Der frühe Vogel fängt den Wurm
Oder kann mich der frühe Vogel einfach nur mal? Nein! Kein Stück!
Wir waren früh im Bett und wachen ausgeruht noch vor dem Wecker in Ditzum auf. Diesen hatten wir uns zwar auf 6:30 Uhr gestellt, weil wieder einmal ein langer Tag vor uns liegt, aber vor dem Wecker aufwachen es einfach das schönste! Liegt es an den immer besser werdenden Betten oder daran, dass wir immer müde werden, dass wir mittlerweile hervorragend durchschlafen können?!
Da wir in einer Ferienwohnung sind, ist Selbstverpflegung angesagt! Dafür halten heute morgen einfach mal die allerletzten Picknick-Reste her, dazu ein paar Kekse und Monika findet auch noch zwei Müsliriegel im Tankrucksack. Reicht doch, ist doch quasi perfekt!
Schneller als in Süderlügum haben wir unsere sieben Sachen verstaut und können schon um kurz nach 8 Uhr unseren Schlüssel abgeben und aus dem wunderschönen Örtchen Ditzum wieder herausfahren! Nein, einen kleinen Schlenker drehen wir noch über den Hafen, denn die verpasste Fähre des Vorabends möchte ich noch mal fotografieren. Gefühlt passen auf die Ladefläche ein Auto oder zwei Motorräder, aber eine Gruppenreise scheint damit schon nicht mehr machbar zu sein!
Ich könnte ja sagen, wir landen anschließend im Berufsverkehr von Ditzum. Aber das bedeutet in diesem Fall, dass, wie so oft, einfach niemand auf der Straße ist! Hinter Pogum warnt ein Schild vor Rollsplitt auf der Straße. Wir machen das einzig Richtige, was ein Motorradfahrer da sinnvollerweise macht. Wir halten einfach weiter mit 100 km/h auf die Straße zu!
Hoppala!
Was wir bis eben noch für einen Scherz der Ostfriesen gehalten haben, breitet sich nun großflächig über die ganze Straßenbreite und auf mehreren hundert Metern aus! Trotz aller Warnschilder kommt das Schlingern unserer Bikes dennoch irgendwie echt überraschend! Aber mit großen aufgerissenen Augen unter dem Helm meistern wir auch dieses Paradestück und rollen danach deutlich aufmerksamer südlich Richtung Bad Nieuweschans.
Schon in Holland?
Wir scheinen unbemerkt die holländische Grenze überquert zu haben, denn als wir links abbiegen, begrüßt uns ein Straßenschild wieder in Deutschland! Noch mal hoppala heute morgen.
Wir verlassen für ein paar Kilometer die Route entlang der Grenze, denn Papenburg ruft. Wenigstens einen schnellen Blick auf die Werften und hoffentlich auch auf ein Schiff erhoffen wir uns. Treffer! Ein großes Kreuzfahrtschiff liegt im Wasser und wir können im Vorbeifahren auch direkte mehrere Blicke riskieren!
Hinter Papenburg biegen wir wieder ab und nähern uns über die mäanernden Arme der Ems wieder der holländischen Grenze.
Wir finden einen wunderschönen Platz um eine schnelle Kaffeepause zu machen.
Moor und Kanäle
Es geht kreuz und quer durch die Moorlandschaften entlang der deutsch-niederländischen Grenze, bis wir bei Rütenbrock den Haren-Rütenbrocker-Kanal überqueren. Die gesamte Strecke durch Moor ist wirklich gekennzeichnet durch unglaublich viele Straßenschäden, so dass wir sehr lustig hoppelnd unterwegs sind! Ich bin sehr unschlüssig, was die ideale Geschwindigkeit ist: Schnelles Hoppeln im Fahrwerk oder langsames Schaukeln. Ich probiere beides im Wechsel und hoffe einfach, dass alles an mir und den Moppes dran und an der richtigen Stelle bleibt.
Wir setzen unsere Route parallel zum Nod-Süd-Kanal fort. Die Strecke ist wunderschön und die Eigentümer der verschiedenen Häuschen scheinen auch nicht gerade den letzten Groschen zusammenkratzen zu müssen. Allerdings stellt sich uns schon die Frage, ob hier die größten Fischschwärme der Welt leben oder die Anwohner grenzenlos immun gegen die von uns vermutete Mückenplage sind.
Grafschaft Bentheim
Hinter Twist biegen wir in eine für mich eigentlich vollkommen unbekannte Gegend ab. Hättet ihr gewusst wo die “Niedergrafschaft Bentheim” ist? Ich auch nicht – aber genau dieses Gebiet um Emlichheim und Uelsen ist das Ziel unserer nächsten Kilometer.
Laut meiner Karte fahren wir kleinste Nebenstraßen, aber die Straße von Neuringe nach Ringe ist in Wahrheit eine fantastisch ausgebaute Straße. Vor Emlichheim wollen wir rechts ein Stückchen Richtung Holland fahren. Eine Feuerwehrabsperrung verweigert uns aber die Durchfahrt. Das ist doch mal eine Frage wert. Gemeinsam mit dem Feuerwehrmann, meiner Karte und dem Navi stellen wir fest, dass wir noch vor der offiziellen Sperrung der Grenze hinter dem Ort bereits links Richtung Eschebrügge abbiegen. Diese Strecke ist frei. Somit werden die Pylonen von der Straße geräumt und wir dürfen mit unseren zwei beladenen Rössern durchfahren.
Über Lahr, Wielen geht es immer an der Grenze lang. Immer wieder begrüßen uns Schilder fast in den Niederlanden, bevor wir kurz vor der Grenze noch auf deutscher Seite wieder abbiegen.
Was für eine wunderschöne Landschaft das hier ist! Mal flach, mal waldig, aber überall ganz viele Kanäle. Ich bin total begeistert!
Weiter geht es Richtung Getelo und Halle, als uns Werbeschilder von zu vermietenden Ferienwohnungen in den Blick fallen! Hier machen Leute tatsächlich Urlaub?! Also ich meine, landschaftlich kann ich es absolut verstehen! Aber ich wusste bis eben noch nicht einmal, dass es das hier alles gibt! Andere scheinbar schon!
Hinter Halle biegen wir dann mal wieder nach Holland ab, um in Ootmarsum eine kleine Kaffeepause zu machen! Wir scheinen Zeit zu haben. Immerhin ist es gerade mal 11 Uhr und wir haben die ersten 170 km geschafft. Läuft bei uns.
Geliebte Niederlande
Nach dem Kaffee fahren wir ein Stück auf Oldenzaal zu, bevor wir nach links Richtung Beuningen abbiegen. Ich kann mich einfach nicht sattsehen an dieser wunderschönen Landschaft. Ich weiß wieder einmal, warum ich die Niederlande so mag!
Dass wir bei der Hochzeit mit ganz vielen begleitenden Rössern und einer tollen Kutsche mit ausgeschalteten Motoren länger am Straßenrand gewartet haben, wurde von der Gesellschaft nicht einmal wahrgenommen, geschweige denn wertschätzend beachtet. Nun gut, ich würde es trotzdem immer wieder so machen, aber zumindest ein kurzer Gruß als Dank wäre freundlich gewesen!
Richtung Losser unterqueren wir die A30 und biegen dann Richtung Enschede ab. Mist, verschätzt! Waren die ersten Kilometer noch toll, quälen wir uns nun durch ein paar 30-er Zonen der Enscheder Vororte und hoppeln über eine Unzahl an Drempeln. Das nenne ich mal wirksame Verkehrsberuhigung! Hier muss ich mal zuhause prüfend über die Route schauen, ob man das beim nächsten Mal nicht verbessern kann.
Wir schlängeln uns ein Stück der Grenze entlang und dann sind wir schon in Alstätte, wo ich endlich zu meiner langersehnten Frikandel Spezial komme! Darauf habe ich mich seit Tagen gefreut! Mindestens einmal im Jahr muss es einfach sein.
Einmal Grenze und zurück
Auch wenn es so schön ist in der Sonne, wir müssen weiter! 460 Kilometer stehen auf dem Plan, da fehlen uns noch ein paar. Daher geht es weiter durch das Crosewicker Feld bis nach Zwillbrock.
Wir hüpfen mal eben wieder nach Holland über die Grenze fahren nach Simmelink und lassen bei t’Hilgelo einmal kurz die Füße ins Wasser. Gut, nicht diese Füße sondern nur die Stiefel , aber immerhin!
Wo parkt man an diesem See eigentlich im Sommer? Oder ist der tatsächlich nur für Fahrradfahrer?! Auch bei maps habe ich keinen entsprechenden Parkplatz gefunden und unser heutiger Stopp auf dem Fahrradweg war auch nur mangels Gästen möglich.
Wir umrunden Winterswijk und kurven kreuz und quer durch die Landschaft Richtung Barlo. An Bocholt vorbei durchqueren wir die “Hohe Heide”, als mich mein eigenes Gähnen aus den Träumen reißt! Zeit für eine Pause brüllt mich meine innere Stimme an. Ich wende an einem Kieswerk und so machen wir auf dem Weg nach Dinxperlo im Hahnerfelder Bauernhofcafe noch mal eine schöne Rast im Schatten. Der Wind tut richtig gut!
Am Rhein entlang
In Rees fahren wir über den Rhein! So langsam kommen Heimatgefühle auf!
Wir fahren in Kalkar am niemals in Betrieb genommenen schnellen Brüter vorbei, der mittlerweile ein Freizeitpark ist. Aber die Straße nach Grieth ist leider gesperrt, so dass wir umdrehen und erst ein paar Kilometer später direkt an den Rheindeich fahren können. In Griethausen biegen wir dann auf den Deich ab, dem wir bis kurz vor Nimwegen folgen. Ich liebe dieses Stück am Rhein entlang – kurvig und mit wundervollen Ausblicken auf diesen beeindruckenden Strom!
In einer engen Kurve bei Ooij fahren wir durch die Felder wieder vom Deich hinab und quälen uns durch den Freitagabend-Verkehr in Berg-en-Dal. Irgendwie hatte ich das so nicht in Erinnerung!
Ein Fahrradfahrer quält sich unendlich langsam die steile Straße hinauf und hindert damit die Autos am Überholen. Schrittgeschwindigkeit, bergauf, vollbeladen mit Gepäck und knapp km in den Knochen – das macht so richtig Spaß! In Groesbeek wird es nicht viel besser, aber die nachfolgenden Kilometer entschädigen uns zunächst einmal!
Endspurt
Bei Milsbeek lotst mich mein Navi auf die N271 und möchte dieser 30 km folgen – und das auch noch an einem Freitag Nachmittag! In Nieuw Bergen verlässt mich daher die Lust und die Konzentration, wir die Nationalstraße und genießen einen wohlverdienten Eiskaffee!
Wie gut, dass wir angehalten haben. Mein Navi berechnet neu und in einem großen Bogen über das Leuker Meer fahren wir nun auf kleinsten Straßen kilometerlang, bevor uns in Auwel die Zivilisation wieder hat. Jetzt sind es nur noch ein paar Kurven uber Straelen, etwas Strecke bis Grefrath, ein großer Bogen über Viersen, bevor wir südlich von Krefeld in Meerbusch Osterrath ankommen.
Punktlandung
Nach 480 km und ziemlich exakt 11 Stunden unterwegs laufen wir um 18:59 Uhr beim Stammtisch der Niederrheinstromer ein! Eingeweihte wussten davon, für die anderen war es eine große Überraschung! Aber es ist doch wohl klar: Wenn der Stammtisch ruft, dann kommen wir! So endet der Abend gesellig, lustig, mit vielen Gesprächen und ganz ohne Fotos sortieren, Blogbeiträge schreiben und veröffentlichen!
Die letzten Kilometer geht es zu mir nach Hause. Komisch, so eine Zwischenübernachtung in gewohnter Umgebung mitten auf einer Reise! Morgen geht es weiter Richtung Luxemburg.
Gute Nacht!
Anmerkung des Tages
Anmerkung 1:
Ich habe am Donnerstag den Kulturblog vergessen. Also, an den Deichen entlang warnen viele Schilder vor Straßenboßeln. Und schaut man sich dann einmal den Asphalt an, findet man in weiß oder blau entsprechende Markierungen, die die geboßelte Strecke anzeigen! Zum Nachlesen!
Anmerkung 2:
“Drempel” sind die holländische Antwort auf Verkehrsberuhigung. Je nach Höhe schlagen sie dir ganz schön ins Kreuz oder lassen dich lustig auf und ab wippen!
Anmerkung 3:
“Fieteseren” sind in Holland Zweiradfahrer, denen sie den Motor geklaut haben! Entweder auf lustige Hollandrädern oder in bunten hautengen Pellen, dann meistens im Rudel auftretend, scheinen sie rein rechtlich und moralisch überall Vorfahrt zu haben! Heißen sie “bromfietsen”, dann haben sie den Rasenmähermotor an ihr Fahrrad gebaut und brausen damit kaum schneller als die anderen durch die Landschaft.
Anmerkung 4:
Wir haben auch am Donnerstag in Dornumersiel genau vier Motorradfahrer gesehen. Unsere Überraschung war umso größer, als alle vier junge Mädchen mit A2 Motorrädern waren! Wir sind beruhigt – für Nachwuchs ist gesorgt!
Anmerkung 5:
Ich habe einen gerade flügge gewordenen Spatz im Bauernhofcafé gerettet! Mein Herz ist ganz warm angesicht des kleinen Piepmatzes in meiner Hand!
Anmerkung 6:
Sonnencreme im Auge brennt
Anmerkung 7:
In Deutschland ist ein Eiskaffee ein kalter Kaffee, in den eine Kugel Eis geworfen wird. In Holland dagegen ist dies eine cremige Kaffee-Angelegenheit, die mit viel Karamellsirup gesüßt wird, bevor ein Berg von Softeis darin versenkt wird, um es mit gefühlten sechs Esslöffel Caramelkrümeln als Topping zu belegen! Was für eine Mahlzeit!
Anmerkung 8:
Bis zum Stammtisch hatte ich die Theorie, dass das Absterben meiner V-Strom immer nur mit den Zusatzscheinwerfern passiert. Dies ist aber auf dem Nachhauseweg widerlegt worden. Auch ohne Zusatzscheinwerfer stirbt sie mir an der Ampel ab. Mist, mist, mist!
Anmerkung 9:
Wir hatten heute noch gar kein Blumenbild.
Anmerkung 10:
Ich hoffe, ihr verzeiht mir die fehlerhafte Reihenfolge der Blog-Einträge. Aber Freitag nach dem Stammtisch ging nichts mehr. Und Samstag abend / Sonntag morgen musste der Europa-Blog passend zur Europawahl veröffentlicht werden! Außerdem waren diese Erinnerungen frischer. Wer jetzt noch mal nach Tag 7 den Tag 8 lesen möchte, der klickt einfach hier!
Ohhh wie schön … Ditzum. Da war ich schon so oft. Als Tagesausflügler (mit ner 50er und acht Stunden Fahrtzeit und sehr scherzendem Po) als auch als Übernachtungsgast.
Klasse dort und für Fischfans wie mich sowieso immer ein Genuss.
Weiterhin gute und sichere Fahrt (und hoffentlich keine weiteren Probleme mit dem Standgas / der Zündung).
Beste Grüße,
der Micha
Oooohhh, du warst schon in Papenburg…! Nun ja, vorbei gefahren. Dann kennst du den Weg ja schon. 😉