Möwengeschrei als Wecker
Guten Morgen aus Westport! Ich war gestern ganz schön müde und blicke daher heute morgen aus ziemlich kleinen und verquollenen Augen! Während ich im Bad versuche, das Gesicht zu restaurieren, steckt Monika bis zu den Schultern in ihrer Gepäckrolle und versucht, dem Chaos Herr zu werden! Ich warte mal ab, wie lange das so ordentlich da drin bleibt. Da wir direkt am Hafen sind, hören wir beim Packen den laut schimpfenden Möwen im Hotelgarten zu.
Heute sollte es eine kleinere Runde werden und ich gebe zu, ich bin nicht böse darum. Irgendwie dauert bei mir heute morgen alles länger! Das Zusammenfalten der Karte, das unglaublich anstrengende Anziehen der Stiefel und einfach alles ist etwas mühsamer als sonst. Aber ich glaube, das ist nach einem Tag wie gestern auch erlaubt.
Blindflug mit Farbenspiel
Bei strahlendem Sonnenschein verlassen wir den Hotelparkplatz und ich drehe eine großzügige Ehrenrunde durch den Ort. Ich gebe zu, dass es nicht ganz beabsichtigt ist, aber mein Navi hängt immer ca, 170 Meter neben meinem tatsächlichen Standort und das ist zum Navigieren relativ unmöglich!
Aber irgendwann hat es dann mich und auch meinen Standpunkt wiedergefunden und wir fahren entlang des Clew Bay Richtung Louisburgh. In Westport Quay ist die erste Tankstelle auf der linken Seite unsere, da es gestern Abend mit dem Tanken nicht mehr geklappt hat!
Fast übermütig ziehe ich die seit fünf Tagen unbenutzte, aber niegelnagelneue Sonnenbrille aus meinem Tankrucksack! Wir haben Sonne und das soll auch jeder sehen. Weiter geht es auf der R335 Richtung Wesser, da liegen am rechten Straßenrand ein paar Schiffe auf dem Trockenen. Also Blinker raus und Fotostopp! Irland hat tatsächlich Farben! 🙂
Wechselhaftes Wetter
Sehnsüchtig blicke ich auf Achill Island zurück, welches sich rechts in der Sonne liegend von uns verabschiedet! Hätte ich es gestern bei Sonne sehen wollen? Ich glaube nicht! So war es rauh und wild und genial!
Beim Vergleich von unserer Route und der Karte wird mir und Monika klar, das links und rechts Sonne ist, wir aber genau in der Mitte hindurch wollen! Aber was wären diese genialen einsamen Nationalparks ohne die irischen Wolken und Nieselregen!
Vor uns liegt im Nebel der Glencullin Lough fast mystisch. Wir können gar nicht anders, wir müssen hier anhalten. Die drei Touristen, die mit uns hier eine Fotosession einlegen, sind natürlich Deutsche, die allerdings mit dem Auto ihre Irlandrundreise absolvieren.
Killary Harbour und Leenaun
Entlang des Killary Harbour haben wir wieder Regen, dennoch sind die Ausblicke beeindruckend. Wir haben uns inzwischen ja an die vielen freilaufenden Schafe auf und neben der Straße gewöhnt. Aber hier am See steht eines so frech auf der Straße und schaut uns entgegen, dass Monika meint, es hätte nur noch gefehlt, dass es empört die Hände in die Hüften gestemmt hätte. Ein Schild macht uns darauf aufmerksam, dass wir nun Connemara betreten.
Wir folgen weiter der Straße oberhalb des Killary Harbours, bevor wir die Wasserfälle des ihn speisenden Erritt Rivers für einen Fotostopp nutzen.
Leenaun wurde uns als so “pretty” und so “nice “angepriesen, dass wir trotz wenigen 60 km auf dem Tageskilometerzähler für einen Kaffee anhalten! Es ist wirklich zauberhaft hier, aber dass diese acht Häuser ein Ort sein sollen, hätten wir nicht gedacht!
Wir treffen die ersten reisenden Motorradfahrer. Es sind Spanier, die 10 Tage auf der Insel bleiben! In einem lustigen Gemisch aus Englisch und Spanisch tauschen wir ein paar Freundlichkeiten aus und wünschen gegenseitig eine gute Reise!
Connemara National Park
Wir fahren weiter von Leenaun aus den Fjord entlang und könnten um 12:30 Uhr eine 90-minütige Fjordtour mit einem Boot machen. Ihr werdet euch wundern, das kommt für uns nicht in Frage!
Riesige Lachsfarmen schwimmen im Wasser und unzählige Schilder weisen auf den geräucherten Lachs als Spezialität der Region hin! Vom Wetter her gibt es einen lustigen Mix aus blendender Sonne und feinem Nieselregen im Minutentakt! Dabei stelle ich fest, dass der Erfinder der Sonnenblende an einem Motorradhelm Ire gewesen sein muss. So oft wie heute habe ich dieses Ding noch nie rauf und runter gemacht!
Mir fällt die sehr spartanische Beschilderung irischer Straßen auf. Es gilt kilometerlang 100 km/h. In den Nationalparks wird dann durch recht kleine Pfeilschilder nach rechts oder links auf plötzlich auftretende Kurven aufmerksam gemacht. Ist man allerdings auf größeren befahrenen Straßen in eher bewohnten Gegenden unterwegs, so steht auf der Straße bei engen Kurven ein “slow”oder ein “very slow”, wenn die gefahrene Geschwindigkeit dazu führen würde, dass man in einer Hauswand landet. So einfach kann Verkehrsführung sein.
Vorbei geht am Kylemore Lough und der gleichnamigen Abbey aus dem 19. Jahrhundert Richtung Letterfrack.
Richtung Omey Island
Die Iren haben Geduld, unendliche Geduld! Wenn Überholverbot ist und es fahren zwei Fahrradfahrer vor ihnen, so können Sie kilometerlang dahinter bleiben ohne unruhig zu werden! Ich bewundere sie für diese Ruhe!
Wir lassen die geduldigen Iren und die Fahrradfahrer rechts liegen und biegen in Moyard nach Omey Island ab. Ich weiß inzwischen gar nicht mehr, wann das Wasser ein Lough, eine Bay oder ein Harbour ist. Wir müssen in einer touristischen Gegend sein, da viele Hinweisschilder auf den Linksverkehr aufmerksam machen. Hochmütig murmel ich nach drei Tagen Linksverkehr in den Helm: “Wer braucht denn sowas?” 😉
Heute gibt es einfach nur Farben! Blauer Himmel, weiße Wolken, rote Beeren an irgendwelchen Büschen, gelbe Blumen, grüne Wiesen, weiße Strände! Es ist ein Traum!
Wir fahren auf kleinsten Straßen über Clifden Island. Weist ein Schild auf einen Fahrradweg hin, ist es garantiert meine geplante Route! Das Gras in der Mitte der Straße wird wieder mehr, aber eine Rallye mit historischen Fahrzeugen kommt uns entgegen. Also muss es eine befahrbare Straße sein! Der nächste Halt, die nächsten Bilder. Wenn wir so weitermachen, kommen wir auch heute nicht im Hotel an, aber das ist uns gerade total egal.
Sky Road
Kaum verlassen wir die Strecke um Clifden Island, biegen wir schon auf die Sky Road ab. Atemberaubende Blicke auf die Clifden Bay hat man von hier oben.
Mittagspause am Strand
Es sind fast 20 Grad und uns ist das erste Mal auf der Tour fast zu warm! Heute zeigt sich Irland von einer komplett anderen Seite! Wir entscheiden spontan, dass heute Picknick-Zeit ist und suchen nach einem geeigneten Ort für die Pause in der Sonne.
An Gorteem Bay werde ich durch Zufall fündig und freue mir ein Loch in den Bauch. Genauso so – nur eben nicht so schön – habe ich mir unseren Punkt für das Mittagessen vorgestellt.
Während wir auf den Parkplatz rollen, kommt uns ein Aachener Auto entgegen. Ich recke den Klenkes hoch, das internationale Kennzeichen, mit dem sich Aachener weltweit erkennen! Es funktioniert auch hier, das Fenster wird herunter gedreht und wir halten einen netten kurzen Plausch! Sie kommen von Süden über den Wild Atlantic way und sagen uns, dass es noch so unglaublich viel zu sehen gibt! Aber Ihr Festplattenspeicher im Kopf ist wohl genauso voll wie unserer!
Möwen versuchen unser Picknick zu klauen, aber sie stehen wohl mehr auf Pommes oder Brötchen als auf deutsches Roggenbrot und Salami! Wir haben also noch mal Glück gehabt.
Wir genießen unser Picknick, gehen mit den Füßen ins Wasser und haben heute einfach nur Urlaub.
Auch der schönste Moment ist einmal vorbei und wir müssen weiter! Wir packen unsere sieben Sachen ein und fahren weiter über die Insel. Die irischen Autofahrer sind die entspanntesten, die ich bisher auf meinen Reisen erlebt habe! Man muss nicht mühsam hinter ihnen herdrängeln, bei der ersten Gelegenheit machen sie einem sofort und großzügig Platz!
Inselhopping
In einem Ort auf der Strecke wird die Straßedecke neu gemacht. Heißt es in Deutschland dazu hart “Achtung Rollsplitt”, wird hier vor “surface dressing” gewarnt!
Mir ist warm und ich versuche an meiner neuen KLIM Kombi die seitlichen Reißverschlüsse an meiner Hose zum Lüften zu öffnen! Das funktioniert nicht! Hier muss ich wohl noch mal an meiner Technik etwas arbeiten. Also schwitze ich einfach weiter meine Hose voll.
Die wild bewachsenen Hügel des Connemara Nationalparks wurden inzwischen von felsigen Flächen abgelöst! Es wird flacher und über Carna und Kilieran fahren wir Richtung Gorumna Island. Am Ende der Straße halten wir an. Wir hören nichts, nichts und das Wasser! Na gut, und die Vögel, die sich über unsere Anwesenheit beschweren.
Ab ins Hotel
Wir biegen wieder rechts ab Richtung Galway. Auf den nächsten Kilometer könnten wir es wunderbar rollen lassen, wenn die Bodenwellen nicht wären! Hin und wieder heben Sie uns ganz schön aus dem Sattel und ich würde mehrfach gerne noch ein Foto schießen, traue mich aber nicht in den Rasten stehend auch noch eine Hand an die Kamera zu nehmen!
Ein Hund wirft sich mir in den Weg und zwingt erst mich und dann natürlich Monika zur Vollbremsung. Haben wir eigentlich eher Respekt vor den Schafen, war es heute morgen schon mal ein Hund, der aber Monika vors Motorrad laufen wollte, nachdem er mich nicht mehr einholen konnte.
Heute waren es zwar nur 280 km, aber die Eindrücke waren so vielfältig, dass wir wieder müde sind! Von daher folge ich auf dem Navi stur dem blauen Pfeil, bis die junge nette Dame mir wieder irgendetwas ins Ohr quatscht! Wir tanken auch noch einmal die Motorräder voll und wundern uns, warum wir für die letzten vier Kilometer 25 Minuten brauchen sollen. Wir sind ja nicht mit dem Tretroller hier!
Die nächsten 20 Minuten im Stop and Go durch Galway weiß ich, dass mein Navi klüger ist als ich! Puha, ist das ätzend! Aber das Feierabendbier auf der Terrasse im Nox Hotel lässt uns den Ärger schnell vergessen! Einen Tisch fürs Essen haben reserviert, das Duschwasser ist warm, was wollen wir eigentlich mehr!
Anmerkungen des Tages:
Anmerkung 1:
Monika tankt immer mehr als ich. Ist ja klar, der Tank ist ja auch größer.
Anmerkung 2:
Auf dem Mülleimer steht “Litter”. Die Gemeinde muss rechts groß sein, denn das sehen wir fast an jedem Parkplatz.
Anmerkung 3:
Unser Festplattenspeicher im Kopf ist voll! Wenn heute der Urlaub zu Ende wäre, hätte ich nichts zu meckern. Wo sollen noch die Bilder der nächsten Tage hin?
Anmerkung 4:
Wo genau liegt “Sorrybusfull”? Genau das stand nämlich auf einem entgegenkommenden Bus: Sorry Bus full
Die Route:
Hallo zusammen,
das war ja mal ein geiles Wetter.
Tolle Fotos übrigens! Am besten gefallen mir das Trockendock und Kylemore Abbey.
Nichts gegen mystische Stimmung, aber Sonne ist doch einfach was feines. Von daher wünsche ich euch noch ein paar schöne Tage und uns ebensolche Reiseberichte.
Wir versuchen übrigens meistens, mit unserem Tagespensum um 300km zu liegen, da hat man genug Zeit für das “drumherum” und kommt trotzdem vorwärts.
Es bleibt spannend, ich freu mich!
Viele Grüße
Falk
Hallo Falk ganz lieben Dank, der gestrige Tag ist immer noch in unserer Erinnerung tja, manchmal bekommen Monika und ich den Hals einfach nicht voll und es werden mehr und mehr Kilometer 😉
Aber um 300 km ist sicherlich ein vernünftiges Maß
Liebe Julia und liebe Monika,
wow, das war ja ein wirklich toller Tag!
Jeden morgen freue ich mich auf Deinen Bericht, der sich so leicht, lustig und begeisternd liest, dass man am liebsten selbst direkt aufs eigene Motorrad springen und losfahren möchte. Auch an dieser Stelle noch einmal ganz herzlichen Dank für Deine tollen Reiseberichte von Euren schönen Touren. Ich bin jedes Mal begeistert dabei. Ich wünsch Euch noch ganz tolle und trockene Tage und viel Speicher, um alles aufnehmen zu können, lach, leev Größ us Colonia, Jane
Sehr schöne Bilder und interessant beschrieben!
Ich war Anfang Juni im Süden/Westen Irlands. Absolut traumhaft.
VG
Ralf