Anfang September war es mal wieder so weit..
Nachdem ich beim Eundurofahren in Mecklenburg feststellen musste, dass es bei meiner grazilen Fahrweise noch Verbesserungspotential gibt und viel Kraft nicht viel hilft, habe ich mich entschlossen, den armen Stefan von Stefans Endurotraining noch mal zwei Tage mit meiner Anwesenheit zu quälen. Irgendwie muss doch wenigstens etwas Liebe zu Stock und Stein in mich reinzuprügeln sein. 😉
Also: Anfang September war es mal wieder so weit 😉 . Das Aufbau- und Fortgeschrittenen-Training wartete auf mich!
Der erste Morgen
Früh morgens klingelt mich der Wecker aus meinem schon längst nicht mehr vorhandenen Schlaf. Wieder die Zweifel, ob ich das schaffe. Wieder nicht geschlafen. Wieder die Frage, warum ich mir das eigentlich antue. Dabei habe ich doch eigentlich Spaß und liege ja nicht nur auf dem Boden herum. Aber kurz vorher habe ich halt immer Muffesausen.
Im belgischen Bilstain geht dann alles seinen gewohnten Lauf, auch wenn ich vor drei Jahren das letzte Mal da war.
- An der Rezeption des Geländes versteht man noch immer kein Wort deutsch oder Englisch – oder möchte es nicht.
- Die Schranke öffnet sich nach der Anmeldung dennoch.
- Nach zwei Kurven sieht man schon die Zelte von Stefans Endurotraining.
- In Reih und Glied warten die kleinen Motorräder auf ihren Einsatz.
- Kaffee steht in der Kanne für eine kleine Kaffeekassen-Spende bereit.
- Die anderen sind genau so aufgeregt wie ich!
Nach der Zuweisung der Motorräder kann ich nun für zwei Tage eine AJP 4 mein Eigen nennen. Ob das treue Bike weiß, was es nun erwartet?
Mich erwartet auf jeden Fall eine sehr nette bunt gemischte Truppe, 5 Jungs, mit mir zwei Mädels, von wenig Kenntnisse (ich) bis hin zu Motocross-Fahrern ist alles dabei! Es wird also sicherlich lustig!
Auf die Räder fertig los!
Stefan fährt mit uns einmal in den hinteren Teil des wirklich großen und an vielen Stellen auch recht anspruchsvollen Gelände. Hier können wir auf einem großen Platz uns erst einmal wieder an die Motorräder gewöhnen, er erinnert uns an so Dinge wie Grundposition, die richtige Verwendung von Gas und Bremse und lässt uns so ein paar Ründchen drehen. Ich fühle mich gar nicht so schlecht, auch wenn ich mich natürlich wieder einmal erst an das für mich ungewohnte Zweirad gewöhnen muss. Aber die AJP ist schön leicht, auch wenn sie keine echten Emotionen aufkommen lässt. So drehe ich meine Ründchen, fahre mal hier einen Hügel hoch, dann wieder dort, dann wieder – bautz – ! Was war das? Irgendwie habe ich es geschafft, auf dem Zwergenhügel die AJP abzuwürgen, meine Gedanken waren gerade sonst wo und als nächstes war ich neben dem Motorrad.
Nun gut, eben wieder hochgewuchtet und weiter geht es!
Das Fahren auf dem flachen Gelände mit den eingebauten Geschicklichkeitsübungen macht mir richtig Spaß. Man merkt – finde ich – selten so direkt und gut, wie wichtig richtige Blickführung und die richtige Einstellung ist. Möchte ich unbedingt zwischen zwei Steinen durch und schaue dort hin, dann funktioniert das auch. Würde ich gerne möglicherweise durch diese beiden Steine fahren, wenn es denn dem Motorrad genehm wäre, sich dorthin zu bewegen, dann fahre ich aber auch genau so sicher fast einen Meter daran vorbei. Also: Wollen und Gucken! Wollen und Gucken!
Wo ist das Hinterrad?
“Ein Endurofahrer muss immer wissen, wo sein Hinterrad ist!”
Diesen Satz von Stefan lasse ich erst mal sacken. Was für ein Quatsch! Absteigen, Motorrad ansehen, hinter dem Vorderrad, schräg unter der Sitzbank befindet sich das Hinterrad. Ist doch wohl einfach!
Aber ganz so war es natürlich nicht gemeint. Es geht um das Gefühl für das Motorrad, um das Gefühl, was sich hinter einem tut, nachdem man das Hindernis neben bzw. hinter sich gelassen hat. Also heißt es nun, mit dem Vorderrad an einem Stein vorbei zu fahren und gezielt zu entscheiden, wann auch das Hinterrad am Stein vorbei fahren soll und wann man mit dem Hinterrad bewusst über das Hindernis rollen möchte. Langsame Geschwindigkeit? Geschicklichkeit? Mag ich, finde ich gut – läuft bei mir!
Dann geht es darauf aufbauend weiter: Mit dem Vorderrad hinter dem Stein entlang, mit dem Hinterrad vor dem Hindernis entlang fahren! Hä? Geht nicht! Geht doch! Einfach mal ein Training buchen und ausprobieren! Es ist hochspannend, was so alles auf einmal geht, auch wenn man es beim ersten Zuschauen gar nicht glaubt!
Viel zu schnell ist die Zeit vergangen und wir machen uns zurück zu einer kleiner Stärkungspause. Wie gut, dass Stefan Zelte, Tische und Stühle bereit stehen hat, wo man sich gut regenieren und mit anderen Fahren ins Gespräch kommen kann.
Es ist nicht immer alles nur rosa
Die zweite Tageshälfte startet mit einer kleinen Rundfahrt, dann etwas rechts durch die Bäume, quer am Hang entlang und dann steil links den Hang hoch. BITTE WAS?
Aus meiner Perspektive sieht der Hang steil wie die Zugspitze, unbezwingbar wie der Mount Everest und gefährlich die Eiger Nordwand aus. Die ersten biegen nach links ab und lassen die Auffahrt spielerisch hinter sich. Bei mir geht nichts mehr!
Kopf sagt: Gang einlegen
Körper sagt: Kannste knicken, ich bleibe hier.
Kopf sagt: Du weißt doch, wie das geht. Gang rein, Gas geben, losfahren.
Körper sagt: la-la-la-la. Ich höre Dir gar nicht zu! Umbringen kannst Du Dich alleine!
Nach gefühlten 2 Minuten des Zwiegesprächs fahre ich halbherzig und viel zu langsam den Hügel an. Es kommt, wie es kommen muss. Ich bleibe stehen und werfe das Moped Richtung Boden von mir! Ich bin bedient, nichts geht mehr, Voll-Blockade! Stefan erkennt dies sofort und fährt mir die treue AJP erst mal die Abfahrt hinauf und verordnet mir mit einem Augenzwinkern eine Verschnaufpause.
Schei**e, Schei**e, Schei**e!
Wie war das eben? Wollen und Gucken?! Ach, erinner mich doch nicht an das Geschwätz vom Vormittag!
Nach ein paar Minuten (und endlosen guten Versuchen meiner Mitstreiter) fährt Tanja den Stunt des Tages und parkt das Motorrad für wenige Sekunden auf dem hinteren Schutzblech stehen am oberen Ende des Hügels. Scheppernd sucht auch ihre AJP nun den Waldboden und herzliches Gelächter ertönt von allen Seiten!
Ich nutze den Moment des Lachens und Entspannens und möchte einen zweiten Versuch wagen. Also die Runde noch mal neu starten und schon auf der Querung des Hangs erinnere ich mich an nichts mehr von vorher. Ich kann nicht mehr im Stehen fahren, habe Angst vor einer Mini-Pfütze und bin gefrustet. Aber mich hält nichts mehr ab! Auf der Spur rechts außen wage ich einen zweiten Versuch – wieder zu zaghaft, wieder halbherzig. Aber diesmal gebe ich nicht auf. Eine gefühlte Viertelstunde (oder war es länger) blockiere ich diesen Teil der Auffahrt für meine Mitstreiter, weil ich mich in 20 Versuchen immer weiter nach oben quäle. Aber es fühlt sich zunehmend sicher an, nicht schön, aber sicher. Ich schaffe es, die kleine Enduro mit der Kupplung kontrolliert zu halten, rückwärts fahren zu lassen und sogar am Schleifpunkt der Kupplung zu starten, wenn sie mir – mal wieder – ausgegangen ist.
Geschafft! Und morgen?
Es fühlt sich gut an, als ich endlich oben ankomme, auch wenn ich keinen weiteren Versuch mehr brauche. Ich habe mein persönliches Ziel geschafft, ich bin zufrieden!
Aber ich kann unsere Abschlussrunde durch das Gelände nun auch geniessen, freue mich aber ebenso auf die Rückkehr zum Basislager und den verdienten Feierabend. Es ist neben der körperlichen Anstrengung auch psychisch unheimlich anstrengend, gegen die eigene Angst und den Kopf anzufahren.
Ich neige dazu, den nächsten Tag auszusetzen und meine erreichten Ergebnisse des Tages als Ziel des Kurses anzusehen. Ich glaube, mehr traue ich mir nicht mehr zu!
Aber die Ausrede lässt Stefan nicht gelten. Ich solle erst mal grillen, dann schlafen, dann mit allen gemeinsam am nächsten Morgen starten. Ich könne ja auch tagsüber noch zu jeder Zeit mal bei einer Übung aussetzen, aufhören oder eine einfachere Alternative zur Umfahrung nutzen.
Ich finde, das klingt gut und lasse gemeinsam mit den anderen den Abend bei Fleisch, Bier und Lagerfeuer gemütlich ausklingen!
Tag 2 – Müde, aber motiviert
Ich habe nicht so gut geschlafen. Vierbettzimmer, kalt, viele Gedanken, das passt nicht zu tiefem Schlaf! Aber dennoch bin ich gut gelaunt und hochmotiviert, als wir um 8:30 ein kleines Frühstück in der Domaine einnehmen und uns anschließend für den zweiten Tag unseres Trainings wieder in unsere Enduro-Ritterrüstungen werfen.
Nach einem gemeinsamen zweiten Kaffee geht es schon los, wieder zu unserem kleinen Platz, an dem wir uns wie am ersten Tag warmfahren und unsere müden Knochen wieder an die ungewohnte Haltung und Bewegungen gewöhnen können.
Es tut gut, wenn der Muskelkater nicht mehr so spürbar ist und sich eine winzig kleine Geschmeidigkeit einstellt. Dieses positive Gefühl hält genau bis zum ersten Hang, den wir zur Übung in Angriff nehmen sollen. Anders als gestern ist es diesmal nicht der Waldboden, sondern Steine und Felsen, die unseren Weg nach oben begleiten. Aber es fühlt sich anders als gestern an. Respekt ja, aber nicht mehr diese Panik!
Daher fahre ich frohen Mutes (aber immer noch viel zu langsam) den steinigen Hügel hinauf, um schon nach einem Viertel wieder abbrechen zu müssen. Aber ganz kontrolliert halte ich die AJP an, fahre ein Stück rückwärts und schaffe es dann, den Hang nach rechts weg auf einen Waldweg zu verlassen.Das war zwar nicht schön, fühlte sich aber gar nicht schlimm an! So kann es weiter gehen!
Versuch 2 geht nicht viel weiter, aber von da aus kämpfe ich mich Stück für Stück den Hang hinauf! Auch nicht schön, aber ich bin oben! Geiles Gefühl!!!
Die nächsten Versuche werden mal abgebrochen, mal im Sitzen und Paddeln nach oben geschafft, aber ich fühle mich die ganze Zeit gut dabei! So soll das also sein! Cool!
Die Hindernisse
Dann geht es weiter ins Gelände hinein, eine steinige, aber nicht steile Auffahrt hinauf. Einen ritterlichen Begleiter hinter mir brauche ich noch, falls ich doch aus Angst mein Motorrad wieder von mir werfe. Aber auch das meistere ich, Gottseidank ohne Film- und Fotoaufnahmen.
Das nächste Trainingsobjekt liegt vor uns – ein Baum! Brav liegt er in Erde gebettet quer über dem Weg und macht daher eigentlich gar keinen so großen Eindruck. Durch die “Rampen”, die die Erde bildet, können wir super die erforderliche Technik üben, um kontrolliert über das Hinternis zu rollen. Wir machen unsere Sache wohl so gut, dass wir als nächstes zu Baum Nr. 2 wechseln. Er trohnt ein paar Zentimeter über dem Boden und wirkt beim ersten Anblick unüberwindbar. Dass Stefan irgendwas von “geht gut” und “Hindernisse bis zur Radmitte” faselt, hört wohl nur die Hälfte von uns, während wir hypnotisiert auf den Baum starren!
Hier sollen wir andere Äste oder Steine als Rampe nutzen und vor dem Baum legen, um uns somit das Überfahren des Baums einfacher zu machen. Gesagt, getan und schon thront ein dicker Ast vor dem Baum! Ich schaue mir die ersten Versuche kritisch an, beschließe aber dann, dass dies ganz machbar aussieht. Und siehe da – das funktioniert tatsächlich! Schon der erste Anlauf funktioniert und ich rolle so gerade eben mit dem Hinterrad über den Baum!
Versuch zwei und drei sind schon sicherer und direkt starte ich zu Versuch vier. Bei der Anfahrt sehe ich, dass der Ast vor dem Baum weg ist! Mit schreckgeweiteten Augen mache ich einfach das zuvor eingeübte und lasse den Baum zu meinem eigenen Erstaunen elegant hinter mir. Vor Schreck, Begeisterung und ungläubigem Staunen vergesse ich aber zwei Dinge: entweder Gas geben oder beim Stehenbleiben die Füße von den Fußrasten nehmen. So plumpse ich unmittelbar hinter dem Baum lachend mit dem Motorrad rechts in den Wald!
Ich lache, lasse mir hochhelfen und bin einfach nur happy!
Erschöpft, aber fröhlich, machen wir uns auf den Weg zur Mittagspause, bei der wir die verschwitze Kleidung lüften und müde Körper stärken.
Mit dem Ende der Pause entscheide ich, dass heute auch für mich hier Ende ist! Aber nicht aus Frust, wie es am Tag vorher gewesen wäre, sondern einfach, weil es gerade so schön ist!
Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist! Mit genau diesem Gefühl rolle ich strahlend Richtung Heimat!
Danke an alle Teilnehmer für die tollen zwei Tage! Danke an meine Gruppe für ihre Engelsgeduld!
Danke an Stefan für das tolle Training! Ich komme wieder! 😉
Anmerkungen:
Anmerkung 1:
Ich hatte 2014 ein Endurotraining mit einer Triumph Tiger. Hier hatten wir die Übungsaufgabe, an einem kleinen Steilstück das Motorrad nur mit der Kupplung zu halten und im Hang stehen zu bleiben. Meine Zweifel, dass meine Beine nicht lang genug seien, um im Hang stehen zu bleiben, blieben damals ungehört, was in zwei Stürzen rückwarts den Hang hinunter endete, die Tiger immer hinter mir her! Ich glaube wirklich, dass mich das mehr beschäftigt hat, als ich es zugeben wollte. Denn seit der Zeit ging “Hang hinauf und bewusst abwürgen” gar nicht! Selbst die Übung im Einsteigertraining musste Yunus damals schon besonders betreuen, weil ich einfach nicht den Hang hochfahren wollte / konnte! Ich habe gerade das Gefühl, dass ich dieses Trauma nun besiegt habe. Wenigstens ein bisschen! 🙂
Anmerkung 2:
Warum es so wenig Fotos gibt? Würdet ihr Handy oder Kamera mit ins Gelände nehmen, wenn ihr wüsstet, dass ihr einen Großteil der Zeit auf allen Vieren Bodenproben nehmt?! Ich nicht! 😉
Daher danke an Tine von der Einsteiger-Truppe, die mir ihre Bilder zur Verfügung gestellt hat.
Moin. Sitze hier im Urlaub in Dänemark mit meinem Morgen Kaffee und lese mit offenem Mund deinen Beitrag. Ich weiss gar nicht was ich sagen soll und ziehe erst mal meinen imaginären Hut. Ich denke deinen nächsten Trip durch die russische Taiga steht nun nichts mehr im Weg.
Wenn du die anderen fragst, war der Steilhang vermutlich nur ein “Hügelchen”. Für mich aber ein Steilhang… 😉
Liebe Grüße nach Dänemark und grüß deine Frau und den Vierbeiner! Ich lache mich über seine Geschichten schlapp…. Kennst du das Buch “mein 24. Dezember”?
Super-Bericht. Notiz an mich selbst: im nächsten Jahr wieder mal im Dreck spielen gehen!
Danke! 🙂
Klasse Julia! Das macht Lust Traumata zu überwinden
So viel Emotione, auch wenn nicht das Motorrad selbst diese geweckt hat. Ich muss das auch mal wieder machen. Danke für die sehr anschauliche Inspiration.
Und hoffentlich phne blaue Flecken demnächst in Sardinien.
Sonnige Grüße
Suse
Ich bin beeindruckt. Du arbeitest trotz Rückschlägen an den Schwachstellen und merzt sie systematisch aus. Ich fühle mich unterschwellig im Zugzwang 😉
RESCHPECKT!
Klasse. Da wollte ich auch immer mal hin.
Wenn Du das in gemäßigter Form, aber mit Deiner V-Strom machen willst: Stöffelpark – kein Matsch nur Schotter. War dies Jahr das 2. mal dort, immer wieder lehrreich.
Hallo Tom, danke für den Tipp… Aber die kleine Schwarze ist mir dafür zu schade… Das treue Ross…. Außerdem ist mir die zu schwer, ich bin da großer Fan der kleinen moppeds… 😉
Ich bin eher der Duschen-Typ, aber mir scheint, dass Du das Quitscheentchen in der Wanne vergessen hast.
Oh! Danke für den Hinweis! Jetzt weiß ich, worauf ich beim nächsten mal achten muss… 😉
Unvergessen Dein Blick und Ausruf “wo ist der BAUM?”
Du hast das großartig gemacht!