Kuscheln ist gar nicht so schlimm
Guten Morgen aus Lons. Die Nacht war nicht wirklich gut, aber zumindest für mich besser, als es ein 1,60 m breites Bett mit einer gemeinsamen Bettdecke hätte vermuten lassen! Dennoch sind die Augen ganz schön klein, als der Wecker klingelt. Da wir heute aber 360 km auf kleinsten Straßen geplant haben, lassen wir auch am Sonntag den Wecker so früh klingeln. Wir haben ja Urlaub.
Dadurch sitzen wir zwar echt früh beim Frühstück, aber lassen es mit viel quatschen dann doch irgendwie gemütlich angehen! Es nützt aber alles nicht, wir müssen los. Also packen wir unsere sieben Sachen und machen uns auf, uns heute schwindelig zu fahren. Es sind morgens nur 8 Grad angekündigt, dennoch verzichten wir mutig auf die Regenjacke! Hoffentlich ist das kein Fehler.
Irgendwas ist ja immer
Es ist 8:30 Uhr, als wir mit ungefähr 1000 französischen Worten im Hotel verabschiedet werden. Zügig geht es raus aus Lons los, und wir fahren auf der gut ausgebauten D678 ein paar Kilometer Richtung Louhans. Wir kommen gut voran, und obwohl es nur knapp unter 8 Grad sind, ist uns nicht zu kalt! Aber ohne das Regenzeug können wir uns auch wieder bewegen. Ein paar Jäger kommen mit geschulterten Gewehren aus dem Wald heraus. Dies erinnert mich daran, dass Wildwechselzeit ist und man immer einen Blick links und rechts der Straße haben sollte.
Ich bin ja so froh, dass ich Motorrad fahre! Denn so kann ich mich immer und jederzeit über das Wetter oder etwas anderes beschweren. Heute morgen ist es eben die Sonne, die sich mit dem Schatten im Wald fröhlich abwechselt und die Augen ganz schön müde macht. Irgendwas ist ja immer.
Verschlafenes Frankreich
Wir sind nahezu alleine auf den Straßen unterwegs, Frankreich verschläft diesen wundervollen Sonntagmorgen! An einer Kreuzung meint Monika zu mir, was wir doch für einen wundervollen Wintermorgen erleben dürfen! Sie hat ja so Recht, dies fühlt sich nicht nach Spätsommer an. Ich habe eine kleine Träne im Auge. Zu groß zum Verdunsten und zu klein zum Runterkullern. Aber wenn ich jetzt beim Fahren den Helm aufmache, rinnt auch noch das andere Auge.
Es ist so unglaublich schön heute morgen. In jedem Ort grüße ich die Passanten am Straßenrand und die vor der Bäckerei wartenden Kunden. Meine Laune scheint anzustecken, denn die Grüße werden fröhlich erwidert. Rechts von der Straße steht eine große Herde weißer Rinder. Dies ist erstmal nicht außergewöhnlich in dieser Gegend. Aber dass dort eine ebenso weiße Herde Ziegen steht, durch deren Beine eine weiße Katze schleicht, das sieht schon sehr witzig aus.
Orientierungslosigkeit macht sich breit
Wir biegen links ab, wir biegen rechts ab und fahren auch eine ganze Menge geradeaus. In Pont-de-Vaux muss ich dann aber tatsächlich einmal die Karte drehen, denn diese Orientierungslosigkeit macht mich gerade wahnsinnig. Ich habe uns beide auf der Straßenkarte verloren. Ah! Da sind wir! Es sind nur noch ein paar Kilometer bis Macon, das wir sehr elegant auf der Südostspange umfahren.
Wir fahren über die Saone und klettern anschließend die vor uns liegenden Hügel hinauf. Sind wir noch in Rhones-Alpes oder in schon in der Bourgogne? Ich glaube, wir wechseln die beiden Departements minütlich. Aber eines sind wir sicherlich – mitten im Beaujolais und mitten in der Weinernte! Wild windet sich die gut ausgebaute Straße durch die Weinberge und die Wälder und schwupps, sind wir auch schon über den Col de Durbize hinweggefahren! Den Col de la Croix Marchampt hätten wir anschließend auch fast übersehen, die spektakulären Berge kommen ja später auf dieser Reise.
Kaffeedurst
Ich habe Kaffeedurst und nach 120 Fahrkilometer müsste auch der Tee von heute morgen einmal weggebracht werden. Warum bauen die Franzosen eigentlich keine Cafés mitten in die Weinberge?
In Quincie-en-Beaujolais finde ich dann eine kleine Bäckerei am Straßenrand, bei der wir zumindest unseren Kaffeedurst stillen können. Die Bäckerei hat zwar keine Toilette, aber es gibt eine halbwegs erträgliche Öffentliche direkt neben der Kirche. Wir packen uns noch ein Ficell (dünnes kleines Baguette) ein. Bei strahlend blauem Himmel werden wir heute Mittag also picknicken.
Keine Tankstelle weit und breit
Auf den nächsten Kilometer geht es einfach immer nur rauf und runter, links und rechts, dann rechts und links und dann runter und wieder hoch! Wir fahren über kleine Cols, wir fahren durch Wald und Wiesen und könnten einfach stundenlang so weitermachen! Hinter St. Just d’Avray mache ich einen kurzen Stopp am Straßenrand. Die CBF bräuchte so langsam Benzin und ich muss mich dann doch einmal etwas konkreter orientieren, wie weit es bis zur nächsten Tankstelle ist. Wir entscheiden aber, dass diese CBF ein Sparmodell ist und ohne weiteres noch bis Tarare kommen wird. Dort finden wir auch prompt die einzige an einem Sonntag geöffnete Tankstelle und schnell sind die Sorgen über einen absterbenden Motor mangels Benzin erledigt!
Tarare mag uns sehr gerne und will uns gar nicht mehr weglassen! Um zurück auf die Route zu kommen, sollen wir erst einen für Autos gesperrten Fahrradweg nach rechts hochfahren, dann über ein Weingut queren oder kurz danach eine Straße mit etwas mehr als 25% Steigung und einer uneinsehbaren Rechtskurve hinauffahren. Nein danke! Wir beschließen, jetzt einfach wieder stur zurück zum Ortseingang zurückzufahren und darauf zu warten, bis die Navis auf die ursprüngliche Reststrecke wieder richtig abbiegen.
Picknick mit Aussicht
Hinter Marcel l’Eclairé finde ich einen traumhaften Platz für ein Picknick. Es ist zwar windig, aber kann man sich bei diesem Ausblick ernsthaft beschweren?
Wir lassen die sehr nette Familie mit Wohnwagen am Nachbartisch alleine zurück und machen uns weiter auf den Weg Richtung Süden. Die Orte fliegen nur so an uns vorbei. Pannissiere, Salt-en-Donzy, Virigneux, nur um ein paar der kleineren und größeren Ortschaften zu nennen. Uns geht es heute um das Fahren, das Fahren und noch mal um das Fahren!
Gravillons
Hätten wir das mal nicht so laut gesagt. In Chevrieres fahren wir gefühlt zwischen zwei Häusern hindurch und sind uns auch danach nicht sicher, ob dies ein Privatweg ist und wir gleich auf irgendeinem Bauernhof wenden müssen, oder ob dies tatsächlich irgendetwas mit dem Weg zu unserem Hotel zu tun hat. Die nächsten fünf (gefühlt 20!) Kilometer sind geprägt von dicht gestreutem Splitt (Gravillons), gepaart mit engen Kehren und einem Auf und Ab zwischen Kuhweiden. Wir beschließen, unser Abenteuergen wäre für heute dann auch bedient!
Ansonsten dürfen wir aber wirklich nicht meckern. Hier und da ist mal eine Straße gesperrt oder eine Umleitung ausgeschildert, die uns aber alle nicht betreffen. So darf es gerne die nächsten zwei Wochen weitergehen.
Ich stehe vor dem nächsten Fahrradweg, an dem es nicht weitergeht! Dies ist das vierte Mal, dass wir heute wenden müssen. Dies ist sonst mein Schnitt für einen ganzen Urlaub. Ich bin froh, dass Monika dennoch mit mir weiterfährt. Eine Joggerin kommt uns irgendwo im Nirgendwo entgegen! Wo ist die denn losgelaufen und wo möchte sie hin? Bei 19 Grad wird mir langsam warm in meiner Steppjacke und ich überlege, ob ich todesmutig am nächsten Tag schon die nächste Schicht von mir werfe. Leben am Limit!
Fotostopp
St. Heand ist wundervoll geschmückt, wir haben aber leider keine Zeit, dort zu verweilen! Über St. Just St. Rambert nähern wir uns der Loire und folgen ein ganzes Stück dem Gorges de la Loire. In le Pertuseit machen wir einen kurzen Fotostopp und folgen anschließend weiter der Loire in Richtung unseres heutigen Tagesziels.
Der nächste Kaffee bitte
Ich träume von einem Kaffee irgendwo am Wasser und hoffe sehr, dass ich in Aurec-sur-Loire fündig werde! Aber nichts da, der Ort thront so hoch über dem Wasserspiegel, dass nichts mit hübscher Terrasse am Wasser ist. Na gut, dann halt nicht. Aber in Bas-en-Basset ist es dann eine kleine Eisdiele, die mein Flehen erhört, zwar nicht nach der Terrasse am Wasser, aber nach dem Kaffee. Monika und ich essen eine Kugel Eis, ich gönne mir noch einen Espresso. Holla die Waldfee! Bei dem Espresso würden sich Schlafstörungen heute Nacht sofort erklären.
Endspurt nach Le Puy-en-Velay
Die letzten Kilometer nach Le-Puy-en-Velay gehen immer entlang der Route de gorges de la Loire. Ich wusste zu meiner Schande gar nicht, dass die Loire zu ihrem Beginn so eine wundervolle Schlucht hat! Ein paar französische Motorradfahrer meinen, uns an einer Ampel unbedingt überholen zu müssen. In den am Ende nahezu offenen Auspuff könnte ich von oben einen ganzen Tennisball versenken. Müssen die so laut sein? Wir verlassen das Departement Rhones-Alpes und schwingen weiter durch die Auvergene.
Mit dem romantischen Spaziergang im mittelalterlichen Le-Puy wird es wohl nichts. Unser Hotel ist eher in einem Gewerbegebiet vor den Toren der Stadt. Wir finden das aber gar nicht so schlimm. Immerhin können wir im Gegensatz zu den letzten beiden Nächten hier mal mit offenem Fenster schlafen. Die Motorräder haben einen tollen eigenen Parkplatz und wir ein Zimmer mit getrennten Betten! Was wollen wir noch mehr?
Anmerkungen des Tages:
Anmerkung 1:
Falk hat mir den Tag und vermutlich auch den Urlaub gerettet! Ich habe mein Visier unten zugeklebt und bis auf eine kleine Nachlässigkeit meinerseits beschlägt da nichts mehr! Ich freue mich an jeder Ampel und an jedem sonstigen Stopp, auch Monika habe ich das ungefähr zwölfundfünfzig mal jubelnd berichtet.
Anmerkung 2:
Beim Picknick möchte ich Monika gerade etwas erzählen, beiße aber vorher noch mal herzhaft in mein Baguette. Sie meint, dass es ab 50 Gramm undeutlich wird. Frechheit.
Anmerkung 3:
Es hätte noch viel mehr Fahrbilder geben können. Das war heute aber Landschaft, dann Landschaft und auch etwas Landschaft.
Anmkerung 4:
Die den Verkehr verlangsamenden Betonschwellen heißen in Frankreich “ralentisseur”, was so viel wie “Verlangsamer” bedeutet. Ich bräuchte die Übersetzungen von “das-ganze-Motorrad-Durchschüttler”, von “plötzlich- Auftaucher” und von “einfach-lästige-kleine-Scheißerchen”. Danke.
Anmerkung 5:
In Frankreich sind viele Ortseingangs- oder ausgangsschilder verkehrtherum angebracht. Dies ist ein Protest. Damit soll gesagt werden, dass die Politik und der Markt auf dem Kopf stehen.
Anmerkung 6:
Damit ich es nicht vergesse: Danke an W.S. aus L., der fleißig Korrektur liest und mir somit zumindest im Nachhinein die Möglichkeit gibt, aus dem unverständlichen Kauderwelsch des Abends am Folgetag so etwas Ähnliches wie “geschriebene Schrift” zu machen.
Die Route
Das ist aber sehr nett von W.S. aus L., den ich hiermit allerherzlichst grüße!
Ihr rettet mir zur Zeit immer den Tag. Ich muss bei den Anmerkungen immer sehr schmunzeln. Da ich ja leider für dieses Jahr seit Juli Fahrverbot habe freue ich mich jetz umso mehr über deine täglichen Beiträge.
Gerne mehr von den “Ulrablauerhimmelfotos”
Sehr schöne und erfrischende Frühstückslektüre 🙂 .
Vielen Dank für’s mitnehmen und viel Spaß auf der Tour
Aber gerne doch, manchmal sind es so Kleinigkeiten…
Von mir aus kann diese Korrektur-Leserei unterbleiben, ich gebe zu, ich überlese jegliche französischen Bezeichnungen, wie z.B. Ortsnamen, da sich sonst in Gedanken meine Zunge verknotet 😉
Mich ziehts ja nicht so nach Frankreich, um so mehr freue ich mich auf jeden eurer nächsten Tage.
Bon Voyage oder so ähnlich!
Falk
So eine Salami muss auch höchst konzentriert geschnitten werden! Am besten noch abgewogen, nicht dass womöglich eine Scheibe größer ist als die andere und einer mehrerer bekommt, gell Sweety 😉
Ich wünsche euch noch einen tollen Urlaub!
Danke! Natürlich schneide ich! 😉
Hallo liebe Julia und Monika
Wir sind am letzten Freitag von 9 Tagen Frankreich zurückgekehrt. Es war wieder Mal super. Wie deine Bilder und Berichte auch. Die Pyrenäen werde ich nächstes Jahr in Angriff nehmen. Allerdings mit mindestens 50% Schotter. Schliesslich bin ich ,IT ner GS unterwegs.
Liebe Grüße GS-Manni61 oder auch Manfred