Affengeiler Tag beim ADAC

Was für ein affengeiler Tag war das bitteschön am vergangenen Mittwoch im ADAC-Fahrsicherheitszentrum in Grevenbroich.

 

Jährliches Sicherheitstraining

Wie in jedem Jahr steht zu Beginn der Saison das (für mich ) obligatorische Sicherheitstraining auf dem Plan. Wie in den vergangenen 3 Jahren starte ich mit dem Perfektionstraining 2, weil es einfach eine super Mischung aus allen wichtigen Themen für mich ist, weil es ein Ganztagestraining ist und weil es ein Training mit “Knopf im Ohr” ist.

Aber mal ganz von vorne:

Früh beginnt der Tag für mich, denn abweichend zur täglichen Morgenroutine des Büro-Menschen gilt es heute die Siebensachen für das Motorradtraining zu packen. Kopfhörer nicht vergessen, Schokokese für den Leistungseinbruch und Zwiebelschichten, da es morgens noch recht kühl , aber ein Traumtag bis 28° Grad angekündigt ist. Mich durch den morgendlichen Berufsverkehr quälend kommt noch nicht wirklich Motorradfeeling auf, noch fühlt es sich wie eine sehr lästige Pflicht an.

Dies ändert sich schlagartig, als ich das Fahrsicherheitszentrum betrete. Nach so vielen Trainings und Besuchen von Veranstaltungen fühlt es sich ein bisschen wie nach Hause kommen an. Dies verstärkt sich, als ich die ersten Teilnehmer und meine beiden Lieblingstrainer Ralf und Ralf begrüßen kann! Im angenehm kühlen Schatten sitzend komme ich mit einem Latte Macchiato so langsam auch gefühlsmäßig beim Training an.

 

Begrüßung durch den “Helmwächter” 😉

 

Wiederholungstäter

Die Vorstellungsrunde zeigt schnell, dass eine Menge Wiederholungstäter am Start sind. Für mich ein untrüglichliches Zeichen, wie langweilig, öde und unnötig solchen Trainings sind, wenn sich so viele Jahr für Jahr einfinden, um zum Saisonstart an einem tollen Tag die müden Winterknochen auf die kommende Zweiradsaison vorzubereiten.

Eine der größten Überraschungen ist das Fehlen der Übermacht an 1200 GS-Fahrern. 😉 Diesmal sind die 650er V-Stroms mit einer Anzahl von 3 die stärkste Fraktion, wobei meine natürlich schon rein optisch die schönste ist. 😉 (Und ich urteile stets objektiv! )

Die Vorstellungsrunde fällt dementsprechend knapp aus, da die meisten Teilnehmer sehr konkrete Vorstellungen und Wünsche an das Training haben. Ralf und Ralf sind ein eingespieltes Team und bereiten uns schon im Teilnehmerraum mit ihren Sprüchen auf einen sehr amüsanten Tag vor. Der Technik-Check mit den bereitgestellten Funkgeräten beendet den gemütlichen Teil des Tages und es geht nach dem Gruppenfoto (auf den 18.4.2018 klicken)  auch schon immer hinter dem Trainer her auf den Trainingsplatz.

In den Eingewöhnungsrunden geht es immer dem Trainer hinterher. Wir sollen seiner Linie folgen, um ein Gefühl für die Ideallinie zu bekommen und uns beim Fahren in Komfort-Geschwindigkeit schon mal an das Einüben vorher erläuterter Abläufe zu gewöhnen.

Gemeinsame Besprechungen am Streckenrand, Tips, Hinweise und Tricks, wechseln sich mit intensiven Fahrpraxis-Anteilen ab. Nach dem Fahren auf der Ideallinie sollen nun auch mal Varianten für den Notfall geübt werden, wie z.B. dem ausländischen Reisebus, der beide Fahrspuren nutzend uns auf dem italienischen Pass entgegenkommt und uns nur noch einen schmalen Straßenrand für unsere Bergaufkehre nach rechts übrig lässt.

 

Ordentlich in Reih und Glied – wie bei Le Mans!

 

Bergabbremser und Schattenparker

Nach der ersten Kaffeepause steht die Vollbremsung bergab auf dem Programm. Spannend zu spüren, wieviel mehr Motorrad noch mal schiebt, wenn man sich bergab bewegt. Auch das “Abstützen” auf dem Lenker sollte nun endgültig sein gelassen werden, da dies das Gesamtfuhrwerk unangenehm instabil macht.

Wer glaubt, das wäre schon alles gewesen, der hat den anschließenden Trainingsparcour noch nicht gesehen. Auf zwei verschiedenen Spuren dürften wir Manöver in der Kurve üben.

Ein Trainer war für “Ausweichen in der Kurve nach innen”, “Ausweichen in der Kurve nach außen” und “Überfahren einer Holzlatte in Schräglage” zuständig, während Ralf (also der andere Ralf) uns die Vollbremsung in der Kurve näher bringen durfte.

Beim Ausweichen in der Kurve spürt man deutlich, welche Kräfte eigentlich zu bewegen sind, wenn man das Motorrad von der gewünschten Linie nach außen und dann wieder nach innen drücken muss bzw. umgekehrt. Beim Überfahren des Hindernisses ist es (wie bei allen Notmanövern) wichtig, dass die Kupplung gezogen wird und ansonsten man das Motorrad einfach weiter rollen lässt. Leider hat es mich 3 Aufforderungen durch den Kopfhörer gekostet, bis ich akzeptiert habe, dass “nicht das Motorrad aufrichten” auch “nicht mal ein kleines bisschen” bedeutet. Ich bin aber trotzdem zufrieden mit mir, habe ich doch noch vor 2 Jahren fast artistische Einlagen geliefert, weil ich vor Panik vor dieses Holzlatte die kleinsten Lücken zwischen den Markierungspylonen als Durchfahrts- (und Flucht-) Möglichkeit interpretiert habe.

 

Mein Freund – die “Latte”

 

Viel besser lief es bei der Vollbremsung in der Kurve. War auch hier vor 2 Jahren meine Blickführung, na ja, sagen wir mal “verbesserungswürdig” und  das sanfte Ablegen meines Motorrads nach dem Stillstand wurde nur durch das vorausschauende Zupacken meines Trainers verhindert, habe ich es nun doch so verinnerlicht, nicht vor meinen Reifen zu starren, dass ich ab dem ersten Bremsversuch jede Notbremsung sicher bis in den Stand ausführen konnte.

Bei den immer wieder eingeschobenen Besprechungen wurden wir zunehmen zu Schattenparkern, da die Lufttemperatur von 27° Grad sich in der prallen Sonne und Motorradsicherheits-Bekleidung zunehmend zu “Backofen” und “Grillgut” entwickelten.

Davon lassen wir uns aber nicht herunterziehen (wer möchte als Biker schon schönes Wetter) und genießen nach der anstrengenden ersten Halbzeit unser verdientes Mittagsessen im Schatten.

Schnitzelstarre

Nach dem Mittagessen setzt die allgemeine Lethargie ein. Ein Schläfchen im Schatten der Bäume würde uns wohl allen gefallen! 😉 Aber wir sind ja nicht zum Vergnügen hier und folgen auf neuem Parcours wieder unseren Trainern.

Doch schon bei der ersten Unterbrechung, um eine neue Station unseres Parcours zu besprechen, stelle ich fest, dass ich keine Synapse mehr habe, um mir die zuvor eingeprägte Strecke ernsthaft zu merken. Sollte mein Gehirn schon um 13:00 Uhr auf Durchzug stellen?! Ich hoffe, mal nicht! Ich entscheide, die ersten Runden hinter einem ortskundigen Teilnehmen zu fahren.

 

Parcoursbesprechung, im Schatten natürlich!

 

So besprechen wir zuerst den Parcours auf dem Rückweg, auf dem wir aus hohen Geschwindigkeiten mit und ohne Bremsen vor einem Hindernis auszuweichen. Ich glaube, das bekomme ich hin. Gegenrichtung sind drei Bremswege parallel aufgebaut, einmal “einfach so”, einmal über zwei im Boden eingelassene Stahlplatten und einmal über den mittlerweile von mir so geliebten Quarzsand. Noch drei Trainings und ich packe beim Anblick vom Sand vergnügt meine Förmchen aus! 🙂

Diiese Runde laufen echt gut und ich stelle an allen Stationen fest, wie sehr sich einige Abläufe dann doch schon bei mir eingeprägt haben. Einzig das versehentliche Lenkerdrücken beim Sandbremsen lässt den Puls meines Trainers kurz ansteigen. Gut, meinen auch, aber auch das “lächeln und weiteratmen” habe ich mittlerweile so verinnerlicht, dass ich trotz Herzklopfens strahlend meinen Helm für die Einzelkritik öffnen kann.

Bei der letzten Übung vor der Pause ist noch mal höchste Konzentration gefordert. Eigentlich geht es nur um das Umfahren von Pylonen, im Fachjargon auch “Slalom-Kurs” genannt. Aber das wäre für das Perfektionstraining doch zu einfach. Was in den ersten beiden Durchgängen noch ein einfach zu durchfahrender Parcours ist, verändert sich ab da von Runde zu Runde, so dass man mal in Schrittgeschwindigkeit durch zwei sehr enge Pylonen fahren muss, dann wieder ein ganz aus der Reihe aufgestellter Pylon einen fast zu einer gefahrenen Acht zwingt. Ganz gemein wird es, als Kreidezeichnung zwischen den Pylonen weitere Anweisungen geben, wie die weitere Fahrtrichtung nun ist. Als wir dann zu guter Letzt einige Pylonen vollständig umkreisen mussten, dabei auf die anderen Teilnehmer achten und selber noch die perfekte Blickführung an den Tag legen sollten, schrieen nicht nur in meinem Kopf die Stimmen “K-A-F-F-E-E”!

PAUSE

Diese Pause ist wohlverdient und wir alle haben mit den warmen Temperaturen und den durchaus anspruchsvollen Aufgaben zu kämpfen. Aber nach Kaffee, Wasser und anderen Kaltgetränken stürzen wir uns wieder voller Tatendrang auf die Motorräder und sind gespannt, was die letzten Einheiten des Tages bieten werden.

“Immer in der Reihe fahren” ist die letzte Übung. Klingt langweilig? Ist es aber nicht!

Je die Hälfte der Teilnehmer fährt hinter einem Trainer auf dem Rundkurs, der durch lange Kurven, Geraden, Engstellen und Richtungswechsel geprägt ist. Nach 2-3 Runden lässt sich der hinter dem Trainer fahrende ans Ende der Gruppe fallen und der bis dahin zweite der Reihe fährt nun unmitelbar hinter dem Trainer. Das Fahrtempo wird dem jeweils hinter dem Trainer fahrendem angepasst, so dass dieser sich in seiner Geschwindigkeit ganz auf die perfekte Linienführung des Trainers konzentrieren kann und somit ein Gefühl für wechselnde Kurvenradien mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten entwickeln kann.

 

Das Trainingsgelände hatten wir fast für uns alleine!

FAZIT

Mein Fazit nach 9 Stunden beim Training fällt genauso aus, wie ich es in der Überschrift geschrieben habe. WAS FÜR EIN AFFENGEILER TAG!!!

Ich finde diese Trainings so wertvoll, so lehr- und hilfreich und verstehe nicht, warum man oftmals verpönt angeschaut wird, wenn man zugibt, ein Trainingsjunkie zu sein! Wenn ich mir anschaue, wieviele Motorradfahrer die Fußraste als “Fersen-Abstützpunkt” verstehen, mit rundem Rücken in der Sitzbankvertiefung kauern und mit durchgestreckten Armen die vordere Haltestange umklammern, denke ich mir oft, dass alle paar Jahre ein Training fast verpflichtend sein müsste.

Ich für  mich freue mich schon auf das nächste Training, ich glaube, es dürfte diesmal etwas mit  “Kurve” im Titel sein! Ich durchblättere mal den virtuellen Katalog, es wird sich schon was passendes finden.

In diesem Sinne: Bis zum nächsten Mal FSZ-Grevenbroich, bis zum nächsten Mal Ralf & Ralf!

 

Anmerkungen des Tages:

Anmerkung 1:

Ihr glaubt mir nicht, dass dies tolle Tage sind? Bei meinem  Bericht vom letzten Jahr seht ihr mal das Bild eines unglücklichen Teilnehmers. 😉

 

Anmerkung 2:

Hatte ich vor dem Training noch den Eindruck, dass mein Reifen bedingt durch die wenigen Kurvenfahrten im Baltikum eine höhere Laufleistung als gewöhnlich haben wird, so wurde ich bei den warmen Nachmittagstemperaturen eines besseren belehrt. Das ein oder andere Mal schmierte der Reifen doch merklich und hat mir auf den letzten Fahrrunden ein wenig das Vertrauen genommen. Die WAPU-Tour muss er aber noch durchhalten, doch die neuen schwarzen Gummis sind ja bereits bestellt.

 

Anmerkung 3:

Der Blick eines Teilnehmers beim Anblick der Bremsstrecke mit Quarzsand erinnerte mich wirklich an mein erstes Perfeksionstraining 2, als ich die Ankündigung auf Sand zu bremsen bis zum Schluß für einen Scherz unserer Trainer gehalten habe.

 

Anmerkung 4:

Die Fußraste als “Fersen-Abstützpunkt” zu bezeichnen, ist die technische Darstellung. In meinen Helm murmel ich immer nur “Ach du Schreck, wieder Entenfüße!”: Was ist uncooler, Sicherheitstraining oder Entenfüße? Ich kenne meine Antwort darauf!

 

Anmerkung 5:

Ob es nur das Perfektionstraining 2 gibt? Mitnichten!!! Einen tollen Bericht zum Kurventraining findet ihr bei motorrado, auch quasi druckfrisch, nur mit mehr Rauhreif! 😉

Aber auch die Rheinische Post hat es sich nicht nehmen lassen, einen schönen Erfahrungsbericht online zu stellen. Viel Spaß beim Lesen!

 

Anmerkung 6:

Selber Lust auf ein Training bekommen? Sofern Du aus der Nähe von Grevenbroich kommst (ich sage mal, bis 150 km ist das immer einen Besucht werd), dann klick doch mal hier in das Angebot beim FSZ Grevenbroich. Gilt auch für Autotrainings! 😉

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13 comments on “Affengeiler Tag beim ADAC

  1. Liest sich sehr gut. Ich bin auch der Meinung dass so ein Training Pflicht sein müsste. Und wenn du nächstes Mal Kurven möchtest, dann überlege dir doch mal nach Gross Dölln zu kommen. Ich sage dir auch rechtzeitig Bescheid. Wir sind nächste Woche wieder da und ich freue mich schon tierisch drauf. Vor allen Dingen wie sich meine neue Africa Twin mit DCT so macht.
    LG Rocco

  2. Na, nach Deinem wie immer toll geschriebenen Bericht habe ich ja gleich doppelt Lust auf unser Perfektionstraining 2 nächste Woche – hoffentlich auch bei Ralf und Ralf.

    LG Brigitte

    1. Hallo Brigitte,
      Eigentlich wollte ich ja auf einen Kaffee vorbei kommen. Leider haben wir aber eine ganztägige Veranstaltung, so dass ich es nicht schaffen werde. Wünsche euch mindestens genau so viel Spaß wie uns!

  3. Hallo Julia,

    danke für das virtuelle Mitnehmen auf das Training!
    Bei den Temperaturen sicherlich kein Zuckerschlecken?

    Diese “Schnitzelstarre” (ha, das Wort trifft’s auf den Punkt! 😉 ) hat dazu geführt, dass ich mittlerweile eigentlich Halbtages-Trainings vorziehe.
    Bremsen auf Quarzsand (*kreisch!*) klingt aber definitiv nach einer Kampfansage an den inneren Schweinehund, daher gehört meine Entscheidung wohl nochmal überdacht… 😉

    LG und danke für’s Verlinken 😀
    Susy

  4. LIebe Julia,
    Perfektion nicht nur das Training sondern auch Dein Bericht. Ich weiß auch nie was überwiegt, der Lern- oder der Spaßfaktor. Wir waren eine echt nette Truppe mit pefekten Trainern.
    Einzige Kritik: Warum erfahre ich erst jetzt, dass Du Schokokekse an Bord hattest?

  5. Auch ich absolviere jedes Frühjahr ein FST und ein Schräglagen Training, aber dass man darüber einen so spannend zu lesenden Bericht schreiben kann, weiss ich erst seit heute.
    Vielen Dank, Julia

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