Tag 2 – Es geht weiter
Ich habe gut geschlafen. Ich habe mir das auch verdient! Dennoch bin ich früh wach und folge der Empfehlung von Marcus und schleiche mich auch um 7:00 Uhr schon mal ins Schwimmbad. Einfach schön, einfach erfrischend, morgens ein paar Bahnen zu ziehen und den Körper auf seinen Einsatz vorzubereiten.
Leider hat der Chef des Hauses vergessen, mir den versprochenen Schwarztee auf das Buffet zu stellen, so dass das anschließende Frühstück leider wieder einen halben Punkt Abzug bekommt. Ich hole mir von Burkhardt noch eben einen Tip zur Weiterversorgung meiner Brandwunde, denn die hat die Nacht über schon gezwickt und auch zum Frükstück konnte ich noch nicht wieder in langer Hose erscheinen!
Den großen Christo nachahmend hülle ich mein Bein in einen wunderschönen Verband und hoffe, dass ich so den Tag überstehe. Aber kaum habe ich die lange Unterwäsche und die Hose drüber gezogen, stelle ich fest, dass der Verband Wunder bewirkt. Nichts scheuert, nichts drückt, so wird es in jedem Fall gehen.
Abfahrt
Zeit für ein Gruppenfoto muss einfach sein. Ich stelle fest, dass ich “meine” Beta schon fast wie selbstverständlich in die richtige Position schiebe und nicht mehr inständig befürchte, sie dem nächstbesten einfach vor die Füße zu werfen.
Einzig das Aufsteigen ist mit einem leichten Muskelkater in den Knochen vielleicht nicht so grazil wie am Vortag, aber ich habe das Gefühl, dass ich nicht die einzige mit den ersten Ermüdungserscheinungen bin. Sind Ernie Troelf vom Handwaschpaste-Blog und Marcus vom Kradblatt gestern noch in der Sportgruppe gefahren, gönnen sie sich heute die gelassene Gemütlichkeit und cruisen mit uns durch die Landschaft. Bleibt ja dann auch viel mehr Zeit für Fotos – also für die beiden! 🙂
Die Motoren werden angelassen, Gruppe eins setzt sich in Bewegung und auch wir machen uns für die Abfahrt bereit. Gang rein, Gas geben, losfahren und erst mal setzen! Autsch – nein stehen! Ich spüre ganz – GANZ – genau, wo ich gestern auf der gemütlichen Sitzgelegenheit der Beta gesessen habe. Sollte ich jemals eine eigene Enduro besitzen, springe ich über meinen Anti-Schaffell-Schatten und schnalle gleich zwei der wollenen Popo-Schmeichler mit auf die Sitzbank.
Wir nehmen heute eine andere Route, einzig die erste Abbiegung nach rechts in den Sandweg ist die gleiche von gestern morgen! Jetzt weiß ich ja, was auf mich zu kommt, erinnere mich an den Sturz und eiere vermutlich noch uneleganter als am Vortag um die Kurve. Aber – gestanden! Ich denke, das gefühlt Schlimmste des Tages habe ich schon überstanden.
Wenn Knoten platzen
Aber es ist tatsächlich so, dass bei mir gefühlt ein bisschen der Knoten geplatzt ist und der Anspannung des Vortags weicht schon früh am Morgen die Vorfreude auf den Tag. Während ich also das Gefühl habe, schon recht zügig unterwegs zu sein, bemerkt Marcus bei der ersten Pause den doch sehr drastischen Tempo-Unterschied zur Sport-Gruppe. Ich finde, man darf aber auch nicht vergessen, dass neben mir Anfängerin hier auch echte Schwergewichte wie eine F 650 GS Dakar und eine TT600 unterwegs sind und Hartwig und Thomas als deren Piloten ein paar mehr Kilos durch die Mecklenburg-Vorpommersche Sahara treiben.
Hätte mich Marcus Bemerkung gestern vermutlich endgültig demoralisiert, perlt sie heute an meiner neu gefundenen Enduro-Begeisterung einfach ab. Heute finde auch ich, dass ich das toll mache! 🙂
Wo wir gerade bei “Spaß am Endurofahren sind”. Nicht alle hatten immer und überall ihren Spaß. Gerade die TT mochte es nicht, wenn Sie warm abgestellt und sofort wieder gestartet werden musste. Dann betrat nach gefühlten 100 Versuchen bei 35 Grad Jens – der Kicker – die Bühne und seinem gezielten Tritt hatte die Yamaha nicht mehr entgegenzusetzen und ergab sich brummend ihrem Schicksal. Sollte ich jemand eine eigene Enduro haben, braucht sie neben dem Schaffell auch in jedem Fall einen E-Starter. DAS würde ich mir keine 2 Minuten antun!
Thomas – Hut ab!
Stand der gestrige Tag eher unter dem Motto des Arbeitens, der single trails und engeren Passagen, so machen wir heute richtig Strecke und lassen es – für meine Verhältnisse – richtig laufen. Unsere großen Abstände bleiben allerdings, denn der Staub ist nicht weniger geworden.
Schattenparker
Die erste Pause machen wir dementsprechend dann doch lieber an einem schattigen Plätzchen und genießen wieder einmal das Glück, dass unser Tourguide so schöne Stellen direkt am Wegesrand kennt.
Stolz meistere ich kleine Baumstämmchen, die mir gestern noch den eh schon vorhandenen Schweiß auf die Stirn getrieben hätten, surfe durch meinen verhassten Sand und steuere meine Beta per Sprachsteuerung. Glaubt ihr nicht! Geht aber!
Fährst Du auf Sand zu, sagt dein Kopf: “Sag mal, bist Du bescheuert, fahr sofort langsamer.” Meine innere Stimme schafft es auch nicht, die Stimme im Kopf zu übertönen. Wenn man aber im Helm laut zur Beta spricht “Gas stabilisiert, Gas stabilisiert, Gas stabilisiert.”, dann schaltet sich der automatische Fahrassistent zu und verhindert das langsamer werden.
Weiter Befehle sind: “Nicht bremsen, nicht bremsen.”, “fahren, fahren, fahren” und “Gas, Gas, Gas”!
Wir schlucken bei der Hitze so viel Staub, dass wir unglaublich viel trinken müssen und jede Pause im Schatten genossen wird. Wichtig ist auch das Auffüllen der Trinkrucksäcke, ohne diese Wassermassen wäre der Trip bei den Temperaturen gar nicht möglich.
Weiter geht es durch die wunderschöne Landschaft Mecklenburg Vorpommerns. Orte wie Gamelin oder Vellahn tauchen vor uns auf und verschwinden hinter uns wieder in unserer uns verfolgenden Staubfahne.
Wasser und Sand
Weitere kleine Erfolgserlebnisse erfreuen mein Herz. Ist es für mich auf der Straße so, dass ich wirklich den Blick weit vorne habe, so ertappe ich mich auf der Enduro doch immer wieder, dass ich auf die Kuhle vor mir starre, die ich auf keinen Fall durchfahren möchte. Aber ein gezielter Blick links daneben, etwas mehr Schwung durch einen beherzten Dreh am Gas und schon fahre ich ohne Rutscher wenige Zentimeter an der Kuhle vorbei. Juhuu!
Kurz darauf durchziehen tiefe, ausgetrocknete und damit harte Furchen unseren staubigen Weg. Es verschlägt mir ordentlich das Hinterrad und ich habe keine Ahnung, warum ich noch oben sitze! OK, Übermut tut auch nicht gut. Bei der Geschwindigkeit hätte ein Sturz schon ordentlich weh getan.
Ein kleiner See ist unser nächstes Ziel und es wird die Zeit ordentlich genutzt zum Fahren, Fotografieren, beeindruckt schauen und Selfies machen!
Zu meiner Entschuldigung (für das Nicht-Fahren) muss ich wirklich sagen, dass ich bei aller Euphorie dringend Kräfte schonen muss. Außerdem fällt es mir nach wie vor leichter, wie ein Lemming treu der Gruppe hinterher zu fahren und mir nicht selber an einem Hügel über dessen Befahrbarkeit Gedanken machen zu müssen.
Nach ein paar tollen Runden am See drehen wir wieder ab und es geht weiter Richtung Sandwüste! 😉 Glaubt ihr nicht?
Leider bleibt dieser Anblick nur ein paar Auserwählten vorbehalten, da die TT sich standhaft weigerte wieder anzuspringen und wir Vorausgefahrenen wieder umdrehen, um Thomas bei gefühlten 60 Grad in der Sonne einzusammeln.
Jetzt spiele ich mit
Also geht es weiter über Sand- und Feldwege, die Sonne brennt erbarmunglos. Sehr willkommen ist daher der schattige (Enduro-) Spielplatz im Wald. Ich frage mich, wie Rainer so was immer wieder findet. Selbst ich genieße es hier ein paar Runden zu drehen und mir hier und da auch mal meinen eigenen Weg zu suchen.
Zu guter Letzt nutze ich das Angebot von Matthias, einmal die kleine Schwester meiner Beta 4.0, nämlich die Beta Alp 200, eine Runde über den Parcours zu schicken. Genial, fährt sich leicht wie ein Fahrrad, aber tuckert brav jeden Hügel rauf und runter.
Als dann auch noch Marcus mir anbietet, auch seine Honda CRF 250 einmal probezufahren, bin ich im 7. Himmel. Eigentlich liegäugel ich ja schon ganz lange mit der Kleinen…
Das Fahren ist super. Sie ist zwar deutlich schwerer als die kleine 200er Beta, wirkt aber immer noch handlicher als die Beta Alp 4.0. Einzig die Sitzhöhe zaubert mir kein Lächeln ins Gesicht. Was das angeht, passt mir die in der Sitzhöhe deutlich niedrigere Beta besser. Im Gelände könnte mir mit der Honda schon mal der Boden unter den Füßen ausgehen, da muss ich einfach realistisch sein.
Höhenflug
Auch dieser Tag neigt sich so langsam seinem Ende zu. Stur folge ich den Spuren meiner Mitstreiter als sich plötzlich vor mir ein Hügel erhebt. Wie war das noch mal mit dem vorausschauenden Blick?
Beherzt drehe ich am Gas und erklimme die sandige Bergaufpassage. Oben geht es scharf nach rechts, also Gas weg, Lenker einschlagen, Blick weder nach vorne, so dass ich ein paar Meter weiter neben den anderen Motorrädern stehen bleiben kann. Beim Blick zurück traue ich meinen Augen kaum – DA (!) bin ich hochgefahren?! Nie im Leben!!!!
Ich lasse mich von den wirklich ermunternden Worten meiner Mitstreier mitreißen und beschließe, diesen Hügel noch einmal in Angriff zu nehmen, nur etwas weiter rechts. Wir drehen also ein Stück weiter ab, fahren bergab, biegen wieder Richtung Hügel ab und… und…. und….ich halte an.
Jetzt weiß ich ja, wie steil der Hügel ist und dass ich da nie im Leben hochkomme. Es nützen keine Worte, es nützt kein Aufmuntern, ich trau mich nicht!
Aber in diesem Fall deprimiert mich das gar nicht. Ich habe viel geschafft in den letzten beiden Tagen, ich habe heute auch einfach keine Kraft mehr und möchte mir vielleicht auch meinen sturzfreien Sonntag nicht doch noch rein statistisch versauen. Also warte ich brav, bis sich alle wieder nach ihrer Runde bei mir eingefunden haben und wir gemeinsam die letzten Kilometer bis zum Hotel in Angriff nehmen.
Immer seltener schaffe ich es im Stehen zu fahren. Untrainierte Oberschenkel geben einfach nach zwei phantastischen Tagen auf. Da wir aber nur noch auf Feldwegen und Asphalt die letzten Kilometer zu bewältigen haben, ist meine Sitz-Blockade in diesem Fall auch kein Problem. 😉
Eine erfrischende Dusche und das obligatorische Tasche-packen beenden einen für mich abenteuerlichen Ritt in die sandige Wüste Mecklenburg-Vorpommerns.
Einfach genial!
Anmerkungen des Tages:
Anmerkung 1:
Was hatte ich am ersten Morgen die Hosen voll, wollte niemanden ausbremsen und habe mir viel weniger zugetraut. Sicherlich sind wir auch deswegen die weniger anspruchsvollen Strecken gefahren, aber keiner meiner Begleiter hat mir je das Gefühl gegeben, dass ihnen deshalb der Tag weniger Spaß macht oder sie auf etwas verzichten müssen. Frauen dieser Welt – traut euch das auch und geht mal Endurofahren! Ich glaube, Männer brauchen das Gefühl ritterliche Unterstützer zu sein. Und ich sage euch eins – sie machen diesen Job verdammt gut! 🙂
Daher danke an Michael, Matthias, Hartwig, Jens, Thomas, Patrick, Marcus und den tapferen Rainer, der mich auch immer wieder super motiviert hat.
Anmerkung 2:
Ich habe euch inspiriert? Ihr wollt auch einmal los? Endurofuntours hat verschiedene Touren in Mecklenburg-Vorpommern, in Polen oder in Frankreich im Angebot.
Schaut doch mal einfach rein.
Anmerkung 3:
Sehr gut fand ich übrigens die Verhaltensregeln, die uns zur gegenseitigen Rücksichtnahme am ersten Tag schon mit auf den Weg gegeben worden sind. Treffen wir auf Hunde, warten wir, bis der Besitzer diesen an die Leine genommen oder anderweitig unter Kontrolle hat. Treffen wir auf Pferde, wir SOFORT der Motor ausgemacht und erst deutlich nach dem Vorbeigehen wieder leise angemacht.
So funktioniert Rücksichtnahme und lässt Endurofahrer weiter willkommen sein.
Anmerkung 4:
Meine neuen Endurostiefel sind phantastisch! Obwohl sie blitzneu waren und ich extra die frisch gekauften Blasenpflaster als Tagesgepäck stets mitgeschleppt habe, drückte und zwickte es überhaupt nicht. Mit Schrecken erinnere ich mich an die Vorgänger. Bei denen wusste ich nach dem Training nicht, wie ich zu Fuß noch bis zum Auto kommen soll, so wund waren die Knöchel!
Anmerkung 5:
Beim Blick durch die Bilder von meiner Deutschlandreise aus Mai sind mir diese hier in die Hände gefallen.
Habe ich das wirklich mit der vollbepackten V-Strom gemacht? Bin ich eigentlich total irre? (Und ist Monika mit ihrer CBF 1000 hinter mir nicht noch viel verrückter?)
Anmerkung 6:
Ich bin abends noch die 500 km wieder nach Hause gefahren. Es war lange hell, die Autobahnen waren leer, es lief super. Einzig der einsetzende Muskelkater ließ mich wie eine 100-jährige aus dem Auto steigen. Tat das rechte Bein wegen der Brandblase weh, so verweigerte das linke nach 2 Stunden Stillsitzen (ich fahre Automatik) jegliche Kommunikation mit mir, so dass ich mit einem gefühlten Holzbein und humpelnd die Autobahnraststätten betrat. Wer mich so gesehen hat, wird den Kopf schütteln, dass ich mich in dem Zustand direkt nach der nächsten Endurotour umgesehen habe.
Anmerkung 7:
Was hat die Sportgruppe eigentlich am ersten Tag gemacht?! Naja, “Mopped vergraben” und “Wer sein Mopped liebt, der schiebt”. 😉
Anmerkung 8:
Danke an Ernie Troelf vom Handwaschpasteblog, Marcus vom Kradblatt und Tourguide Rainer für die Bereitstellung ihrer Bilder! Wer wissen möchte, wie es Ernie Troelf gefallen hat, der kann sich ja mal hier umschauen.
Danke auch an Jochen Ehlers von Endurofuntours für die nette Einladung!
Anmerkung 9:
Teil 1 – wie alles begann – findest Du hier!
Hut ab, Julia, Du hast echt Mumm!
Beeindruckte Grüße
Susy
Da bekommt man richtig Lust drauf. Ich mache erst mal mit meiner AT eine leichtes Training in Groß Dölln. Dann schauen wir mal weiter.
Jetzt haste mich ganz ❤️
Hihi.. Das freut mich sehr… Auch die blasen an den Händen sind ja irgendwann verheilt. 😉 den lenker immer locker halten
“Der Gas ist dein Freund” hat unser schwedischer Freund uns beim Sicherheitztraining auf Schotter erklärt.
Nun hast du die CRF ja schon im Dreck Probegefahren, vieleicht kann ich dich ja noch von den Straßeneigenschaften überzeugen.
jaja… Dreck und Staub machen süchtig 😉 Branding war mit im Preis inbegriffen? LOL
sehr schön, dass es sonst nur blaue Flecken und Muskelkater sind…
Dankeschön kleine Schwester. Habe mich bei Stefan in Bilstain zum “Fortgeschrittenen” Anfang September angemeldet…. Mal sehen, ob ich die Nacht vorher schlafen kann
Wann denn? 8.9.?