Stockfinsterer Morgen
Guten Morgen stockfinsteres Juzet. Ich kann gar nicht glauben, dass es schon fast 7 Uhr ist! Es ist finstere Nacht. Die Betten waren fantastisch, und wenn ich nicht die ganze Nacht über die heutige Route gegrübelt hätte, dann hätte ich auch gut schlafen können. Ich weiß aber gar nicht, warum mich das so hat grübeln lassen!
Wir haben für 7:30 Uhr Frühstück bestellt und im Rest des Hauses ist es noch totenstill. Klammheimlich und mit leisem Ziehen und Schieben drehen wir die Motorräder schon einmal in Fahrtrichtung um. Wie immer werden vorm Frühstück auch noch die Rollen aufgeladen.
Der Frühstückstisch ist total liebevoll gedeckt! Es gibt dreierlei selbstgemachte Marmeladen, tolles frisches Brot und Butter aus der Region. Wer einmal in dieser Region Urlaub machen möchte, der sollte in dieses Chambres-d’hotes gehen. (Info gerne auf Anfrage)
Wir schaffen es tatsächlich, kurz vor 8:15 Uhr vom Schotterparkplatz zu rollen und uns auf den Weg nach Spanien zu machen! Es liegen viele kleine Pässe vor uns und wir hoffen, dass das Wetter hält.
Gedankenverloren in der morgendlichen Stille
Bei frischen 8 Grad genießen wir die Ruhe des Morgens! Je höher wir kommen, desto wärmer wird es! Mir beschlagen sogar die Motorradspiegel. Gravillon am Morgen, macht Kummer und Sorgen! Mir schlägt es auf einmal das Vorderrad weg und ich bin schlagartig wach! Okay, auch ohne Warnschilder wird hier Rollsplitt verteilt.
Ich sitze auf einer Falte meiner Motorradhose und bekomme diese nicht weg. Auch den Gedanken an diese Falte in meiner Motorradhose bekomme ich nicht weg. So hänge ich – wie vermutlich auch Monika – auf den ersten Kilometern sinnlosen Gedanken nach. Ich begrüße den Col des Ares – immerhin ist er der erste Col auf unserer heutigen Route. Ob ich wohl zählen kann, wie viele wir bis zum Abend unter die Räder genommen haben werden? Aus dem Nichts heraus bellt mich ein Hund von einem Hof an. Das Bellen reicht, um mich fast vom Motorrad zu schmeißen! Wie gedankenverloren kann man eigentlich sein?
Eine Tankstelle wirft sich mir in den Weg und wir lassen früh morgens den beruhigenden Sprit in die Tanks unserer beiden Damen laufen. Die nächsten 250 km sind schon mal gesichert.
Der nächste Col und etwas Sightseeing
Parallel zur D125 wird eine stillgelegte Eisenbahnstrecke wieder aufgebaut und mit großen Plakaten und Schildern beworben. Was für ein Aufwand!
Es geht zum Col de Peyresorurde, zumindest fast auf dem direkten Weg. Damit Monika wach bleibt, baue ich ein kleines Wendemanöver in die Anfahrt ein. Aber dann finde ich doch den richtigen Einstieg. Jetzt sieht es so richtig aus nach Pyrenäen! Die Bäume weichen den gelb-grün bewachsenen Hängen und man sieht links und rechts an den Bergen die sich im Zickzack hochwindenden Straßen!
Eine Herde schwarzer Esel steht am Straßenrand und döst in der Morgensonne. Ich liebe Esel und quietsche wie ein Kleinkind vor Freude in meinen Helm. In Borderes-Louron machen wir einen ersten kurzen Halt und nutzen die Pause für etwas Sightseeing. Vor der heiligen Bernadette zünden wir ein Kerzchen an.
Bevor es weiter geht, halten wir noch einen netten Plausch mit einem französischen Spaziergänger. Er meint, Spanien wäre in die andere Richtung, nicht in der, in die wir fahren. Ich erkläre ihm, dass wir in das andere Spanien fahren. Ratlos bleibt er am Parkplatz zurück. Der Col d’Aspin ist unser nächstes Ziel, aber vorher gibt in Arreau noch mal eine Einlage mit Stadtrundfahrt. Schön hier!
Col d’Aspin und Col du Tourmalet
Wir sind im Paradies der Motorradfahrer und teilen uns den perfekten Asphalt mit einigen Radfahrern, die sehr tapfer die 1489 m zum ersten Col in Angriff nehmen. Bewundernswert, wie die knapp bekleideten Fahrradfahrer bei diesen Temperaturen schwitzend Kehre um Kehre sich nach oben strampeln. Wir machen nur einen kurzen Fotostopp, denn in St. Marie de Campan geht es gleich weiter, der Col du Tourmalet wartet auch noch auf uns.
An einem kleinen Wasserfall, der Cascade du Garet halten wir kurz an und lassen freundlich winkend die zuvor überholten Autos wieder passieren. Wir sind ja nicht auf der Flucht! In La Mongie kurz vor der Passhöhe des Tourmalet wird es noch einmal spannend. Die Ortsdurchfahrt ist gesperrt und wir, die Fahrradfahrer und der Schwerverkehr müssen sich über Nebenstraßen wieder bis zur Hauptstraße durchkämpfen.
Am Col du Tourmalet ist erstaunlich wenig los. Fünf Motorradfahrer, sieben Autos und 25 Wohnmobile stehen auf den verstreuten Abstellmöglichkeiten. Es gibt aber leider wegen der Bauarbeiten weiter unten kein Trinkwasser auf der Passhöhe und damit auch keine Toiletten. Ein Motorradfahrer aus Vorarlberg mit einer Tracer 900 GT steht neben uns und ich nutze die kurze Chance, diese Probe zu sitzen. Hätte irgendjemand in Österreich eine rote Tracer 900 GT zu verkaufen? Natürlich unter 95 dB, tirolkonfrom!
Zerstreute Kaffeepause
In Bareges finde ich ein kleines Straßencafe, und wir lassen die ersten drei Stunden des Tages Revue passieren. Wir müssen die öffentliche Toilette hinter den Mülltonnen beim Seiteneingang benutzen. Aber man glaubt es kaum, sie ist perfekt und sauber!
Beim Losfahren war ich wohl sehr unkonzentriert. Nach nur einem Kilometer halte ich kurz an, mache meinen Trinkrucksack zu und auch der Tankrucksack war kurz davor, seinen Inhalt auf der Strasse zu verteilen!
Immer mehr Pässe
Unser nächstes Ziel heute auf der Route des cols ist der Col du Souloor. Wir haben traumhafte Strassen, perfektes Wetter, die beste Begleitung – was will man mehr? An der eigentlichen Passhöhe ist uns dann doch nicht nach einem Stopp, also geht es direkt weiter zum Col d’Aubisque. Schlagartig verändert sich die Landschaft, und auch die Straße wird verhältnismäßig klein: Wir müssen uns ein ganzes Stück mehr konzentrieren. Ich darf gar nicht so viel nach rechts gucken, wo es gefühlt unendlich in die Tiefe geht. An dieser Stelle einen lieben Gruß an den Jürgen von Motorprosa, er weiß genau, was ich meine. Noch ein kleiner unbeleuchteter Tunnel und wir können schon die Passhöhe sehen.
Kurz vor der Passhöhe hat es ein Herdenschutzhund auf Monika abgesehen. Schon von Weitem peilt er die CBF an und jagt ihr ein ganzes Stück hinterher! Dies ist uns in Rumänien schon mal so passiert. Auf der Passhöhe parken dann nicht nur wir ordentlich ein und machen einen kurzen Fotostopp auf 1700 m Höhe.
Wir haben Hunger
Ab jetzt geht es steil bergab, und über teilweise 13 Prozent Gefälle rollen wir wieder den Berg hinab. Wir folgen dem Vallee du valentin, und ich lasse auf der Route die Umfahrung von Laruns spontan weg. Ich vermute ein Bistro oder eine Bar in dem kleinen Örtchen. Volltreffer! Wir lassen die Motorräder auf dem Marktplatz stehen und in einer kleinen Creperie finden wir auch noch einen schönen Platz im Schatten. Es gibt Galette, und wir nutzen die Zeit für eine kleine Umplanung der zweiten Tageshälfte.
Strecke machen kann wunderschön sein
Wir fahren von Laruns aus Richtung Louvie-Juton, um dort auf die kleinere D918 abzubiegen. Ein spanisches Auto weigert sich standhaft, mich überholen zu lassen. Es dauert tatsächlich ein paar Kilometer, bis die Straße lang genug gerade ist, dass auch ich mit meinen 70 PS eine Chance auf eine Überholvorgang ab. Jetzt läuft es wieder! Wir kommen hervorragend voran und die Restkilometer werden kontinuierlich weniger. Ich habe heute mehr Motorräder gesehen als in den letzten sechs Tagen unserer Reise zusammen! Es scheint fast, als wären wir auf der Strecke der berühmten Pässe.
In Tardets gibt es noch einen kurzen Stopp am Straßenrand, um sich noch mal die Beine zu vertreten und Monikas Waffelvorrat weiter zu dezimieren! Außerdem muss ich die Karte drehen, da wir ab hier neu geplant haben und ich mehr nach Karte als nach Navi fahre. Über kleine Straßen geht es auf Ordiarp zu, bevor wir wieder auf die uns schon so lange begleitende D918 abbiegen.
Wir nehmen noch eben den Col d’Osquich mit und biegen hinter Cibits auf die nationalstraßenähnliche D933 ab. Sie ist zwar in der Karte als landschaftlich schön eingezeichnet, aber diese 12 km sind nicht die, die uns heute in Erinnerung bleiben werden. In Saint Jean Pierd-de-Port machen wir nicht einmal 40 km vor dem Etappenziel noch mal eine Kaffeepause! Wir hatten uns für heute vorgenommen, mehr Pausen zu machen! Ich glaube, das haben wir geschafft!
Endspurt nach Spanien
Wir verlassen das chaotische und überfüllte St. Jean und biegen kurz danach auf die verschlafene D15 ab, der wir noch ein paar Kilometer durch hügelige Landschaften folgen. Der letzte Col des Tages, der Col d’Elhursaro liegt noch vor uns. Auch hier ist die Straße toll ausgebaut, aber wesentlich enger und hakeliger zu fahren. Wir müssen noch mal alle Konzentration zusammen nehmen! Auf der Passhöhe verlassen wir Frankreich und betreten Spanien. Ohne das obligatorische Schild mit den Geschwindigkeitsbegrenzungen des Landes wäre uns dies sonst gar nicht aufgefallen!
Die nächsten 11 km geht es in engen Kehren den Berg hinab, und ich hoffe inständig, dass übermorgen bei unserer Abreise das Wetter gut ist. Denn dann steht der gleiche Berg in Gegenrichtung auf unserem Programm.
Wir erreichen Elizondo und unser Hostel. Das mit dem Parkplatz ist etwas umständlich, aber die Motorräder stehen sicher. Wir haben Glück, dass wir beide des Spanischen etwas mächtig sind, denn die Rezeptionistin spricht ausschließlich Spanisch. Wir finden dies etwas ungewöhnlich in einem Ort, der wegen seiner zentralen Lage am Camino de Santiago doch vermutlich relativ viele internationale Gäste hat.
In unserem Dreibettzimmer reißen wir uns zunächst einmal die Klamotten vom Leib, denn uns ist unglaublich warm! Das hat sich nach der Dusche schnell erledigt, denn warmes Wasser scheint es nur in geraden Monaten zu geben. Wir finden noch die Motivation, ein paar Schritte durch den Ort zu machen. Gegessen wird aber im Hotel, nicht herausragend, aber günstig.
Anmerkungen des Tages:
Anmerkung 1:
Irgendwie passen heute die Pausepunkte und die Faltungen der Karte nicht zusammen. Deshalb wehrt sich die Karte anständig gegen die Knicke an Stellen, die dafür nie vorgesehen waren! Aber bist du nicht willig, so brauche ich Gewalt.
Anmerkung 2:
Wer sich die Route des heutigen Tages herunterlädt, den bitte ich zu beachten, dass dies die ursprünglich geplante Route ist. Wer die tatsächlich gefahrene Route haben möchte, der möge sich bitte ab dem 1. Oktober noch mal per E-Mail oder sonst auf den sozialen Medien bei mir melden, die Fragen unterwegs gehen allesamt unter.
Anmerkung 3:
In diesem Zusammenhang auch sonst der Hinweis: Wer mir irgendwo auf den sozialen Medien eine Frage gestellt hat und ich habe diese nicht beantwortet, möge sich auch ab dem 1. Oktober noch mal bei mir melden. Es ist mir unterwegs einfach nicht möglich, zu bloggen, zu fahren, und dann auch noch die sozialen Medien zu betreuen.
Anmerkung 4:
Bei unserer letzten Pause mussten wir uns gegenseitig rückwärts vom Parkplatz wieder herausziehen. Ich möchte betonen, dass uns dies schon beim Befahren des Parkplatzes klar war. Wenn nicht alle anderen Motorräder falsch herum gestanden hätten, hätten wir rückwärts einparken können und auch noch Platz gehabt, die Motorräder auf den Seitenständer zu stellen. So aber konnten wir uns nur noch bergab dazu stellen, um in die gleiche Richtung zu “kippen”.
Anmerkung 5:
Hatte ich gestern noch Sorge wegen der langen Tagesetappe, so muss ich abends sagen, ich würde sie genauso immer wieder fahren und das immer und immer wieder, hin und her! Was für ein sensationeller Fahrtag!
Anmerkung 6:
Heute Abend gab es zum ersten Mal Wein am Abend. Schreibfehler und sinnloses Gefasel sind aber auf keinen Fall auf den Alkohol zurückzuführen. Niemals!
Die Route
Besonders schön zu fahren sind immer die Tour de France-Streckrn.
Wie warm bzw kalt ist es oben in den Bergen?