Hellhörige Badezimmer
Auf Zimmer 415 schreit ein Kind – Die armen Eltern!
Der Mann auf Zimmer 418 schnarcht – die arme Frau!
In Zimmer 420 fällt ein Stift runter – hoffentlich nichts passiert!
Und die Frau in Zimmer 401 hat wohl Blasenschwäche – oder zu viel getrunken!
Dies und noch viel mehr höre ich beim Einschlafen, da es wohl durch die Lüftungen der Badezimmer sehr hellhörig im Hotel ist! Da aber die Betten einfach phantastisch, die Lage super und die Umgebung totelstill ist, falle ich dann doch recht schnell in den wohlverdienten Schlaf. Der Morgen ist aber doch irgendwie zu früh da, die Betten zu bequem und es draußen auch noch zu dunkel!
Ach ja – heute ist mal nicht “Tasche packen” angesagt! Die 15 Minuten gönnen wir uns und drehen uns noch mal rum.
Aber dann heißt es doch aufstehen und bei Blick in den Sonnenaufgang werden müde Geister munter.
Wir stärken uns bei einem reichlichen Frühstück und ziehen uns anschließend etwas wärmer als in den vergangenen Tagen an. Denn bei gerade mal 13 Grad starten wir unsere sonntägliche Tour rund um das Gennargentu-Gebirge.
Irgendwie ganz typisch für einen italienischen Sonntag wechselt sich der Geruch von Weihrauch mit dem Abgas kleiner, überforderter Diesel-Fiat und ein wenig frisch gewaschener Wäsche, die schon zum Trocknen auf der Leine hängt.
Kurven am Morgen vertreiben Kummer und Sorgen
Die SP7 nach nach Fonni ist fantastisch zu fahren. Einzig die noch sehr tiefstehende Sonne macht es schwer, die plötzlich im Schatten auftauchenden Kehren rechtzeitig zu erkennen. Fahren wir halt etwas langsamer, bald steht die Sonne ja schon höher.
Aber alles ist besser als Regen! Von daher betreiben wir nach wie vor Jammern auf hohem Niveau.
Wie aus dem Nichts taucht mitten im Nichts eine Tankstelle auf – sonntags – geöffnet! Weit und breit kein Ort, keine Kreuzung, kein Leben! Aber eine geöffnete Tankstelle! Man kann, muss es aber nicht verstehen!
Hinter Fonni können wir es dann noch mal richtig laufen lassen, bevor wir kurz danach weiter nach Marmoiada abbiegen.
Auf den nächsten Kilometern Richtung Orgosolo wandelt sich die Landschaft total. Aus rauhen Bergen werden sanfte, in der Sonne liegende Hügel. Wir fahren durch die Weinanbau Gegend Sardiniens. Und somit säumen die fein und säuberlich in Reih und Glied gepflanzten Weinreben die Hänge zu unserer Linken und Rechten. Auch an den Temperaturen merkt man den Unterschied – es sind schon fast 25 Grad, obwohl es noch mitten im Vormittag ist!
Orgosolo wird nicht mein Freund
Wir erreichen Orgosolo, das angebliche Banditennest! Der Ort soll berühmt für seine Wandmalereien sein, die die Hauswände zieren. Ich hatte eigentlich nicht vor, daraus eine touristische Ortsdurchfahrt zu machen. Aber TomTom sieht das anders und führt uns einmal mitten durch die an einem Hang liegende Stadt. An einer steilen Auffahrt mit linksabknickender steiler Abfahrt streike ich zum ersten Mal auf dieser Reise. Rückzug!
Wir rollen rückwärts den steilen Berg wieder hinab,bis wir wenden können. Ich denke daher, ich bin nun wieder auf der Hauptroute. Da lotst mich TomTom erneut mitten in die verwinkelten steilen Gassen von Orgosolo. Wenn ich nicht so verzweifelt meinen Lenker in den Händen halten würde und auf die Kopfsteinpflasterstraße starren würde, könnte ich sicherlich die Wandmalereien genießen. So aber bin ich froh, als wir dieses Abenteuer überstanden haben!
Ich halte an und wir klatschen uns ab. Meines Erachtens war dies die größte Herausforderung unserer Reise bisher.
Die SP46 nach Oliena ist die nächste Herausforderung des noch jungen Tags. Hier scheinen schwere Unwetter unterhalb des Supramonte gewütet zu haben. Denn die Straße ist übersät mit Kies, Sand, Felsabbrüchen und anderen Widrigkeiten. Selten fahren wir über 40 km/h und müssen hochkonzentriert Meter um Meter bewältigen.
Irgendwie habe ich gerade einen Lauf, denn auch in Oliena schaffe ich es, nicht die Umfahrung zunehmen, sondern wieder mitten im Ort durch enge Gassen abbiegen zu müssen. Ich habe den Kaffee auf!
Die Augen sind müde und ich plane einen Kaffee in Nuoro. Bei der Anfahrt auf Nuoro sehe ich, dass sich diese Stadt ebenfalls eng in die Berge schmiegt. Nein! Auf keinen Fall eine weitere Ortsdurchfahrt in einem Bergdorf.
Monte Ortobene
Also folge ich dem Navi, verzichte auf den Kaffee und steuere auf direktem Weg den Monte Ortobene an. Am Belvedere dann endlich mal die Chance, die Helme abzunehmen und tolle Fotos zu machen.
Kurz darauf finden wir auch endlich einen Kaffee, wo wir im Schatten ein wenig entspannen können. Ganz ehrlich?! Ich könnte umdrehen und ins Hotel fahren. Heute ist Sardinien das erste Mal anstrengend! Puha!
Aber so früh am Tag gibt man noch nicht auf! Außerdem haben wir Picknick in den Koffern! Daher rollen wir erst Mal wieder vom Monte Ortobene hinab und schauen mal, was uns der Tag noch so bringt. Auf dieser Abfahrt versucht ein kleiner, kläffender Straßenpinscher uns in die Reifen zu beißen. Ich glaube, er leidet an Größenwahnsinn!
Bis nach Orgosoloo zurück will es noch nicht wieder so richtig flutschen. Ich bin verspannt und irgendwie stecken mir die vergangenen anderthalb Stunden noch ganz schön in den Knochen. Als wir dann aber meine Trauma-Stadt des Vormittags wieder hinter uns gelassen haben biegen wir wieder auf die tolle Strecke nach Mamoiada ab. Hier läuft es dann wieder richtig und die Kurvenhatz macht wieder Spaß! Wir halten uns etwas westlich Richtung Sirule, bevor wir Richtung Olzai abbiegen. Dort finden wir ein idyllisches Plätzchen und machen im Schatten eines Walnussbaums neben einem plätschernden Brunnen Pause.
Es läuft wieder bei uns!
Noch im Ort wollen wir vorsichtshalber tanken, aber die vier Motorradfahrer aus Starnberg machen uns auf den hohen Preis von 2 € pro Liter aufmerksam. Nun ja, mindestens 80 km kommen wir noch, also riskieren wir die Weiterfahrt bis zur nächsten Tankstelle. Über die SP4 fahren wir nach Teti, Austis und dann nach Neoneli, wo wir dann auch endlich tanken können. Wir machen einen Pitstop wie bei der Formel 1! In unter 5 Minuten fahren wir mit beiden Motorrädern betankt an der Automatentankstelle wieder weg. Rekordzeit!
Wir biegen nach links auf die SS388 Richtung Sorgono ab. Das sind die richtigen Kurven für die CBF! Weite Radien, griffiger Asphalt und ich frage mich, ob Monika Leistungssteigerung in die CBF gepackt hat. Sie schiebt ganz schön von hinten! 😉
Ab Tonara sind es nach rechts noch 16 km bis Arezzo. Aber nicht für uns, denn wir biegen nach links Richtung Norden ab und gönnen uns in Ovodda am Straßenrand einen wohlverdienten Kaffee.
Auf den nächsten Kilometern Richtung Gavoi wirft sich uns ein malerischer See in den Weg! Leider ist aber auch dieser auf allen Überfahrten mit hohen Gittern gesichert, so dass trotz toller Kulisse einfach keine schönen Bilder aus der Nähe dabei herausspringen.
Jetzt geht es über Lodine doch endlich wieder Richtung Süden. Fast hätten wir Aritzo ganz aus den Augen verloren.
Desulo und Aritzo
Ab Fonni fahren wir die gleiche Strecke wie am Morgen, nur halt in entgegengesetzter Richtung. Wenn es also morgens schon blendete, haben wir nun den gleichen Effekt in Gegenrichtung. Ganz erstaunt bin ich über die ca. 4 Kilometer lange Orsdurchfahrt durch Desulo. War die morgens auch schon da? War die genau so lang? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die “Ober-Desulo-Bewohner” jemals mit den “Unter-Desulo-Bewohnern” treffen, dazu sind die Ortteile gefühlt Welten auseinander.
Am Horizont taucht das in der Sonne liegende Aritzo auf! Seltsam, wie man sich fast schon heimisch fühlt.
Wir kurven noch ein paar Minuten hinter einem weißen PKW, der zu allem Überfluß die Scheiben noch mal kräftig mit der Scheibenwaschanlage reinigt! Mich übrigens auch! Erst 200 Meter vor dem Hotel hat er ein Einsehen und fährt rechts ran! Die paar Meter hätte ich jetzt auch noch geschafft, ohne ihn von der Straße zu drängen.
Ich hole den Zimmerschlüssel, Monika den Proviant für die Terasse. #
Feierabend, würde ich mal sagen!
Anmerkung des Tages
Anmerkung 1:
WordPress ist gnädig und ich konnte heute morgen das fehlende Bild der Kirche von Nuri in den Blogbeitrag einfügen. Für alle die nicht zurückblättern möchten, hier noch mal das Bild. Ich finde es wirklich eine tolle Kirche!
Anmerkung 2:
Wir wollten um vor 18 Uhr im Hotel sein. Um 17:55 Uhr rollen wir auf den Parkplatz. Ich finde, das gilt! 🙂
Anmerkung 3:
Ich wäre gerne bei den warmen Temperaturen auch einmal mit offenem Visier gefahren. Leider ist das mit meinem Schuberth Helm trotz ausgetauschter Visiermechanik nicht möglich. Ab 50 km/h ist es ein selbstschließendes Visier. Vielleicht mag Schubert mir einen neuen Helm spendieren!? Der hier nervt!
Anmerkung 4:
Zurück im Hotelzimmer fahre ich irgendwie immer noch einige von diesen aberhunderten Kurven. Ich glaube, ich lasse heute Nacht lieber Helm und Kombi an. Das scheint sicherer zu sein!
Anmerkung 5:
Monika meint, das sie noch nie so viele Kurven in ihrem Leben am Stück direkt hintereinander gefahren ist. Ich scheine also eine ganz gute Route ausgesucht zu haben. Wobei es in Sardinien schwer ist, nicht permanent Kurven zu fahren. Ich bin übrigens auch noch nie meinem Leben so viele Kurven hintereinander gefahren.
Anmerkung 6:
In einem Anfall von Kultur-Beflissenheit lese ich Monika einige Fakten von Orgosolo vor. Es war einmal als Banditennest verschrien, ist berühmt für seinen Widerstand gegen die verschiedensten Dinge und drückt dies in unzähligen Wandgemälden an den Häusern aus. Nach ca. 5 Minuten Vortrag meint Monika: “Orgosolo hat Wandgemälde. Das Reicht als Info.” Ich glaube, tief in unserem Herzen sind wir beide Kulturbanausen.;-)
Anmerkung 7:
Wir haben vor dem Duschen und vor dem Abendessen schon Rotwein getrunken. Sollte ich also Quatsch schreiben, einfach ignorieren! Wer aber Fehler findet, darf sie behalten und gewinnbringend weiterverkaufen. Ich glaube, wir sind betrunken.
Hallo Julia, ich war eine Woche vor euch da und da war das Wetter richtig mies. Also genießt es.
Das mit dem Visier ist bei meinem Schubert das Gleiche gewesen. Der Tausch der Mechanik hatte nichts bewirkt. Erst ein neues Visier für 55€ hat das Problem wieder behoben. Aber man kann sich in der Zwischenzeit damit behelfen über die Rasterung des Visiers einen schmalen Tesastreifen zu kleben. Das hilft, und wenn er abgenutzt ist erneuern.
Viel Spass noch.
Oh, danke für den Tipp… Das werde ich tatsächlich mal probieren…. Wobei ich auch neues Visier brauche…
Julia, wenn Du so weiter schreibst, werde ich wohl nach Sardinien starten, bevor ich den ganzen Bericht gelesen habe, Du weisst ja, was ich von Deiner Schreibweise halte!! Ich wünschte, ich könnte so reisen, wie Du darüber schreiben!
Passt auf Euch auf.
Ja, diese Navi-Vorliebe für überflüssige steile Orts-Rundfahrten ist echt ein Drama. Mittlerweile hab ich’s mir angewöhnt, alle Wegpunkte der geplanten Touren vorab großzuziehen und zu korrigieren, denn sowas muss ich ebenfalls nicht haben. Höllisch aufpassen muss man auch beim Buchen der Unterkünfte. Nicht selten liegen die B&B’s in engen Kopfsteinpflaster-Gassen einer Altstadt, die ich nichtmal mit dem Fahrrad anfahren würde… 😉
Auf jeden Fall super, dass bei Euch zumindest das Wetter hält! Genießt die Sonnenstrahlen. Hier ists momentan trüb und duster.