Ausgeschlafen
Guten Morgen Labastide Rouairoux! Wir haben für unsere Verhältnisse echt gut geschlafen! Zwei Betten, zwei Decken, etwas kühl, aber besser als zu warm. Der Wecker geht erst um 7 Uhr, da auch das Frühstück erst ab 8 Uhr angekündigt ist. So nutzen wir die Zeit und sortieren einmal unsere Gepäckrollen neu und rollen unsere Motorräder raus aus der Garage und stellen sie direkt vors Haus. Noch zeigt sich die Sonne nicht, aber der Hahn des Nachbarn verkündet das Morgengrauen.
Die Hausbesitzerin ist Belgierin, am Frühstückstisch sitzen Holländer und so geht es in einem viersprachigen Mischmasch aus deutsch, englisch, französisch und niederländisch wild hin und her! Was für ein lustiges Durcheinander! Kitty verabschiedet uns so warmherzig und herzlich, dass man eigentlich noch zwei Nächte bleiben möchte. Was für ein nettes und hübsch hergerichtetes Haus.
Start mit Hindernissen
Um 8:45 Uhr rollen wir aus Labastide heraus, um schon nach 5 Minuten an der ersten Baustellenampel wieder zu stehen! Aber es geht zügig weiter und schon nach wenigen Kilometern setze ich den Blinker links. Wir hoppeln über die D88 durch die Morgensonne im Wald den Berg hinauf. Doch schon kurz hinter Lebrat ist wieder Schluss. Ein Holztransporter hat eine Panne und versperrt querstehend die Straße! Wir stellen die Motorräder ab und checken kurz die Lage. Das Stück Wiese neben dem LKW sollte breit genug sein, um daran vorbei zu fahren. Nur zur Sicherheit machen wir das jeweils gemeinsam, wir müssen ja nichts riskieren.
Ich sehe die ersten Kastanien auf der Straße liegen. Ich glaube, es wird Herbst. Unsere ersten Kilometer starten recht anspruchsvoll, so wird uns auch nicht langweilig. Auf den folgenden Kilometern stelle ich mir die ganze Zeit vor, wir hätten die beiden Holztransporter auf dieser Straße vor uns gehabt. Überholen unmöglich und wir wären nicht von der Stelle gekommen.
Schneller Tankstopp
Kaum verlassen wir die Berge, sind wir schon wieder mitten in den Weinbergen. Es ist warm und wir genießen es, den Blick wieder einmal schweifen lassen zu können. In Peyrac-Minervois tanken wir unsere zwei Damen einmal voll! Wer weiß, wann es wieder etwas gibt. Wir nutzen die Chance, um bei fast 20 Grad die erste Schicht Kleidung von uns zu werfen.
Die nächsten Kilometer sind unspektakulär. Es geht auf gut ausgebauten Straßen über la Redorte und an Tourouzelle vorbei bis nach Lesignan Corbieres. Mein Navi kennt eine ziemlich direkte Strecke einmal quer durch den Ort hindurch. Es geht in wildem Zickzack durch kleinste Gasssen und über innerstädtische Parkplätze quer durch das “centre ville”, bis wir südlich wieder die gute ausgebaute Hauptstraße nach Ferrals-les-Corbieres treffen.
Kurvenkringel ohne Kultur
Ist es schon Zeit für einen Kaffee? Ich denke nein! Hinter Villerouge-la-Cremade biegen wir auf die D613 ab und machen uns auf, die Corbieres-Berge zu durchqueren. Die Straße kennt kein gerades Stück und der Asphalt schreit geradezu danach, von uns unter die Räder genommen zu werden. Die Gegend ist absolut menschenleer und gefühlt kommt nur alle 10 km eine Ansammlung von drei Häusern, die aber ein eigenes Ortsschild haben!
Das Chateau de Villerouge-Termenes wird über Kilometer auf großen Hinweistafeln angekündigt und scheint eine touristische Berühmtheit zu sein. Wir bleiben neben dem großen Parkplatz am Ortseingang auf der Straße kurz stehen. Was folgt, ist unser Dialog,
Julia: “Monika, Lust auf alte Steine?”
Monika: “Hmm, wenn das berühmt ist, gibt es da vielleicht ein Café. Was meinst Du?”
Julia: “Das Fahren ist im Moment einfach zu genial.”
Monika: “Finde ich auch, also weiter.”
Ich glaube, jetzt ist auch dem Letzten klar, dass wir Kulturbanausen sind.
Auf den nächsten Kilometer bekomme ich ein schlechtes Gewissen, da weit und breit kein schwarzes Heißgetränk aufzutreiben ist. Das wird mir Monika nie verzeihen! Als wir an einer Baustellenampel halten, möchte ich Abbitte bei ihr leisten. Da strahlt sie mich über beide Ohren grinsend aus dem Helm an und meint nur, das wäre ja noch besser als auf Sardinien! Ich glaube, sie hat mir verziehen! Aber eines ist sicher: Für die Motorräder ist es artgerechte Bewegung.
Uns kommt in dieser menschenverlassenen Gegend ein Taxi entgegen. Wo kommt es her? Wo will es hin?
In Arques gibt es das nächste berühmte Chateau, welches auch noch gut erhalten ist! Ich habe Glück, und kann es beim Überholvorgang noch eben aus dem Augenwinkel fotografieren. Ich glaube es jetzt auch: Wir sind Kulturbanausen.
Schon fast Halbzeit
In Couiza ist es dann aber endlich soweit, denn ohne Kaffee geht jetzt gar nichts mehr. Wo ist nur der Tag geblieben, denn inzwischen liegt schon über ein Drittel der Tageskilometer hinter uns. Wie ist das nur passiert? Wir gönnen uns an der Straßenecke einen Milchkaffee, während am Nachbartisch sich ein anderer Motorradfahrer zur Mittagszeit ein Bier genehmigt. Es werden nochmal Tränen gelacht über unser nicht vorhandenes Interesse an historischen Gebäuden.
Schon geht es weiter mit unserer wilden Kurvenjagd. Hochkonzentriert müssen wir uns wieder über eine kleine Straße den Berg hinauf arbeiten. Könnte aber der Gegenverkehr dabei bitte auf seiner Spur bleiben?!
Fotostopp am Col
Wir fahren durch das Städtchen Puivert, welches mir irgendwie bekannt vorkommt. War ich hier vor acht Jahren mit dem ADAC schon einmal? Wir fahren über den Col des sept freres und nähern uns dem Col du Chioula. Haben wir kurz vorher erst einen Engländer überholt, lassen wir ihn jetzt wieder an uns vorbeifahren, während wir einen kurzen Fotostopp machen.
Doch noch eine Mittagspause
Rollsplitt ist unser Freund! Daher freuen wir uns umso mehr, dass die nächsten zwei Kilometer damit die Straße dicht belegt ist. Aber kaum sehen wir das Schild für die Entwarnung, überholen wir das Wohnmobil vor uns und lassen es wunderbar weiterlaufen. In Ax-les-Thermes würde ich gerne in eine kleine Creperie einkehren. Aber leider wird der gesamte Ortskern umgebaut und das Parken ist unmöglich. Ein paar Kilometer weiter in Savignac findet Monika eine kleine Brasserie. Nachdem wir noch mal unsere beiden Damen gefüttert haben, gönnen auch wir uns einen kleinen Snack auf der Terrasse.
Zunächst geht es etwas eintöniger auf der N20 Richtung Tarascon. Ein idiotischer Tenere-Fahrer zockelt erst immer etwas unterhalb des Geschwindigkeitslimits vor uns her. Als aber auf einer vierspurigen Straße dann 110 km/h erlaubt sind, dreht er am Gasgriff, dass die arme Yamaha genauso viel Öl wie Benzin verbraucht! Idiot! Warum lässt er uns nicht einfach vorbei! Wir lassen uns das aber nicht bieten, kurz danach sehen wir ihn nur noch in unseren Rückspiegeln.
Konditionsschwäche
Es ist anstrengend zwischen all den Autos und den LKW, wenn man ansonsten den ganzen Tag fast kein Fahrzeug gesehen hat! Aber es gibt hier ein schönes Überholverbotsschild. Man darf nicht überholen, es sei denn, man überholt ein langsameres Fahrzeug. Was ist das denn für ein Quatsch!? Wenn das Fahrzeug vor mir schnell wäre, würde ich ja nicht überholen wollen.
Wir biegen ab Richtung Col de Port und in Richtung der “routes des cols”. Auf der D618 kommen wir zügig voran. Aber ich bin todmüde! Ich kämpfe mit jeder Kehre und muss mir jeden Schalt- und Bremsvorgang erst einmal vorsagen! Kann so ein kleiner Mittagssnack denn so schwer zu verdauen sein? Ab Massat läuft es dann wieder besser, aber ich brauche trotzdem eine Pause. Da kommt es wie gerufen, dass Monika an einer Baustellenampel zu mir meint, dass auch sie total müde sei. Kein Problem, dann halte ich noch mal schnell in einer kleinen Brasserie an Straßenrand. Der kleine Espresso Macchiato ist zwar nur relativ lecker, macht aber definitiv wach.
Endspurt nach Juzet
Wir nehmen die letzten 50 km in Angriff und verlassen St. Girons westwärts. Die D618 begleitet uns weiterhin des Weges! Sie ist in Teilen so fantastisch ausgebaut, dass wir es noch mal richtig laufen lassen können. Das habe ich wohl zu laut gedacht, denn dann gibt es doch mal wieder unerwartet Rollsplitt. Ich hatte verdrängt, wie gerne die Franzosen damit um sich werfen. Unvermittelt steht eine Kuh mit ihrer Kuh-Kollegin mitten auf der Straße, so dass wir einen weiten Schlenker nach links um die beiden schwarz-weißen Damen herumfahren müssen.
Wir liegen trotz der 350 anspruchsvollen Tageskilometern gut in der Zeit und es ist kurz nach 17:30 Uhr, als wir in Juzet auf den Parkplatz unseres Gite-de-France rollen. Nun ja, wir rollen langsam und nacheinander und mit gegenseitiger Unterstützung, da wir zuerst über einen kleinen Absatz und dann auf einen geschotterten Parkplatz müssen. Wir müssen auf den letzten Metern nun auch nichts mehr riskieren.
Wir werden unglaublich herzlich von dem Eigentümer-Paar begrüßt und auch die Unterlegplatten für die Motorradständer auf dem unbefestigten Untergrund liegen schon bereit. Wir beziehen unser zuckersüßes Zimmer und lassen uns am Abend von der Dame des Hauses mit einem dreigängigen regionalen Abendessen verwöhnen. Ist das nett hier!
In diesem Sinne: Gute Nacht!
Anmerkungen des Tages:
Anmerkung 1:
Gestern sind wir des öfteren an Warnschildern vorbeigefahren, die vor Schafen warnen. Irgendein Scherzkeks hat diesen Schafen Flügel angemalt. Monika erinnern diese Schilder an einen fetten Pegasus.
Anmerkung 2:
Wir haben übrigens nachgerechnet. Monika und ich sind tatsächlich schon 60.000 oder 70.000 km zusammen Motorrad gefahren.
Anmerkung 3:
In einem kleinen Ort ist ein Fahrradrennen mit Tandems. Wir vermuten beeinträchtigte Personen auf dem zweiten Sitz. Ein Sicherheitsposten ist eine motorradfahrende Dame und sie bekommt sich vor Freude gar nicht mehr ein, auch zwei andere Frauen auf Motorrädern zu sehen!
Anmerkung 4:
Monika fragt, wann wir morgen aufstehen wollen. Frühstück gäbe es ab halb acht. Ich meine, dann müsste Viertel vor acht doch reichen. Das lassen wir mal sacken.
Anmerkung 5:
Ich muss uns mal loben. Wir sind jetzt wirklich den vierten Tag mit höchst anspruchsvollen und langen Tagesetappen unterwegs! Ich finde, wir machen das toll.
Anmerkung 6:
Morgen wird auch wieder ein langer und anspruchsvoller Tag mit einer der längsten Etappen. Mal sehen, ob die Kondition reicht.
Anmerkung 7:
Das sind die Pyrenäen – da fahren wir durch.
Anmerkung 8:
In Frankreich werden ungezogene Schneeketten zur Strafe immer in einen Koffer gesperrt. Damit sie das nicht vergessen, gibt es Schilder zur Erinnerung.
Die Route
50 km weniger am Tag und schon bleibt eine Stunde für alte Steine & Co 😉
Freue mich schon auf die nächste Etappe, ist immer eine positive Lektüre am Morgen, bevor es in den täglichen Socialmedia-Wahnsinn geht 🙂
“Fliegende Schafe” stammen aus einem Monty Pythons-Sketch: https://youtu.be/9TeiSsJ3G_0?si=6wr2rZ9QGbQgZ1PJ
🙂
Hallo ihr 2.
Wie lange seit ihr denn insgesamt unterwegs wenn ihr am 4. Tag noch nicht in den Pyrenäen seid?
14 Tage, der Weg ist das Ziel. Wir waren doch gestern in Juzet, dass sind schon Pyrenäen… heute in Elizando und übermorgen geht es über Spanien schön wieder zurück