Hundemüde
Was für eine Nacht! Eigentlich ist hier es totenstill – so mitten in den Bergen. Aber die verschiedenen Hunderudel aus den verschiedenen Waldstücken scheinen nachts über ihre Territorien und sonstige Probleme zu diskutieren! Ist das eine Rudel ruhig, fängt das andere an! Und die, die nicht diskutieren, jaulen!
Wir kommen so in Summe auf 8 Stunden Schlaf, allerdings zusammengerechnet von jedem von uns. Das kann ja heute lustig werden!
Wir packen unser Zeug zusammen, beladen die Motorräder und gehen Richtung Frühstückstisch. Wie gestern Abend haben wir allerdings das Gefühl, etwas zu stören! Sind wir zu früh dran? Oder ist die Saison schon vorbei? Dies ist das erste Mal, dass wir uns nicht willkommen fühlen. Vermutlich bad-guest-day, oder so! 😉
Kurzer Schlenker zum See
Egal, die Zimmer waren wirklich toll! Wir fahren vom Hof und biegen erst einmal nach rechts ab, also in die falsche Richtung! Denn unser Ziel ist der See Lacu Vidra, der in wenigen Kilometern Entfernung liegt. Wenigstens einen kleinen Blick wollen wir darauf werfen! Die Straßenhunde liegen gemütlich in der Sonne und stören sich überhaupt gar nicht daran, das brummende Motorräder sich nähern.
Wir können ein paar tolle Fotos machen, aber auf den nächsten Kilometern am See entlang stellen wir fest, dass wir nicht noch näher an das Wasser herankommen. Okay, dann ist jetzt hier Zeit umzudrehen.
Lacul Oasa
Wir fahren die paar Kilometer zurück und biegen dann vom Lacul Vidra kommend nach rechts Richtung Sebes (Mühlbach) ab. Das nächste Kommando meines Navis lautet, dass ich in 81 km links abbiegen soll! Der Wahnsinn!
Am Abzweig stehen ein paar Motorradfahrer, aber sie sind alle zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um auch nur aufzublicken! Die Straße ist fantastisch! Und wir sind komplett alleine unterwegs. Uns überholt niemand, wir schließen auf niemanden auf, und auch kein Gegenverkehr ist zu erblicken. Wir sind wirklich komplett alleine!
An der Brücke des Lacul Oasa ändert sich dies. Dort steht tatsächlich ein anderes Pärchen und macht Fotos! Aber so wie sie uns zu stören scheinen, scheinen auch wir sie zu stören. Denn bis wir die Helme abgenommen haben, haben sie sich auch schon verzogen. Wir können ungestört Fotos machen!
Die unterhalb der Brücke grasenden Kühe tragen tatsächlich laut läutende Kuhglocken an. Es ist eigentlich totenstill, die Kuhglocken läuten und man könnte meinen, man ist mitten in den Tiroler Bergen!
Wir wollen weiter und ziehen uns wieder an. Im Rückspiegel sehen wir einen großen Holztransporter, der in unsere Richtung fährt. So schnell haben wir noch nie die Motoren gestartet und den ersten Gang eingelegt! Blitzstart! Aber natürlich ist er nach zwei Kurven auch schon wieder im Rückspiegel verschwunden!
Lacul Tau
In diesem Teilabschnitt ist die Transalpina immer noch in einem guten Zustand! Man muss aber definitiv mehr auf tiefe Schlaglöcher und Ausfräsungen der Straße achten! Aber vielleicht sind wir auch einfach nur verwöhnt von den letzten Kilometern gestern, die einfach wirklich frisch geteert waren. Der beste Tipp ist, einfach das Tempo etwas rausnehmen und ein bisschen mehr den Blick schweifen lassen! Man darf nicht vergessen, wir sind auf einer hochalpinen Straße in Rumänien!
Ich starre wie ein hypnotisiertes Kaninchen in die Wälder und Sträucher links und rechts der Straße. Ich möchte noch meinen Bären sehen! Aber leider tut Meister Petz mir diesen Gefallen nicht, vermutlich wagt er sich erst nach draußen, wenn die Temperaturen höher als 8 Grad sind!
Und noch einen Stausee wirft sich uns in den Weg – der Lacul Tau! Also setze ich den Blinker rechts und wir machen noch ein paar Fotos. Hier treffen wir ein motorradfahrendes Pärchen aus Diepholz, zwei Fahrer aus Augsburg und auch zwei Schweizer Motorräder machen hier gerade einen Stopp. Wir haben es aber nicht verabredet, versprochen!
In der Sonne ist es schon deutlich warm geworden und wir ziehen die erste Schicht Klamotten aus. Dies rächt sich fast auf den nächsten Kilometern, denn die Temperatur fällt tatsächlich noch mal bis auf 14 Grad. Da dies aber nur während der wenigen schattigen Passagen im Wald ist, halten wir in Sugag, dem ersten Ort seit vielen Kilometern nur zum Einkaufen. Im nächsten kleinen mixed market kaufen wir eben Wasser und füllen unsere Trinkrucksäcke auf.
Straßengedanken
Von Sebes aus steuern wir als nächstes Ziel Alba Iulia an. Man merkt sehr, dass hier die Autobahn und die große Nationalstraße E81 aufeinandertreffen. Es herrscht sehr viel Verkehr! Überall wird auch gebaut. Wird dies eine Ortsumgehung?
Beim Blick auf meine Straßenkarte sehe ich, dass parallel zur Europastraße eine neue Autobahn gebaut wird. Daher also der ganze Aufwand! Europastraßen sind und bleiben langweilig. Ich singe ein wenig schief unter meinem Helm und hänge Straßengedanken nach.
Rumänien macht wirklich viel an der Infrastruktur. Dies wird das Land verändern – im Positiven wie im Negativen. Man sollte sich als Reisender aber in den nächsten Jahren auf Baustellen an allen Ecken und Enden einstellen. Straßenverhältnisse, die heute noch gelten, können morgen schon ganz anders sein! Und an eine Baustelle wegen möglicher Renovierung der Transfagarasan mag ich gar nicht denken!
Alba Iulia (Karlsburg)
Alba Iulia ist, ich habe es schonmal gesagt, wie alle Großstädte bei der Einfahrt einfach nur hässlich. Wir folgen dem Schild Richtung Zentrum und ich gerate ins Grübeln, warum ich uns diesen Horror antue! Sicherlich stand irgendwas im Reiseführer, was mich zu dieser Wahnsinnsidee gebracht hat. Aber egal, jetzt steuern wir erst Mal den von mir ausgesuchten Parkplatz an.
Irre! Schlagartig ändert sich das Bild und wir stehen unmittelbar vor der Anfang des 18. Jahrhundert im Vauban-Stil erbauten Zitadelle, gleichzeitig der Altstadt von Alba Iulia. Nichts ist mehr zu spüren von dem Großstadt-Rummel, der uns eben noch laut und tosend umgeben hat.
Über die rumänisch-orthodoxe Dreifaltigkeitskathedrale betreten wir dieses Viertel und sind sofort in den Bann gezogen von dieser mittelalterlichen Stadt. Der Ausflug hat sich auch wieder gelohnt. Ganz anders als Sibiu oder Brasov, aber nicht weniger reizvoll!
Wir können uns nicht sattsehen und lassen uns bis auf die andere Seite der Zitadelle treiben.
Tanken-Gedanken
Wir verlassen Alba Iulia Richtung Zlatna. Auf dem Weg dorthin sind in einem Ort heftige Längsfräsungen auf der Fahrbahn. Während das Hinterrad nach rechts rollt, rollt das Vorderrad nach links. Hier muss man wirklich locker in der Hüfte sein, dann schwimmt das Motorrad schon unter einem – irgendwie.
In Abrud tanken wir an einer einsamen Dorf-Tankstelle. Und wie der Zufall es will, steht hier ein Motorradfahrer aus Fürstenfeldbruck und ein gemeinsam reisendes Pärchen aus Österreich. Alle Motorradfahrer an dieser Tankstelle sind also deutschsprachig! Irgendwie haben wir heute an der Stelle einen sehr nationalen Lauf!
Wenn das Schild an der Zapfsäule nicht lügt, tanke ich heute das erste Mal in Rumänien wieder E5 Benzin. Ich hatte schon fast gedacht, dies ist in Rumänien verboten! Vielleicht ist auch nur falsche Aufkleber auf dem gleichen Sprit. Ich glaube nämlich, dass meine V-Strom definitiv E10 nicht gut verträgt. Sie röhrt wie ein alter Hirsch! Mal sehen, ob dies nach ein paar Tankfüllung E5 wieder weggeht.
Heute doch mal Verkehrswahnsinn
Kurz danach bremst uns ein langsamer LKW aus. Endlich ist Platz zum Überholen. Ich setze den Blinker und überhole. Aber bevor Monika reagieren kann, muss der hinter ihr fahrende Skoda Octavia sie überholen und sich zwischen uns quetschen. Was für ein Idiot! Aber wie so oft gibt der Klügere nach und ich lasse den Octavia ein paar hundert Meter weiter mich überholen. Ich hoffe, jetzt ist er glücklich!
In Campeni biegen wir Richtung Vascau ab. Trotz der geringen Größe des Ortes bringen die hier ganz schön viel VerkehsDurcheinander zustande. Fahrspuren enden im Nichts, rechts daneben geht es weiter und jeder fährt ein bisschen, wie er mag. Aber wie so oft in Rumänien, ist es einfach nur entspannt, es wird nicht gehupt (also zumindest diesmal nicht) und alles regelt sich irgendwie von alleine. Ich finde wirklich, dass man heir gerade Motorradfahrern gegenüber unglaublich zuvorkommend ist!
Danach werden die Straßenverhältnisse ein Traum! Ganz frischer Asphalt, komplett neu bemalt und kein einziges Schlagloch! Wir lassen es ein bisschen fliegen, da dies hier nach den anstrengenden vorherigen Kilometern mal richtig gut tut!
Eishöhle Ghetarul Scarisoara
In Garda de Sus liegen wir gut in der Zeit und biegen noch mal nach rechts ab. Das Ziel ist die Eishöhle Ghetarul Scarisoara, die ca. 8 Kilometer entfernt zu besichtigen ist. Uns haben im Vorfeld eigentlich schon die 400 Stufen bergab zum Höhleneingang ein wenig abgeschreckt. Hätte uns aber jemand gesagt, dass wir vorher noch 10 Minuten bergauf laufen müssen, hätten wir uns vermutlich den Umweg gespart. Das wäre aber ein großer Fehler gewesen!
Wir bezahlen brav die 13 Lei Eintritt, durchqueren das aus blitzendem Edelstahl bestehende Drehkreuz und steigen die steilen Metall- und Holzstufen hinab zum Eingang der Eishöhle.
Die Eishöhle ist 700 Meter lang und ca. 105 Meter tief. Die Höhle fungiert als Kältekammer und fängt die eisige Winterluft. Dadurch bildet ein großer Eisblock eigentlich den Boden der großen Halle, während man links und rechts von ihm in die sogenannte “Kirche” schauen kann. Mit einem Volumen von 100.000 m3 und einem Alter von über 3800 Jahren zählt er zwar nur zum zweitgrößten, aber dafür ältesten Eisblock der Welt.
Eiszapfen hängen an der Decke, obwohl wir September haben! Auf den Bildern der deutschsprachigen Beschreibung kann man gut erkennen, wie dies wohl bei winterlichen Temperaturen aussieht. Nicht sehr groß, dennoch absolut beeindruckend!
Wer 400 Stufen hinunter geht, der geht anschließend 400 Stufen wieder hinauf! Wir tun einfach mal so, als wären wir höflich, und lassen ein paar Leute uns passieren. Wenn die wüssten, dass wir einfach nur Zeit zum Luftholen brauchen, würden sie sich nicht so freuen über unsere Höflichkeit. 😉
Kirche Poiana Calineasa
Auf dem Parkplatz der Höhle wieder angekommen, treffen wir einen weiteren Deutschen, der dort oben mit dem Zelt unterwegs ist. Er gibt uns noch einen guten Tipp für einen weiteren Abstecher, falls wir dafür Zeit haben. Und ob wir dafür Zeit haben! Wir biegen also nicht wieder auf dem kürzesten Weg nach Garda de Sus ab, sondern setzen den Blinker links und fahren zu der Kirche Poiana Calineasa auf der Hochebene.
Was für ein lohnenswerter Umweg! Wie verändert die Landschaft hier ist. In den kleinen Hütten, die sich auf den Almen aneinanderreihen, leben die Holzarbeiter, die hier den Sommer über als Saisonarbeiter leben, Pferde wälzen sich zufrieden auf den Wiesen und die Kühe trotten gemütlich Richtung Stall! Hier ist die Zeit stehen geblieben.
Mit der Kirche am Ende der Welt hätte ich auch nicht gerechnet!
Wir nutzen die Gelegenheit für ein paar weitere schöne Fotos, bevor wir umdrehen und uns zurück auf den Weg nach Garda de Sus machen.
Rückweg nach Garda de Sus
Wir nehmen nicht die Route zurück über die Eishöhle, sondern folgen dem Tip des Pärchens aus Sibiu. Der Weg auf der anderen Seite soll wildromantisch sein! Recht hatten sie! Immer schmaler wird die Straße und die Klamm über uns nimmt einem fast das Licht zum Fahren! Wer spricht den von der Bicaz-Klamm, wenn er hier entlang fahren kann!
Ein paar herausfordernde Stellen gibt es auch für uns Motorräder, da hier an manchen Stellen die fehlende Straße recht kreativ repariert worden ist. Aber, kam hier nicht vorhin noch ein Holz-LKW durch?
Pension Mamma Uta
Aber auch der schönste Tag ist einmal zu Ende und wir erreichen kurz nach 6 Uhr unsere Pension Mamma Uta im Garda de Sus. Ich hatte heute morgen überhaupt keine Erwartung an diesem Tag. Es fühlte sich nur noch an, wie ein Stück pflichtbewusster Heimweg innerhalb Rumäniens! Aber was waren das für tolle Eindrücke in Karlsburg und wie kontrastreich ist anschließend die Natur hier oben im Apusenin.
Mit einem eiskalten rumänischen Bier beenden wir den Abend im Biergarten der Pension. Morgen abend sind wir schon in Ungarn, das ist irgendwie unvorstellbar.
Anmerkungen des Tages
Anmerkung 1:
Wir haben Kommentare bekommen, dass wir bestimmte Dinge verpasst haben, weil sie ja daran vorbeigefahren sind oder sie uns nicht angesehen haben! Ich kann allen versichern, wir haben überhaupt gar nichts verpasst! Ja, vielleicht haben wir etwas ausgelassen und eben nicht angesehen. Aber es gibt keinen einzigen Eindruck dieser Reise, auf den wir hätten verzichten wollen zuliebe eines anderen Eindrucks!
Immerhin haben wir so einen Grund, noch einmal wieder zu kommen! 😉
Anmerkung 2:
In Rumänien herrscht auf Autobahnen und bestimmten europastraßen Vignettenpflicht. Derzeit ist aber so, dass Motorräder von der Vignettenpflicht befreit sind. Informiert euch bitte vor der Einreise in das Land, ob das noch so ist. Ich finde es sehr entspannend, wenn man sich sonst einfach eine Vignette holt und nicht darüber nachdenken muss, auf welchem Typ Straße man gerade unterwegs ist.
Anmerkung 3:
Ich danke allen für die vielen Kommentare hier im Blog, auf Facebook oder Instagram. Bitte habt Verständnis dafür, dass ich während meiner Reise es umgekehrt leider nicht schaffe, andere Reiseberichte ausreichend zu würdigen. Aber ich verspreche euch eins, das wird alles nachgeholt!
Anmerkung 4:
Monika findet die Transalpina auf dem Zwischenteil vom Straßenzustand her schlechter als die Transfagarasan. Sie meint, hier reicht keine rumänische acht, sie braucht hier eine rumänische 16! ( und wer nicht weiß, was damit gemeint ist, lese noch mal den Blogbeitrag vom Vortag genau durch. 😉 )
Anmerkung 5:
Irgendwie ist mir Monika unheimlich! Sie merkt schon an meinem Fahrstil, dass ich unbedingt noch zur Öffnungszeit an der Eishöhle sein möchte! Dabei habe ich doch gar nichts gesagt!
Anmerkung 6:
Heute morgen war es eiskalt und Monika und ich haben angezogen, was wir besitzen. Dazu gehören natürlich auch warme Socken in den Stiefeln. In Karlsburg waren es 30 Grad und nach den 400 stufen bergauf aus der Eishöhle waren es in den Stiefeln schon ca 70 Grad. Wie gut, dass wir warme Socken anhaben! Ich glaube, ich werde diese mit einer Zange ausziehen und in einem luftdichten Beutel verstauen.
Anmerkung 7:
Ab Alba Iulia hatte ich mal wieder ein Viech auf der Kamera! Sorry dafür! Ihr habt also keinen Sehfehler!
Anmerkung 8:
Eine Wortkreation von mir hat sich in meinem Sprachgebrauch schon fest etabliert. Ich mache Fotos entweder hochkant, oder querkant! Ich merke gar nicht mehr, dass es dieses Wort gar nicht gibt.
Die Route
https://www.petrom.ro/ro-ro/statii-de-distributie/carburanti
Sehr schön, Alba ist auch unser Ziel
Sehr schön. Alba ist meine Heimat. Toll es zu sehen. Danke