Die Nacht fast durchgemacht
Habe ich eigentlich schon mal gesagt, dass ich in der vergangenen Nacht nicht gut geschlafen habe!? Wir können die nächste Nacht auf diese Liste schreiben. Erst war das Einschlafen schwierig, weil an der Promenade von Dobrota wirklich ein buntes Treiben herrscht. Und dann bin ich gerade eingeschlafen, da weckt mich Monikas plötzliches Aufstehen um 1:15 Uhr. Was tut sie nur?! Da höre auch ich das Plätschern des Regens auf unserem Balkondach! Wir haben doch gesteern gewaschen und alles hängt im Freien! Also räumen wir gemeinsam mitten in der Nacht um und hängen meine Wäscheleine auf.
Jetzt ist auch mein Gehirn in Hochbetrieb.
– Regen bei diesen Straßen!
– Das soll doch so gefährlich sein!
Es gibt nichts, über das ich nicht nachdenke! Irgendwann muss ich dann doch wohl wieder eingeduselt sein, denn erst die Müllabfuhr um 5:30 Uhr und der weitere kräftige Regenschauer wecken mich wieder auf. Jetzt ist an schlafen endgültig nicht mehr zu denken.
Als wir dann aber gegen 6:45 Uhr uns aus den Betten aufraffen, ist von den dunklen Regenwolken nichts mehr zu sehen. Optimistisch starten wir in den Tag.
Sightseeing in Kotor
Monika überholt mich heute hoffnungslos beim Zusammenpacken der Klamotten. Ich habe noch den Schlafanzug an, während sie schon ihre Rolle geschlossen hat! Aber irgendwie bin ich auch ein bisschen von der Rolle heute.
Mit ein bisschen Verspätung rollen wir im Stop-and-go-Tempo Richtung Kotor und machen nach nicht einmal zwei Kilometern den ersten Stopp. Ein Motorradparkplatz auf der linken Seite ist unserer und wir schlendern ein bisschen durch die Altstadt und gönnen uns ein Frühstück!
Wir finden mit unserem Frühstück schnell neue Freunde, denn Horden von wilden Katzen leben in Kotor und wir sind die einzigen, die gerade Nahrungsmittel auf dem Tisch haben.
Wir verlassen die Bucht von Kotor
Als wir zu unseren Motorrädern zurückgehen, sind wir froh, heute morgen so früh daran gewesen zu sein! Horden von Reisegruppen stehen inzwischen vor der Stadtmauer mit ihren Reiseführern und werden in wenigen Minuten die Innenstadt bevölkern. Auf den unvorstellbar glitschigen Steinen manövrieren wir uns vom Motorradparkplatz wieder herunter und verlassen durch den stickigen Vrmac-Tunnel auf direktem Weg die Bucht von Kotor. Wir haben sie gestern schon reichlich umkurvt, daher sparen wir uns heute den schöneren Umweg. Wir tanken unsere zwei Damen noch einmal voll.
Auf der Bundesstraße von Kavac Richtung Budva bremst uns am Anfang ein Fahrschulauto aus. Die junge Fahrschülerin lässt jeden, aber wirklich jeden, der von links oder rechts auf die Straße abbiegen möchte, freundlich vor! Der Lieferwagen zwischen uns und dem Fahrschulfahrzeug wird – glaube ich – gerade wahnsinnig! Wir fallen hier auch so richtig auf. Weil wir Frauen sind? Weil wir Motorräder haben? Nein! Weil wir hier gefühlt die Einzigen sind, die nicht mit dem Handy telefonierend durch den Verkehr heizen.
Die Geschwindigkeitskontrolle hier erfolgt übrigens auf eine mir noch unbekannte Art und Weise. Ein Polizist steht am Straßenrand, seine Laserpistole ruht arbeitslos zwischen den verschränkten Armen und er spielt währenddesssen seelenruhig mit seinem Handy! Aber es funktioniert, alle fahren langsam, da man es erst beim direkten Vorbeifahren erkennt!
Kaffeezeit in Petrovac
Kurz vor Budva taucht urplötzlich auch das Meer wieder vor uns auf. Es wäre ja fast schon in Vergessenheit geraten. Von der Straße aus erkennt man wenig von der Stadt an der Adriaküste mit Stadtstränden und historischer Altstadt.
In der Bucht hinter Budva taucht die dicht bebaute Insel Sveti Stefan auf. Sie ist inzwischen eine (geschlossene) Hotelinsel, aber malerisch ist sie als Fotomotiv dennoch. Ich würde eigentlich gerne ein Foto schießen, aber an jedem Aussichtspunkt drängen sich Touristenbusse, Taxen und Menschen und bei einem Stopp auf der Straße würden wir absolut abenteuerlich im Verkehr halten müssen!
In Petrovac ist es zwar weder spät, noch haben wir wirklich viele Kilometer geschafft, aber ich finde, wir haben uns eine Pause verdient.
Wir verlassen das Meer
Uns ist beiden witzigerweise in Montenegro das Gleiche aufgefallen: Die Auto-Kennzeichen ähneln hier den deutschen KFZ-Kennzeichen unglaublich. Zwei Buchstaben vorn, dann wieder zwei Buchstaben und ein paar Ziffern, gefühlt in gleicher Schriftart und Aufmachung. Wir sind also umgeben von Koblenzern, Bochumer, Ulmern und Potsdamern!
Beim Blick auf die Karte wird uns bewusst, dass wir seit drei Tagen stur die Küstenstraße Richtung Süden fahren und immer noch nicht an unserem eigentlichen Reiseziel sind. Aber damit ist jetzt Schluss! Wir verlassen Petrovac und das Meer und fahren auf die M2 Richtung Virpazar. Ich mache mir noch ein bisschen Sorgen, ob wir die geplante Route am Shkodra-See entlang fahren können, da auch die Einheimischen sich zur Straßenqualität dort nicht so richtig äußern wollen (oder können).
Die ersten Kilometer rauf in die Berge sind eigentümlich zu fahren. Nach so unendlich vielen Kilometern auf der Küstenstraße mit eher breiteren Kurven und vielen langsamen Stadtdurchfahrten wird ein eigentlich gut befahrbarer Pass fast eine Herausforderung! Damit es nicht zu langweilig wird, gibt es noch einige Baustellen, in denen wir uns durch sandige Kurven manövrieren müssen.
Immer am Shkodra-See entlang
Aber ansonsten läuft es wirklich gut bis Virpazar. Dort angekommen scheinen wir im Zentrum der Motorradfahrer gelandet zu sein. Horden an deutschen und anderen ausländischen Motorradfahrern bevölkern die umliegenden Lokale. Da ich immer noch unsicher bin, ob unsere Idee nach Ostros zu fahren eine gute ist, quatsche ich eben einen deutschen Tourguide an, der mir aber bestätigt, dass diese Strecke zwar eher einspurig ist, aber gut zu fahren sei!
Und er hat Recht! Auf den nun folgenden ungefähr 35 Kilometern müssen wir zwar ab und zu rechts ran fahren, um den Gegenverkehr vorbeizulassen, werden aber von Autos in unserer Richtung ebenso bereitwillig vorbei gelassen! Die Straße ist manchmal mehr Schlagloch als Straße, aber manchmal auch in durchaus gutem und instandgesetztem Zustand. Sie lässt sich wirklich gut fahren, aber die 34 Kilometer bis nach Ostros ziehen an der Konzentration.
Kuhtreiber
Plötzlich taucht vor uns eine kleine Kuhherde auf, die wir ein paar hundert Meter die Straße entlang treiben. Entgegenkommende Motorräder lassen die Kühe dann rechts ins ziemlich steile und felsige Gelände abbiegen. Monika bleibt noch einen Moment länger stehen, sie hat die Vision, mitten in Montenegro von einer herabstürzenden Kuh erschlagen zu werden.
Was uns leider wirklich auffällt, sind die Unmengen an Müll, die hier überall herumliegen! Mitten in der Pampa steht auf einmal ein großer Müllcontainer und ungefähr auf 20 Quadratmetern drumherum wird alles abgeladen, was zu Hause nicht mehr verwertet werden kann! Dies verteilt sich im Wind natürlich dann auf mehrere Kilometer die Straße entlang. Wirklich, wirklich schade!
Angekommen in Ostros
Vor Ostros wird die Landschaft grüner und bewaldeter. das Klima eignet sich auch zum Tabak-Anbau, was den süßlichen Geruch in der Luft erklärt. Das erste Minarett taucht plötzlich am Horizont auf und auch die Schule hätte ich hier nicht vermutet. Aber Richtung Ulcinj ist die Straße nun viel besser ausgebaut und wir kommen zügig voran.
Am äußersten Punkt Montenegros (zumindest auf dieser Straße) machen wir noch mal einen Fotostopp und stärken unsere angestrengten Gehirnzellen mit etwas Traubenzucker. Es wäre gelogen zu behaupten, dass so eine konzentrierte Fahrerei auf die Dauer nicht anstrengend ist.
Ulcinj oder kein Ulcinj
Wir fahren auf der anderen Seite des Bergs wieder hinab bis zum nächsten Kreisverkehr. Eigentlich müssten wir uns genau jetzt entscheiden, ob wir geradeaus nach Ulcinj fahren oder links nach Albanien abbiegen. Ich beschließe, dass ich nichts beschließen kann und rolle zum Mittagskaffee auf die am Kreisverkehr liegende Tankstelle. Romatische Pausen gab es gestern, heute gibt es praktische! 😉
Im kühlen Innernraum der Tankstelle schaffen wir es, einen klaren Gedanken zu fassen. Wir haben zwei Nächte hintereinander schlecht geschlafen, es ist unheimlich warm, wir sind eben schon 40 km hoch konzentriert gefahren und haben das gleiche heute abend noch mal auf dem Weg nach Koman vor uns! Wir streichen Ulcinj und fahren doch lieber auf direktem Weg in unser eigentliches Zielgebiet Albanien.
Willkommen Albanien
Hinter Sukobin ist es dann endlich soweit, wir fahren auf das lilafarbene Grenzhäuschen nach Albanien zu. Hier sind die Zöllner diesmal eigentlich ganz nett, wollen keine Papiere sehen, notieren sich aber jeweils die Kennzeichen der Motorräder und die jeweilige Marke! Das nenne ich mal unkompliziert.
Auf den ersten Metern fotografiere ich ganz fleißig den Berg, von dem aus wir eben noch Albanien fotografiert haben. Komisches Gefühl, eben noch da oben, jetzt schon hier unten.
Ura e Mesit
Ich habe mir den Kopf gesetzt, unbedingt zur alten Steinbrücke Ura e Mesit hinter Shkodra zu fahren. Dies bedeutet für uns, einmal Shkodra zu umrunden. Kaum haben wir den Fluß Buna überquert, geht es komfortabel in großem Boden im Uhrzeigersinn um die Stadt herum. Unser erster Blick fällt allerdings auf die unvorstellbar armen Slums, in denen Roma auf einer Müllhalde in aus Wellblech und Plastiktüten gebauten Hütten hausen. Ein paar Kilometer weiter sehen wir dann das genaue Gegenteil: Nagelneue Villen mit großen Vorgärten, Mauern und gut eingezäunt zeugen von ihren reichen Besitzern! Gemischte Gefühle entstehen.
Kilometerlang fahren wir aus der Stadt heraus bis zur besagten Steinbrücke. Ich gebe offen zu, ich habe sie mir spektakulärer vorgestellt! Und das genau im ersehnten Fotomotiv gerade jetzt ein Bagger das Flussbett restauriert, macht die Situation nicht stimmungsvoller!
Tanken mit Euro
Monika trägt den Ausflug zur Kulturgeschichte es mit Humor oder sie tut zumindest so. Wir fahren also auf gleicher Strecke wieder zurück nach Shkodra. Ich bin ziemlich verzweifelt auf der Suche nach einem Geldautomaten, um albanische LEK zu ziehen, auf der Suche nach einer Tankstelle und auf der Suche nach einem Supermarkt. Aber seien wir mal ehrlich, ohne Geld brauche ich weder eine Tankstelle noch einen Supermarkt anzusteuern! An einer mittelgroßen Tankstelle fasse ich mir dann ein Herz und frage nach, ob wir den Euro bezahlen können. Ja, können wir, wenn auch zum vermutlich schlechtesten Umrechnungskurs, den die Welt gesehen hat! Da die zwei älteren Männer zwar kein Wort englisch oder deutsch sprechen, aber sich schrecklich bemühen, wechsel ich direkt noch mal 100 € Bargeld zum gleichen schlechten Wechselkurs. Ist aber egal, Hauptsache heimisches Bargeld in der Hand.
Die Rettung in Vau i Dejes
Über die SH5 fahren wir nun Richtung Vau i Dejes. An einem alten Bahnübergang qualmt es aus dem Gebüsch. Ich kann nicht wirklich erkennen, ob dies ein beginnender Brand ist oder auf der abgekehrten Seite jemand seinen Hausmüll verbrennt. Halbherzig hoffe ich mal zweiteres.
Ich finde doch noch einen Geldautomaten, der mir zu horrenden Bankgebühren aber endlich albanische LEk ausspuckt! Diese investiere ich direkt in einem kleinen Gemüsegeschäft nebenan in ein paar Flaschen Wasser. Der ältere Besitzer freut sich unvorstellbar über meinen in fließendem Albanisch ausgesprochenem “Danke” – “Faleminderit”. Übermütig versuche ich es noch mit einem albanischen “auf Wiedersehen”, aber seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, habe ich ihn übel beleidigt. Nein, das zweite ist vollkommen übertrieben. Er war total happy, dass ich mich mit Albanisch abmühe!
Die letzten Kilometer nach Koman
Vor den noch vor uns liegenden 30 km nach Koman wurden wir gewarnt! Sie wären sehr anspruchsvoll, herausfordernd und wir sollten mindestens anderthalb bis zwei Stunden einplanen! Wir biegen von der Hauptstraße ab und können auf relativ gutem und teilweise nagelneuen Asphalt schon mal ein paar Kilometer machen. Mir geht nur durch den Kopf: “Jeder Kilometer zählt! Jeder Kilometer guter Asphalt verringert den schlechten.” Wird es zwischendrin immer mal wieder in Baustellen schwierig oder gibt es vereinzelte Schlaglöcher, so sind es dann die letzten 15 km, die wirklich noch mal volle Konzentration erfordern. Wir fahren teilweise ganz außen links, ganz außen rechts, auf der Mittellinie oder einfach mitten durch durch Steine, Schlaglöcher und Geröll! Ich bemühe mich mit der V-Strom immer noch ein bisschen die Linie vorzugeben, da die CBF mit ihrem Fahrwerk einfach für anderes Geläuf konstruiert wurde!
Ohne die entgegenkommenden Wohnmobile, Autos und Busse wäre es vermutlich noch etwas leichter gegangen, da oft auf der Gegenfahrbahn der Asphalt einfach etwas besser war! Um 16:30 Uhr erreichen wir die Villa Franzese, in der wir die heutige Nacht verbringen. Nass geschwitzt von der Hitze, von der Anstrengung und vermutlich auch ein bisschen von der Aufregung checken wir ein und nehmen eine dringend benötigte Dusche!
Feierabend
Am Privatstrand des kleinen Bed and Breakfast lassen wir den Abend ausklingen, picknicken und hoffen, dass morgen die letzten Kilometer zur Fähre die letzten derartig heftigen Schlagloch-Kilometer werden. Unsere einsame Stimmung beim Abendessen stört nur auf der anderen Seeseite ein Ziegenhirte, der seine kleine Herde ein Stück weiter den Berg hinauf treibt.
Obwohl die Sonne schon lange hinterm Berg verschwunden ist, es ist immer noch angenehm warm und wir genießen bei frisch geklauten Feigen unser kleines Abendmahl.
Gute Nacht in Koman!
Anmerkungen des Tages:
Anmerkung 1:
Auf der Toilette in Kotor steht ein sehr wahrer Spruch: “Please Ladies keep seated for the whole performance.” Das ist so wahr, denn dann hätten alle eine saubere Toilette.
Anmerkung 2:
Fragt mich bitte nicht, warum die Route heute aussieht, als hätte ein Kleinkind mit dem Stift drin rumgemalt. Ich weiß es nicht! 😉
Anmerkung 3:
Gestern kam uns eine Motorradreisende mit vollgepacktem Motorrad entgegen. Sie selber trug mit recht üppiger Figur nur ein relativ tief ausgeschnittenes Top beim Fahren. Ich musste sofort an so technische Dinge denken wie “Hupen”, oder halt “kuppeln”, oder “bremsen”! 😉
Anmerkung 4:
Bevor jemand beschliesst, seinen Müll nun auch in Deutschland in die Landschaft zu werfen, da man auch hier erst mal mit Umweltschutz starten sollte: Ich bin ein absoluter Verfechter davon, dass jeder zuerst bei sich anfangen und vor der eigenen Haustür kehren sollte. Ich werde nach wie vor jedes Papierchen, was ich bei mir trage, auch wieder mitnehmen und in den Müll werfen. Wir sollten in Dingen wie Umweltschutz als Vorreiter dienen und nicht beschließen, erst damit anzufangen, wenn andere dies auch tun.
Anmerkung 5:
Auf der Küsten-Bundesstraße hinter Budvar gehen zwei Menschen in Badesachen entgegen der Fahrtrichtung auf der Bundestraße ohne jeden Fußgängerweg den Berg hinauf. Der nächste Strand ist gefühlt einen Kilometer die Küste hinunter. Es ist auch kein Hotel mit Pool in der Nähe. Was um Himmels Willen tun die beiden da!
Die Route:
Albanien – mein Lieblingsland voll Schotterstrecken.
Den Charme, daß nicht alles perfekt ist, muß man lieben.
Dafür ist die Gastfreundlichkeit sehr hoch.
Slums: Gesehen, daß Sintis&Romas an der Grenze in den
Toilettenanlagen hausen und ihre Kinder zum abz..
äh Betteln schicken? Die Kluft zwischen arm und
reich irritiert mich auch und bin froh, in D leben zu dürfen.
Kein Kommentar zum Start erhalten der “kleinen Schwarzen”?
Wir waren ebenfalls gerade in Montenegro und Albanien … du sprichst mir mit deinem Bericht aus der Seele!!! Wir dürften die Tour sehr ähnlich geplant haben … mit deinem Kommentar, dass du die Dinge oft zu kopflastig angehst hab ich laut lachen müssen … denn ich mach es auch zum Leidwesen meines Mannes … fahren mit 2 Bikes unsere Touren. wünsche dir auf deinen Reisen weiterhin alles Gute, werde deine Block ab jetzt verfolgen. Ganz liebe Grüße aus Österreich,
Heidrun