rückfahrt von Sardinien sind wir auch über Fondo gefahren und haben uns noch über die vielen Apfeltransporter gewundert, die unsere Fahrt spät abends etwas ausgebremst haben!
In der Albergo Villa Nova in Romeno setze ich den Blinker links. Es ist Zeit für eine Mittagspause! Dass wir bei dem Gasthaus-Namen so eine Auswahl aus verschiedenen indischen Gerichten haben, hätten wir nicht gedacht! Aber Gott sei Dank gibt es auch ganz einfachen Salat, der das Mittagessen unserer Wahl wird.
Ich habe einfach ein Händchen für Mittagspausen. Während wir versuchen uns zu unterhalten, versucht nebenan ein Straßenarbeiter mit hartem Geschütz die Straße aufzureißen!
Wunderschöner Gampenpass
Nach der Mittagspause fahren wir noch durch Fondo und dann geht es auf einen meiner Lieblingspässe, den Gampenpass! Er ist nicht besonders anspruchsvoll zu fahren und geht auch nicht in unendliche Höhen, aber die Ausblicke runter in das Tal zwischen Bozen und Meran sind einfach unglaublich! Leider hindern diese Ausblicke mich auch daran, den Pass halbwegs gescheit zu fahren, weil ich mich zwischen fahren, gucken, fotografieren und wieder fahren einfach nicht entscheiden kann.
Der Gampenpass liegt nachmittags auf der Schattenseite des Berges und es ist wirklich angenehm, dass ein bisschen kühle Luft um uns weht. Als wir dann aber durch Lana und Marling fahren, wird es schon wieder merklich wärmer! Willkommen in Meran!
Wehmütig im Vinschgau
Es ist Freitag und alle nutzen noch mal das schöne warme Wochenende. Dementsprechend geht’s zuerst langsam durch Meran und dann verlieren wir die nächsten 10 Minuten auf der Strecke Richtung Algund hinauf! Den Gegenverkehr trifft es aber härter, sie stehen bis weit weit ins Vinschgau hinein.
Auch hier sind alle mitten in der Apfelernte und man muss immer wieder abbremsen, wenn Apfeltraktoren die wenigen Lücken im fließenden Verkehr nutzen, um die Straße zu queren. In Laas habe ich dann erst einmal die Nase voll. Ich kenne den Gasthof Sonne noch von meiner Sonnenaufgangstour zum Stilfser Joch mit Jürgen Theiner von www.motorprosa.com und weiß, dass man dort fantastisch im Schatten sitzen kann! Also setze ich den Blinker, wir parken die Motorräder und machen eine letzte gemeinsame Pause auf unserer Reise. Wir sind wehmütig.
Langsamer Endspurt
Unmittelbar vor uns fährt eine Landmaschine auf der Bundesstraße Richtung Reschenpass! Hinter jeder Biegung hoffe ich, dass hier sein Hof ist, aber ich glaube, er will bis nach München vor uns herfahren! Hinter Mals ist es dann soweit und wir nutzen die erste Gelegenheit, um sie zu überholen! Dies ist in der endlosen Schlange an Wochenendgegenverkehr gar nicht so leicht! Zügig fliegen wir den Reschenpass hinauf. Der Haiderssee liegt schon im Schatten und es wird schlagartig wirklich kalt. Wir merken nicht nur an den Temperaturen, sondern auch an den rotleuchtenden Wäldern, dass es langsam Herbst geworden ist!
Weiter geht es vorbei am Reschensee, der inzwischen wieder gut gefüllt ist und aussieht, als wäre er niemals leer gewesen! An der Grenze zu Österreich haben wir unsere 14. Grenzüberquerung! Unglaublich! Den Reschenpass hinunter durch die Tunnel bummeln wir hinter zwei Wohnmobilen her. Ich habe die Sonnenbrille auf und im Schatten ist es eh schon schwer genug mit gucken, aber in den Tunneln würde ich vermutlich direkt vor die Wand fahren.
Angekommen
Der Rest der Strecke ist wirklich unspektakulär und wir kommen zügig bis nach Ried voran, wo wir die Motorräder noch mal bis unter die Oberkante voll tanken! Es sind noch 8 km rauf bis nach Fiss, wo wir ziemlich pünktlich um 18 Uhr wieder in die Garage rollen, die wir vor 15 Tagen morgens um 8 Uhr verlassen haben! Eine aufregende Zeit ist vorbei und ich bin froh, als ich vom Motorrad absteigen kann. Ich beneide Monika gerade nicht, dass sie morgen noch einmal 550 Kilometer nach Hause fahren muss!
Wir lassen den Abend in langer Unterwäsche und mit einem überbackenen Toast sehr gemütlich ausklingen! Ein letztes Mal werden Fotos sortiert und kopiert und dann schlafen Monika und ich auch seit 15 Tagen zum ersten Mal wieder in getrennten Zimmern! Gute Nacht Österreich!
Anmerkungen des Tages:
Anmerkung 1:
Italienische Autos brauchen in der Regel keinen Blinker! Es ist oftmals so, dass sie rechts ranfahren, um dann links abzubiegen, oder im Stadtverkehr einem die Überraschung gönnen, nicht zu wissen wo sie hinwollen. Ab und an wäre es schon ganz hilfreich zu blinken.
Anmerkung 2:
Wir haben heute mal durchgezählt. Es waren sieben Länder und zwölf Grenzübertritte, für Monika dann acht Länder und vierzehn Grenzen und das alles in 15 Tagen.
Anmerkung 3:
Monikas Motorrad ist sehr dreckig! Da bin ich nicht ganz unschuldig dran! Gestern hatte ich mein Scottoiler verstellt und ungefähr die Hälfte des Öls Stück für Stück vorne auf ihrer Scheibe und Lampe verteilt. Heute war es dann ein dicker Kuhfladen, den ich zu spät gesehen habe und erst in mein Reifenprofil und dann Stück für Stück wieder auf ihr Motorrad katapuliert habe.
Die Route:
War schön mal wieder bei euch mit zu reisen. Danke fürs tägliche Bloggen!
Danke, ich freue mich, wen ich damit anderen auch eine kleine Freude machen kann…
Es erstaunt mich immer wieder, wie Du es schaffst, unterwegs jeden Tag direkt für das Blog aufzubereiten. Hut ab! (bzw. Helm ab!)
Es hat wie immer Spaß gemacht, danke schön!
Danke schön… ja, es erfordert ein bisschen Disziplin, macht aber auch sofort irren Spaß, wenn man dann dran sitzt! Einen Tag muss ich ja tatsächlich nachliefern, da ich zu müde war
Hoffentlich findet ihr bald wieder Zeit für eine weitere Reise. Das ist sehr kurzweilig euch zu folgen. Danke dafür !
Danke fürs folgen, kommentieren und teilen… das ist die größte Motivation
Kompliment, toller Blog. Schade, dass eure Reise schon wieder vorbei ist, ich warte sehnsüchtig auf die nächste
Danke dir…. Wir auch, aber das dauert leider noch..
Danke dir
Herzlichen Dank für die Berichte, 14 Tage waren schon eine Herausforderung. Nach 24 Tagen auf ähnlicher Route ist meine Tochter total platt gewesen und hat erst einmal das Moped in die Ecke gestellt. Bin gespannt, was euch für die nächste Mädchen-Motorrad-Tour einfällt.
Hallo Hergen, ja, es waren 14 anstrengende Tage, du warst ja gedanklich und virtuell teilweise mehr damit befasst als andere wissen 😉
Wir planen schon 2024, wird aber bunt mehr so abenteuerlich… wir brauchen nicht jedes Jahr so viel Abenteuer
Ich hatte deine Berichte schon vermisst und befürchtet, es wird nicht mehr motorradgereist. Vielen Dank für den Bericht!!!!
Vielen Dank für’s Mitfahren dürfen.
Hat mal wieder Spaß gemacht.
Gerne wieder
Hallo Jule, schön zu lesen, dass ihr heil in Fiss gelandet seid. Lieben Dank fürs Mitreisen lassen, die spannenden und humorigen Momente zu teilen
@Moni … Hast du alles Wichtige aus Italien zurückbekommen?
Liebe Julia, liebe Monika
es ist eine Freude, Euch lesender Weise und mit vielen Bildern auf Euren Touren zu folgen, ich hoffe sehr, dass Ihr sehr bald schon Zeit und Lust verspüren werdet, wieder gemeinsam zu reisen.
Vielen Dank für den traditionell spannenden und unterhaltsamen Bericht!
Lieber Heinz, ganz lieben Dank für deinen Kommentar… Ich freu mich immer, wenn ich mitbekomme, dass doch viele Interesse an den Berichten haben und mitlesen…
Immer wieder fesselnd wie du deine Berichte jeweils am Abend noch schreiben kannst.
Ich bin leider nicht mal dazu gekommen, diese alle Zeitnah zu lesen.
Aber eine spannende Reise auf der ihr viel Erlebt habt. Danke dass man über deinen Blog dabei sein konnte.
Hallo Marco, danke fürs mitreisen, zumindest virtuell und zeitweise… 😉
Liebe Julia,
ich habe über Tage mitgefiebert, mich mit gefreut und mir vorgestellt, wie es wohl wäre selbst dort zu fahren.
Ihr habt es gemacht und ward da, ein wunderbar kurzweiliger Reisebericht. Dankeschön dafür, eine tolle Inspiration für die nächste Saison, liebe Grüße, Frank
Hallo Frank, schön dass du mitgefahren bist und mitgefiebert hast… Wir planen schon 2024….