Wolkenverhangener Himmel
Guten Morgen Spanien, guten Morgen wolkenverhanger Himmel! Wir konnten es uns gestern beim Einschlafen nicht vorstellen, aber der wolkenlose Himmel des Vortags hat sich verzogen und es sieht so aus, als würde zumindest meine Sonnencreme heute nicht allzu dringend benötigt werden! Wir packen unsere sieben Sachen zusammen, was sich heute morgen als gar nicht so einfach herausstellt. Es hängt die gewaschene Wäsche irgendwo herum, unsere Badesachen mussten gestern auch noch trocknen und nun sortieren wir unsere Wäsche in die Kategorien trocken, feucht und feucht mit Sand!
Wir haben Halbzeit und gefühlt geht es ab heute schon wieder zurück. Beim Frühstück ist es unruhig und wuselig. Eine große Gruppe Pilger stürmt zeitgleich mit uns das Buffet. An gemütliches Sitzen und Quatschen ist nicht wirklich zu denken. Ist aber auch nicht schlimm, wir haben ja wieder eine lange Etappe vor uns. Wir bezahlen noch schnell das Abendessen vom ersten Tag und es ist 8:45 Uhr, als wir ein letztes Mal vom Parkplatz des Hotels in Elizondo rollen.
Waren wir hier schon mal?
Es tröpfelt tatsächlich etwas bei der Abfahrt, aber wir lassen uns davon nicht irritieren! Sommerhandschuhe müssen reichen, es wird schon nicht so richtig regnen! Wir verlassen vor Erratzu die N121b und fahren wieder Richtung Col d’Ispegui. Geht es eigentlich nur mir so oder haben andere Motorradfahrer das Problem auch? Wenn ich einen Pass in Gegenrichtung fahre, kann ich mich partout nicht daran erinnern, ihn jemals gefahren zu sein! Es sieht immer alles so anders aus, nichts kommt mir bekannt vor. Daher kann ich die Fahrt ins Unbekannte auch direkt so richtig geniessen.
Tierisches Vergnügen
Wir haben tierisches Vergnügen. In Erratzu liegt ein Hofhund so wunderschön auf der Mauer. Er scheint genau zu beobachten, wer auf dieser Straße wann genau vorbei kommt. Ein paar Kurven weiter oben ist es eine Katzenmama, die aufgeregt ihre Jungtiere von der Straße vertreibt. Nur kurz später scheuchen wir eine Schafherde auf, die gemütlich Kastanienreste von der Straße sammelt. Zu guter Letzt sind es noch drei Pferde, die träge am Straßenrand Reste vom gemähten Gras kauen. Auf etwa einem Kilometer haben diese Huftiere ihre frische Hinterlassenschaften auf der Straße platziert. Sehr dekorativ eiern Monika und ich um die dampfenden Haufen, immer versucht, halbwegs auf der eigenen Straßenhälfte zu bleiben. Aber es läuft fantastisch, wir können nach dem gestrigen Tag endlich wieder fahren, fahren und wieder fahren.
Unser Plan des Morgens ist voll aufgegangen. Wir hatten gehofft, noch im Trockenen die ersten beiden Pässe des Tages überqueren zu können. Tatsächlich wird der Regen erst jetzt stärker, als wir auf spanischer Seite kurz vor Eugi sind. Am Stausee Embalse der Eugi beschließe ich daher, dass es Zeit für unsere Regenkombis ist. Auch die Sommerhandschuhe haben nun erst einmal Pause und machen den Goretex-Handschuhen Platz.
Gedanken
Auf den anschließenden Kilometern ist es, wie es immer ist. Kaum hat man die Rgenkombis an, hört der Regen auf und die Straße ist trocken. Wir geben aber offen zu, dass es uns auch etwas zu kühl war. Deshalb war die zusätzliche Schicht kein Fehler! Auf den folgenden Kilometern zwischen Saigos und dem Abzweig auf die NA140 befinden wir uns – wie so oft in den letzten Tagen – auf dem Jakobsweg. Entsprechende Hinweisschilder, Pilgerunterkünfte und die vielen Wanderer untermauern dies eindeutig. Wir fahren an zwei Mähtraktoren vorbei, die in der Einsamkeit hier oben die Passstraßen ordentlich halten. Was für eine endlose Arbeit: Wenn man fertig ist, kann man unten wahrscheinlich wieder von vorne anfangen. Aber es riecht nicht einfach nach frisch geschnittenem Gras, sondern nach einer besonders außergewöhnlich guten Kräutermischung. Schon gestern ist uns oft der Geruch nach frischer Minze aufgefallen.
Kaffeepause
Ein schwerer Bau-LKW taucht vor uns auf, aber auf dieser Geraden können wir in einem Zug an ihm vorbeifahren. Wir haben heute eh unglaubliches Glück mit dem Überholen. Bisher hat uns jedes Fahrzeug umgehend vorbeigelassen, sobald sich eine Gelegenheit ergeben hat! Liebe Franzosen und Spanier hier im Grenzgebiet, ihr seid da vorbildlich! Danke schön! In Jaurrieta entdecke ich aus dem Augenwinkel eine kleine Bar, in der wir den dringend benötigten Kaffee bekommen. Für zwei Milchkaffee muss Monika in Summe ganze 2,80 € hinblättern. Vielleicht sind wir so verschwenderisch und gönnen uns am Nachmittag einfach noch mal einen.
Über uns drohen dunkle Regenwolken, aber wir beschließen, dass sich diese wieder verziehen werden! Zwei holländische Motorradfahrer entdecken unsere Motorräder und es ist wie so oft: Stehen Motorräder am Straßenrand, wird es sicherlich ein Café in der Nähe geben. Wir quatschen ein paar Minuten, wollen aber eigentlich auch weiter.
Einfach nur Motorradfahren
Wir fahren und fahren und fahren! Das Wetter ist nicht annähernd so schlecht wie befürchtet, und im Moment gehen wir davon aus, dass wir die Route wie geplant heute weitestgehend fahren können. Die Straßen in Spanien in dieser Gegend sind breiter und besser ausgebaut als in den letzten Tagen in Frankreich, daher können wir es richtig laufen lassen! Haben wir sonst über Geschwindigkeitsbeschränkungen gelacht, weil man diese Geschwindigkeit auf den kleinen Straßen im Leben nicht erreichen kann, so müssen wir jetzt das ein oder andere Mal doch den Gasgriff wieder zurückdrehen, falls Kontrollen drohen. Es ist Punkt 12 Uhr, als dicke Regentropfen auf unser Visier klatschen. Aber der Wettergott hat ein Einsehen, und gefühlt 131 Tropfen später ist der Schauer auch schon wieder vorbei. In Burgui herrscht Ratlosigkeit. Wir stehen an einem Kreisverkehr und beide Navigationssysteme zeigen sowohl einen Weg nach links und auch einen nach rechts an. Da hat sich doch wieder mal so ein kleiner falscher Wegpunkt heimlich in die Route geschlichen! Kurz korrigiert und schon geht es nach rechts aus dem Kreisverkehr wieder hinaus.
Honig im Kopf
Auf dem Col las Ceronas machen wir direkt die nächste Pause. Das GPS meines Navis hat Honig im Kopf. Ich fahre laut Anzeige mit fast 60 km/h quer durch den Wald, und die Route wird im Sekundentakt neu berechnet. Ein Hoch auf den Programmierer des kleinen Tools “Reset GPS”, denn schon fünf Minuten später ist die Welt zumindest auf dem Display meines Navis wieder in Ordnung.
Picknick-Pause
Hinter Lumbier sinniere ich noch 1,5 Kilometer lang in meinen Motorradhelm, bevor ich den Blinker setze und Monika das Signal zum Wenden gebe! Ich hatte da doch im Augenwinkel vor 2 Minuten etwas entdeckt! Wir fahren die Strecke wieder zurück und am Ortseingang ist es tatsächlich ein kleiner Picknickplatz, den ich da im Vorbeifahren gemeint habe zu sehen. Ich glaube, schöner wird es heute nicht mehr. Wir sitzen einfach nur da, picknicken und lassen unsere Köpfe etwas ausruhen.
Monika meint zu Recht, dass dies die fahrintensivste Tour unserer gemeinsamen Reisegeschichte ist. Es gab zwar Touren mit teilweise mehr Tageskilometern an einzelnen Tagen, diese waren dann aber nicht so kurvig und anspruchsvoll. Wir hatten diese zwei Wochen aber genau so geplant. Wir wollten bewusst viel Motorradfahren und viel Landschaft sehen.Wir glauben, bisher ist uns das herausragend gelungen!
Langweilt uns
Es geht weiter und die nächsten Kilometer verbringen wir auf der Nationalstraße N240. Bis zu unserem heutigen Etappenziel Jaca sind es laut Straßenschildern nur noch knapp 80 km, wenn man auf dem direkten Weg fahren würde. Unsere Navigationssysteme geben noch ungefähr 150 km an. Ich glaube, ich habe da noch ein paar schöne Schleifen geplant!
Die Nationalstraße parallel zur Autobahn ist alles andere als interessant! Einzig die riesigen Tunnelportale der Autobahntunnel lassen sich von der parallel liegenden Straße in Ruhe bewundern. Am Kreisverkehr bei Liedena liegt rechter Hand eine Tankstelle. Diese lasse ich aber links liegen, auf der Nationalstraße werden sicherlich noch einige Tankstellen kommen.
Der Stausee Embalse de Yesa taucht zu unserer Rechten wie aus dem Nichts auf. Mein Gott, ist der leer! Die steinigen Hänge lassen einen normalerweise mindestens zehn Meter höheren Wasserspiegel vermuten. Sehr ungewöhnliche Felsformationen links der Straße und rechts im See fesseln unseren Blick.
Umweg umsonst gemacht
In Berdun möchte ich eigentlich in das Valle de Anso abbiegen. Es wird mir aber klar, dass es ein Fehler war, an der Tankstelle in Liedena vorbeizufahren. Wir haben über 270 Kilometer auf dem Tacho und die CBF wird langsam durstig. Also Planänderung! Wir fahren die Nationalstraße noch acht Kilometer weiter und finden in dem kleinen Örtchen Punte la Reina de Jaca eine Tankstelle, die uns von unseren Sorgen erlöst.
Auf die von mir geplante Tour durch die beiden Täler links und rechts der Sierra de los Dos Rios möchten wir allerdings dann doch nicht verzichten. Daher fahren wir die acht Kilometer Nationalstraße einfach wieder zurück. In Berdun geht es nun nach rechts ab. Ein großes Schild vor “calle cortada”, was uns aber nicht so richtig schlau macht! Nur wenige Kilometer später kennen wir die Übersetzung: Die Straße ist gesperrt.
Es nützt ja alles nichts, wir drehen um und fahren die wirklich schönen Kilometer wieder zurück. Wir haben überhaupt keinen Gegenverkehr. Wen wundert es?! Außer uns fährt vermutlich niemand an einem Straßenschild vorbei, auf dem steht, dass die Straße gesperrt ist!
Dann halt Kaffee
Weil uns dieses Teilstück der N240 so besonders gut gefällt, fahren wir die Strecke zwischen Berdun und Punte la Reina nun zum dritten Mal. Exakt gegenüber der Tankstelle, die vor 30 Kilometern oder – anders gesagt 45 Minuten – unsere Rettung war, halten wir nun wieder an für einen Kaffeestopp.
Wir haben den ganzen Tag brav die Regenkombis getragen, damit es auf gar keinen Fall mehr als nur einen winzigen Regenschauer gibt. Kaum verpacken wir am Café die Kleidung in den Koffern, fängt es leise an zu tröpfeln. Wetter, ich liebe dich.
Kultur im Vorbeifahren
Wenn schon der eine Schlenker gesperrt ist, dann fahren wir aber noch den Abstecher unmittelbar vor Jaca. Über Santa Cruz de la Seros geht es auf einer kleinen Straße zum berühmten Kloster San Juan de la Pena. Auf der gesamten Strecke gilt eine Beschränkung auf 30 km/h. Ich glaube aber, das gilt pro Achse, oder?! Wir fahren Ewigkeiten gefühlt durch vollkommene Einsamkeit, bis auf einmal ein Busparkplatz und ein großer Ticketverkauf wie aus dem Nichts erscheint. Beginnt etwa hier schon der Touristenstrom zu anderen Tageszeiten? Zwei enge Kehren, die beide im ersten Gang gefahren werden müssen, erfordern plötzlich unsere ganze Aufmerksamkeit.
Endspurt nach Jaca
Wir müssen weiter und schlängeln uns eine gefühlte Ewigkeit am Berg entlang, bis wir hinter Benues auf die A1205 Richtung Jaca stoßen. Diese Straße ist so neu, dass wir das Gefühl haben, wir dürfen sie als erste befahren! Tiefschwarzer Asphalt und leuchtend weiße Seitenstreifen begleiten uns die 18 Kilometer runter nach Jaca. Ein Autofahrer meint, mich auf schnurgerader Fahrbahn noch mal ein bisschen zur Seite drängen zu müssen. Hat er am Handy gespielt?
Wir finden zielstrebig unser Hotel und dürfen die beiden Motorräder sogar auf zweiter Ebene in der Tiefe der Tiefgarage parken. Da stehen die zwei Damen sicher und warm für die Nacht. Wir beziehen unser Zimmer und müssen erst einmal ausdampfen. Es ist doch ganz schön warm geworden am Abend.
Jetzt ist Feierabend
Die Dusche ruft. Danach machen wir uns entspannt auf den Weg ins Hotelrestaurant, um unseren Hunger zu stillen. In der Bar des Hotels ist jedoch eine Gruppe von etwa 20 Motorradfahrern aus Holland. Entsprechend gering ist der Platz und entsprechend hoch ist die Lautstärke. Wir flüchten auf die andere Straßenseite in eine kleine Bar. Zwischen einheimischen Arbeitern und Nachbarn essen wir einfach, ehrlich, gut und günstig.
Auf dem Rückweg müssen wir uns sputen, der Nieselregen ist einem ordentlichen Schauer gewichen. Wir genießen nach dem Trubel, der auch in der Bar herrschte, die Ruhe auf dem Zimmer. Bis, nun ja, bis ein spanisches Pärchen im Zimmer nebenan das Diskutieren beginnt. Wir sind uns nicht sicher, ob sie sprechen oder streiten, aber es hört sich an, als wären sie mit in unserem Zimmer. Hoffen wir, dass alle Unklarheiten der beiden beseitigt sind, bis wir schlafen wollen.
In diesem Sinne: Gute Nacht Jaca!
Anmerkungen des Tages:
Anmerkung 1:
Am gestrigen Tag grüßt uns ein vorbeifahrender Motorradfahrer enthusiastisch mit seinem linken Fuß. Wir hatten beide unabhängig voneinander Angst, dass uns sein Stiefel um die Ohren fliegt! Er muss sich sehr gefreut haben.
Anmerkung 2:
Auf den letzten Kilometer nach Jaca war die Straße ja nigelnagelneu und in perfektem Zustand. In der Tiefgarage meint Monika, dass ihr beim Blick auf die Straße fast schwindelig geworden sei. Ich bin so froh, dass sie das sagt! Denn auch ich hatte auf diesen letzten Kilometern ein Problem, den Blick wie gewohnt entspannt zwischen Straße und Landschaft pendeln zu lassen. Die weißen Linien hatten einen zu harten Kontrast zur Straße.
Anmerkung 3:
Ich bin ja ein Fan des elektrischen Motorradfahrens. Mein Problem ist nur das Laden, da ich Ladesäulen gerne direkt neben gemütlichen Cafés hätte. Dann könnte ich dort einen Kaffee trinken und direkt gemütlich weiterfahren. Im einsamen Jaurrista heute morgen hätte ich den perfekten Fleck dafür gefunden.
Anmerkung 4:
Wir sind ja im Baskenland unterwegs. Die Sprache dort hat so nichts, aber auch so gar nichts mit einer uns bekannten Sprache zu tun. Lest einmal den unteren Teil des Schildes, da bleibt man doch definitiv ahnungslos zurück.
Die Route
Wenn »Hobby-Motorradfahring« so ähnlich funktioniert, wie »Hobby-Horsing«, fehlt da aber noch ein kleines Holzmotorrad. Oder war das nur eine Trockenübung? 😉
Danke für die täglichen Tour-Berichte, ich folge Euch auf Eurer Reise gerne.